Jagen westliche Geheimdienste nun Klimasünder?
US-Dienste stellen vor UN-Konferenz COP26 Bericht zu Klimawandel vor. Auch britischer MI6 widmet sich dem Thema. Verantwortung sehen die Autoren vorrangig bei anderen
Der Klimawandel wird angesichts umfassender Strukturanpassungsmaßnahmen und Schutzprogramme nicht nur zu einem immer stärkeren wirtschaftlichen Faktor; er gewinnt auch sicherheitspolitisch an Relevanz.
In einem Bericht der US-Geheimdienste zu den Folgen von Klimawandel und Erderhitzung werden diese Phänomene als Gefahr für die nationale Sicherheit bezeichnet. "Nach unserer Einschätzung wird der Klimawandel die Risiken für die nationalen Sicherheitsinteressen der USA in einem zunehmenden Maße verschärfen", heißt es in dem Papier, das Geheimdienstkoordinatorin Avril Haines am gestrigen Donnerstag präsentierte (hier eine Zusammenfassung auf Englisch).
Zu einem der drei großen Risiken zählen die zivilen und militärischen US-Nachrichtendienste die Zunahme geopolitischer Spannungen. Grund dafür seien zu erwartende Konflikte zwischen Staaten darüber, "wer wie schnell mehr tun und bei der kommenden Energiewende konkurrieren sollte".
Hinzu kämen grenzüberschreitende geopolitische Krisenherde aufgrund der physischen Auswirkungen des Klimawandels und Schutzmaßnahmen einzelner Länder, um ihre Interessen zu sichern.
Drittens schließlich seien Klimaeffekte per se dazu geeignet, die politische Ordnung auf nationaler oder internationaler Ebene zu destabilisieren.
Die Geheimdienste gehen in ihrem öffentlich einsehbaren Bericht davon aus, dass die im Pariser Klimaschutzabkommen verankerte Beschränkung der Erderwärmung auf 1,5 Grad Celsius "höchstwahrscheinlich" nicht eingehalten werden kann. Negative Folgen des Klimawandels seien daher in einem immer stärkeren Ausmaß zu erwarten.
Der Bericht der US-amerikanischen Geheimdienstkoordinatorin ist kein Novum. Bereits im April dieses Jahres hatte der britische Geheimdienst MI6 mit einer Wortmeldung zum Thema für Schlagzeilen gesorgt. Der Chef dieses Nachrichtendienstes, Richard Moore, bestätigte damals öffentlich, dass London die Klimapolitik anderer Staaten auch nachrichtendienstlich verfolge.
Man helfe bei der Einschätzung, ob sich andere Staaten bei ihren Klimaschutzversprechen "fair verhalten", so Moore in einem Interview mit dem Sender Times Radio.
Der Geheimdienstchef macht in der außergewöhnlichen Wortmeldung zwar keine weiteren Angaben darüber, welche Methoden der MI6 dabei anwendet. Der Klimawandel und die ihm erwachsenden Gefahren seien aber der "oberste Tagesordnungspunkt der Außenpolitik für dieses Land und die Erde":
Leute geben an, sich der Abwendung des Klimawandels zu verpflichten. Es ist wohl unser Job sicherzustellen, dass ihr tatsächliches Handeln im Einklang damit steht, wozu sie sich verpflichtet haben. (…) Es ist unser Job, das Licht auf Orte zu richten, an denen Menschen das vielleicht nicht wollen.:MI6-Chef Richard Moore
Der jüngste US-Geheimdienstbericht nun wurde nur rund zehn Tage vor Beginn der UN-Klimakonferenz COP26 im schottischen Glasgow veröffentlicht. Vor allem die Erwähnung von China dürfte daher ein eigenes geopolitisches Gewicht haben.
Die USA und China nämlich sind für mehr als die Hälfte des weltweiten Ausstoßes von Treibhausgas verantwortlich. Klimaschützer aus Politik und Wissenschaft fordern daher mit zunehmender Vehemenz eine Zusammenarbeit der beiden Weltmächte. Doch danach sieht es nicht aus.
Auch der Klima-Bericht von US-Geheimdienstkoordinatorin Haines sieht die Verantwortung fast ausschließlich außerhalb der US-Grenzen. So heißt es in dem am Donnerstag in Washington vorgestellten Papier:
China und Indien werden eine entscheidende Rolle bei der Bestimmung des Verlaufs des Temperaturanstiegs spielen. Sie sind die erst- bzw. viertgrößten Emittenten und beide erhöhen ihre Gesamt- und Pro-Kopf-Emissionen, während die Vereinigten Staaten und die EU - als zweit- und drittgrößte Emittenten - einen Rückgang verzeichnen. Sowohl China als auch Indien setzen verstärkt auf erneuerbare und kohlenstoffarme Energiequellen, doch mehrere Faktoren werden die Verdrängung der Kohle begrenzen. Sie müssen ihre Netze modernisieren, wollen aus Gründen der nationalen Sicherheit die Abhängigkeit von Brennstoffimporten minimieren und versuchen, die heimischen Wähler, die von der Kohleindustrie abhängig sind, zu beruhigen.
China habe einen Anteil von etwa 30 Prozent an den weltweiten Emissionen und Beijing habe sich verpflichtet, den Spitzenwert vor 2030 zu erreichen, heißt es in dem US-Bericht: "Aber bescheidene Emissionsreduktionsziele in seinem 14. Fünfjahresplan (2021-2025) im Jahr 2021 stellen dies infrage."
So habe China noch keine detaillierten Pläne zur Erreichung seines Netto-Null-Emissionsziels für 2060 veröffentlicht. "Um dies zu erreichen, müsse Peking unserer Einschätzung nach die von Präsident Xi Jinping auf dem US-Klimagipfel im April gegebene Zusage einhalten, aus dem Kohleverbrauch auszusteigen."