Japan: Ein Bauernsohn wird neuer Premierminister
Yoshihide Suga reformierte das Steuersystem zugunsten ländlicher Gemeinden
Ende August gab der nur noch bis Mittwoch amtierende japanische Premierminister Shinzo Abe bekannt, dass er sein Amt wegen einer sich verschlimmernden chronischen Darmerkrankung ein Jahr vor den nächsten regulären Wahlen aufgeben wird. Manche Beobachter hielten das für einen Vorwand, weil seine Umfragewerte schlecht waren und weil er nach einem Wahlmisserfolg 2007 schon einmal mit dieser Begründung zurückgetreten war. Andere werten die gesundheitlichen Gründe als glaubhaft, weil Abe im August zwei Mal im Krankenhaus war.
Ex-Außenminister Fumio Kishida und Ex-Verteidigungsminister abgeschlagen
Nun steht fest, wer sein Nachfolger wird: Es ist der 71-jährige Yoshihide Suga, den die Regierungspartei Jiyuminshuto heute mit 377 Stimmen zu ihrem neuen Vorsitzenden wählte. Ex-Außenminister Fumio Kishida und Ex-Verteidigungsminister Shigeru Ishiba landeten mit 89 und 68 Stimmen klar dahinter. Finanzminister Taro Aso, der ebenfalls als Nachfolger gehandelt wurde, war gar nicht zur Wahl angetreten. Dass die Jiyuminshuto Suga nach dieser Entscheidung am Mittwoch mit ihrer Parlamentsmehrheit zum Posten des Regierungschefs verhilft, gilt als Formsache.
Der neue Premierminister stammt aus bäuerlichen Verhältnissen und arbeitete sich nach einem Jura- und Politikstudium eher langsam nach oben. Dass er das ländliche Japan, aus dem er kommt, nicht vergessen hat, zeigte er später mit einer Steuerreform, die jungen Talenten, welche der Arbeit wegen in die Städte ziehen müssen, die Möglichkeit gibt, ihre Heimatgemeinden zu unterstützen.
1996 zog er mit 47 Jahren ins Unterhaus ein, 2006 wurde er Innenminister, 2007 Chefwahlstrategie - und seit 2012 ist er der "Naikaku Kambo Chokan", der Kabinettskoordinator. Auf diesem Posten galt er als enger Vertrauter Abes, dessen Politik Suga seinen eigenen Angaben nach fortsetzen will. Zur Außenpolitik meinte der designierte Premierminister darüber hinaus, die "Beziehung zu den USA" sei die "Basis" der japanischen Diplomatie und der "Ausgangspunkt, um mit unseren Nachbarländern Beziehungen aufzubauen". Was das konkret für das Verhältnis zu den Nachbarländern China (vgl. Chinesisch-japanische Annäherung) und Russland (vgl. Putin bietet Japan Friedensvertrag an) sowie für die von Abe verstärkten japanischen Rüstungsanstrengungen (vgl. Gokuchoonsoku Roketto) heißt, wird sich herausstellen.
Freihandelsabkommen mit dem Vereinigten Königreich
Wirtschaftspolitisch steht der Liebhaber von Buchweizennudeln, Pfannkuchen und Kampfsport vor der Herausforderung, einer nicht nur durch Anti-Corona-Maßnahmen belasteten Wirtschaft zu mehr Wachstum zu verhelfen. Dazu will er Abes Rezept einer Mischung aus Strukturreformen, Staatsschulden und einer lockeren Geldpolitik "fortsetzen und weiterentwickeln".
Ein Erfolg, der gestern gemeldet wurde, ist aber noch einer Abes: Das in Videokonferenzen ausgehandelte neue Freihandelsabkommen zwischen dem Vereinigten Königreich und Japan, das am 1. Januar 2021 in Kraft treten und den Handel zwischen den beiden Ländern jährlich um gut 15 Milliarden Pfund wachsen lassen soll, weil es der britischen Handelsministerin Liz Truss zufolge weit über das zwischen Japan und der EU hinausgeht.
Beim Finanzvermögen der privaten Haushalte auf Platz vier und bei der Arbeitsplatzsicherheit auf Platz eins
Betrachtet man die Weltwirtschaft weniger als sportlichen Wettbewerb zwischen Nationen, steht Japan aber ohnehin nicht so schlecht da, wie manche der westlichen Leitmedien das darstellen: Dem Better-Life-Index der OECD nach ist es sehr sicher und bietet mit einer Lebenserwartung von 84 Jahren eine der höchsten der 36 Mitgliedstaaten.
Beim Einkommen liegt das Land hinter den USA, der Schweiz, Luxemburg, Belgien und Schweden als erstes asiatisches auf Platz sechs; beim Finanzvermögen der privaten Haushalte auf Platz vier und bei der Arbeitsplatzsicherheit auf Platz eins. Das liegt auch daran, dass das Medianalter kein aussagekräftiger Innovationsindikator ist (vgl. Keine Angst vor "Überalterung") und dass in Japan weniger Menschen im Erwerbsalter mehr leisten, weil sie mehr gelernt haben - vor allem in den Bereichen Mathematik und Naturwissenschaften, wo japanische Schüler im internationalen Vergleich sehr gut abschneiden.
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