Jean-Luc Mélenchon: "Die Republik bin ich!"
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Der Anführer der linken Bewegung "Das unbeugsame Frankreich" liegt im Streit mit öffentlich-rechtlichen wie auch linksliberalen Medien, mit der Staatsanwaltschaft und der Polizei - und mit linken Inhalten
Etwas seltsame Kapriolen in seiner Medienpolitik vollführte in jüngster Zeit der französische, linkssozialdemokratische und linksnationalistische Politiker Jean-Luc Mélenchon. Von ihm erwartet man, dass er prinzipiell öffentlich-rechtliche gegen private Medien, aber auch linke Alternativmedien in Schutz nimmt und dabei eine Demokratisierung der öffentlich-rechtlichen Anstalten anstrebt, um diese möglichst dem Einfluss der Regierung zu entziehen und die Kontrolle von gesellschaftlichen Nutzergruppen in den Aufsichtsräten zu stärken.
Überraschend kommt es da, wenn Mélenchon in diesen Tagen eher die Arbeit privatkapitalistischer Sender - wie des auf Sensationsberichterstattung spezialisierten Fernsehsenders BFM TV - lobpreist, hingegen auf öffentlich-rechtliche Medien eindrischt. Wie jüngst geschehen mit dem (in öffentlich-rechtlicher Hand befindlichen) Rundfunksender Radio France Info, auf welchen er seit Mitte Oktober unaufhörlich einprügelt.
"Staatsradio France Info"
Allerjüngstes Beispiel dafür war die Episode, bei der dem Sender der - tatsächlich bedenkliche - Schreibfehler unterlief, zu behaupten, Brasilien wende sich mit dem Ausgang der dortigen Präsidentschaftswahl "der radikalen Linken" (statt, richtigerweise, "der radikalen Rechten") zu. Mélenchon höhnte und spottete in den sozialen Medien über "das Staatsradio France Info".
Zuvor hatte er den öffentlich-rechtlichen Sender als "Fälscher" angegriffen, was begierig durch ein rechtsextremes Wochenmagazin aufgegriffen wurde. Außerdem bezeichnete er den Sender als "Lügner". Letzterer Ausspruch trug ihm eine Strafanzeige ein.
Jean-Luc Mélenchon hatte auch dazu aufgefordert, den Journalistinnen oder Journalisten der Sendeanstalt das Leben oder den Ruf "zu versauen", wie man den schwer zu übersetzenden Ausdruck les pourrir ( vom Verb pourrir: verfaulen, verwesen, verkommen) ungefähr ins Deutsche übertragen könnte.
In seltsamem Gegensatz steht da seine Behandlung des Privat-Fernsehsenders BFM TV, welcher zwar Mélenchon nichts schenkt und seine jüngsten Probleme genüsslich ausweidet, dabei jedoch weniger kritische Informationen über ihn lieferte als Radio France Info oder auch das linke Internetmagazin Mediapart.
Inhaltliche Information ist ohnehin nicht die Stärke dieses Senders BFM TV. Anscheinend auf der Suche nach einem Fluchtpunkt vor seinen Problemen mit dem öffentlich-rechtlichen Radio und dem linken Internetmagazin, forderte Mélenchon öffentlich eine Debatte - zwischen den Rundfunkjournalisten und ihm - "an einem neutralen Ort" und schlug dafür just BFM TV vor.
Rundumschlag gegen Medien
In seinem Rundumschlag gegen mehrere Medien forderte Mélenchon unterdessen auch zu Abo-Kündigungen bei Mediapart auf, nicht ohne dieses "Käseblatt" ebenfalls zu beleidigen.
Ein solcher Umgang mit Medien, die auf unliebsame Weise über einen Berufspolitiker wie den zweimaligen Präsidentschaftskandidaten Jean-Luc Mélenchon - zuvor seit 1986 Mitglied im Senat (Oberhaus des französischen Parlaments), dann im Europaparlament, seit 2017 jetzt in der Nationalversammlung - berichteten, ist in dieser abrupten Form neu. Was hatte Mediapart verbrochen?
Eine Information von öffentlichem Interesse
Anlässlich von Ermittlungen der auf Finanzdelikate spezialisierten Staatsanwaltschaft, die unter anderem Abrechnungen aus dem Präsidentschaftswahlkampf 2017 an das Medienunternehmen der Beraterin Sophie Chikirou betreffen, erwähnte Mediapart die Tatsache, dass es sich bei ihr um Mélenchons Geliebte handele. Das war allerdings bereits Gegenstand früherer Artikel in anderen Medien gewesen, spätestens im Frühjahr 2017, auch wenn Chikirou damals in der Öffentlichkeit dementierte.
Mediapart erfuhr nun, dass Chikirou bei einer frühmorgendlichen Hausdurchsuchung bei Mélenchon angetroffen worden war, was dessen Furor hervorrief. Jean-Luc Mélenchon spricht von einer Verletzung seines Privatlebens, was zwar einerseits zutrifft; andererseits handelt es sich gerade in diesem Fall um eine Information von öffentlichem Interesse.
Steht doch der Verdacht im Raum, Mélenchon und sein Wahlkampfteam hätten der für Wahlkampfkostenabrechnung zuständigen Kommission - prinzipiell aus öffentlichen Geldern erstattungsfähige - Rechnungen präsentiert, die eventuell überhöht ausfielen.
Chikirou war im Frühjahr 2017 Mitglied im engeren Leitungsstab von Mélenchon Präsidentschaftswahlteam gewesen, aber auch dessen größte Dienstleisterin an der Spitze ihres PR-Unternehmens Mediascop. Und eben auch, mit einiger Wahrscheinlichkeit, eine wichtige Figur in Jean-Luc Mélenchons Privatleben; es ist allzu verständlich, dass sie dementiert.
Furor bei der Hausdurchsuchung
Die erwähnte Hausdurchsuchung bei Mélenchon, aber auch am Sitz seiner Wahlplattform La France insoumise ("Das unbeugsame Frankreich"), oft auch nurmit dem Kürzel LFI bezeichnet, fand am Dienstag, den 16. Oktober statt. Auch dabei legte der Linkspolitiker einigen Furor an den Tag - und tätigte den längst zum geflügelten Ausdruck gewordenen Spruch: "La République, c’est moi!" ("Die Republik bin ich!")
In der etwas längeren Sequenz beobachtet man, dass es bei der Auseinandersetzung vor der Tür zu Mélenchons Parteizentrale darum geht, dass er sich auf seinen Status als Parlamentarier beruft, um Zugang zu den Räumlichkeiten zu fordern, welche soeben durchsucht werden.
Auch wenn die Auffassung etwas kurios erscheinen mag: Mélenchon, der sich stets in die Tradition der Geschichte der Republik - inklusive ihres revolutionären Teilerbes der Jahre 1792-1794 - stellt, verkörpert ihr zufolge als Parlamentsmitglied ebendiese Republik; die Exekutivorgane desselben bürgerlichen Staates hingegen nicht. (Im vorliegenden Falle schützte ihn übrigens seine parlamentarische Immunität deswegen nicht vor den Durchsuchungsmaßnahmen, weil diese Immunität nur gegen Freiheitsentzug hilft - es sich jedoch hier nicht um solchen handelte.)