Jeder Vierte will weg von der Uni
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Nach Einschätzung des DGB sind die Hochschulen in NRW durchweg schlechte Arbeitgeber. Die zuständige Ministerin sieht sich trotzdem auf einem guten Weg
Dass sich die Arbeitsbedingungen an deutschen Hochschulen in den vergangenen Jahren eklatant verschlechtert haben, belegt nicht nur eine Vielzahl persönlicher Erfahrungsberichte. Mittlerweile liegt eine beachtliche Anzahl belastbarer Studien vor, die sich mit der Lage studentischer Hilfskräfte und Mitarbeiter beschäftigen (Eine neue Form prekarisierter Arbeitnehmer) oder gleich die Gesamtsituation des wissenschaftlichen Nachwuchses in den Blick nehmen.
Die Befunde sind allerorten so ernüchternd, dass die Befragung zu den "Arbeitsbedingungen an Hochschulen in NRW", die der DGB Nordrhein-Westfalen durchführte, kaum zu positiven Ergebnissen führen konnte. Im Detail sind sie dennoch erstaunlich und rechtfertigen allemal das Fazit des örtlichen Gewerkschaftsvorsitzenden: "Die Hochschulen in NRW sind noch meilenweit davon entfernt, ein guter Arbeitgeber zu sein", sagt Andreas Meyer-Lauber.
Arbeitgeber Hochschule
Es soll Zeiten gegeben haben, in denen die Beschäftigung an einer deutschen Hochschule zur kleinen Gruppe der Traumberufe gehörte. Inwiefern nostalgische Reminiszenzen an das Humboldtsche Bildungsideal, erheiternde Visionen ewiger Versorgungssicherheit oder die Verklärung akademischer Lebenswege dieses positive Image begünstigt haben, sei einmal dahingestellt. Wichtiger ist, dass es mit der Realität des Jahres 2013 nichts mehr zu tun hat.
26 Prozent aller Hochschulbeschäftigten, so die aktuelle DGB-Befragung, erleben die Rahmenbedingungen als so niederdrückend, dass sie sich keine langfristige Arbeit an Universitäten und Fachhochschulen vorstellen können.
Die Gründe sind vielschichtig. 41 Prozent der Beschäftigten sind mit ihrem Einkommen unzufrieden; zwei Drittel der Vollzeitbeschäftigten leisten regelmäßig (unbezahlte) Überstunden, die für Halbtagsbeschäftigte schon fast zur Regel gehören; ein Drittel fühlt sich bei seiner beruflichen Laufbahn nicht unterstützt oder nicht ausreichend gefördert und beraten. Die Reihe der Kritikpunkte ließe sich mühelos fortsetzen und wird nur durch einen positiven Aspekt durchbrochen: 64 Prozent gaben immerhin an, in ihrem Bereich selbstbestimmt arbeiten zu können.
Befristung als Dauerzustand
Laut einer in diesem Jahr veröffentlichten US-Studie haben Journalisten den unattraktivsten Beruf der Welt. Sie landen auf dem letzten von 200 möglichen Plätzen – locker abgehängt von Holzfällern, Tellerwäschern oder Brummifahrern. Die Universitätsprofessoren belegen Rang 14, eine Platzierung, die für hiesige Hochschulbeschäftigte kaum denkbar ist – trotz ihrer anerkanntermaßen hohen "intrinsischen Motivation".
"Wer sich heute für eine Laufbahn in der universitären Wissenschaft entscheidet, riskiert den Abstieg aus der bürgerlichen Existenz", behauptete Jan C. Behrends schon im Jahr 2009. Der Historiker hatte seinerzeit allerdings vor allem die Situation des wissenschaftlichen Nachwuchses im Auge, wobei Behrends den Begriff sicher nicht zu Unrecht als "euphemistischen Terminus" interpretierte, "der auch auf Hochqualifizierte jenseits des 40. Lebensjahres angewandt wird".
Die wirtschaftliche Lage und die Perspektiven dieser Berufsgruppe haben sich kontinuierlich verschlechtert. Unter Bevormundung, Planungsunsicherheit und Unterbezahlung leiden primär junge Wissenschaftler und deren Angehörige – sofern diese sich unter den hier skizzierten Bedingungen überhaupt zur Familiengründung entschließen.
Jan C. Behrends: Im akademischen Prekariat
Der "Bundesbericht Wissenschaftlicher Nachwuchs", der alle fünf Jahre statistische Daten und Forschungsbefunde zu Promovierenden und Promovierten aufbereitet, kommt in seiner jüngsten Ausgabe zu einem freundlicher formulierten, in der Sache aber ähnlichen Ergebnis. Eine Ursache sehen die Autoren im rasanten Anstieg der befristeten Beschäftigungsverhältnisse. Allein bei den wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Angestelltenverhältnis, immerhin die größte Gruppe des hauptberuflichen wissenschaftlichen Universitätspersonals unterhalb der Professuren, wurde eine Steigerung von 79 Prozent im Jahr 2000 auf 90 Prozent im Jahr 2010 festgestellt.
Der Befristungsanteil liegt 2010 in allen Fächergruppen über 80% - mit Spitzenwerten in den Ingenieurwissenschaften (94%) sowie Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften (95%).
Bundesbericht Wissenschaftlicher Nachwuchs 2013
Im gleichen Zeitraum (2000-2010) registriert der Bundesbericht für die genannte Gruppe außerdem eine Zunahme an Teilzeitbeschäftigung (von 38 Prozent auf 45 Prozent) und einen Zuwachs der Drittmittelfinanzierung (von 36 Prozent auf 43 Prozent). Die Befragung des DGB macht nun (wohl nicht nur) für Nordrhein-Westfalen deutlich, dass der Trend zu befristeten Arbeitsverhältnissen nicht allein den sogenannten Nachwuchs betrifft, sondern längst auf andere Beschäftigungsgruppen und ältere oder vermeintlich arrivierte Mitarbeiter übergegriffen hat. 79 Prozent der Wissenschaftler an Universitäten und 57 Prozent der Wissenschaftler an Fachhochschulen sind befristet beschäftigt. Doch auch jeder fünfte Mitarbeiter in Verwaltung und Technik hat nur einen befristeten Arbeitsvertrag.