Jeder Vierte will weg von der Uni

Seite 2: Auf der Suche nach guter Arbeit für wissenschaftliches Personal

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Dass Politiker einen eigenwilligen Umgang mit unliebsamen Forschungsergebnissen pflegen, demonstriert Bundesfamilienministerin Kristina Schröder immer wieder gern. Seit Monaten eilt sie von Rechtfertigungen zu Richtigstellungen und wieder zurück.

Nordrhein-Westfalens Wissenschaftsministerin Svenja Schulze (SPD) verfolgt eine andere Strategie. Sie fühlt sich von den Umfrageergebnissen des DGB in ihren ganz persönlichen Reformbemühungen bestätigt. "Insgesamt befinden wir uns auf einem guten Weg", lässt Schulze die besorgte Öffentlichkeit wissen und verweist unter anderem auf eine Bundesratsinitiative zum Wissenschaftszeitvertragsgesetz und die Initiative für einen "Rahmenkodex Gute Arbeit".

Tatsächlich sind viele fehlerhafte Weichenstellungen im deutschen und nordrhein-westfälischen Hochschulsystem aber nicht allein das Ergebnis schwarz-gelber Regierungspolitik in Berlin oder Düsseldorf. Die rot-grüne Konkurrenz hat entscheidend dazu beigetragen, Befristungen und Billiglöhnen auf den hiesigen Arbeitsmärkten Tür und Tor zu öffnen.

Aber Schuldzuweisungen bringen in dieser Debatte ohnehin niemanden weiter. Schon gar nicht tausende studentischer Hilfskräfte, die in Nordrhein-Westfalen wegen einer EDV-Panne monatelang auf ihr Geld warten und sich damit trösten müssen, dass Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD) die Angelegenheit "mehr als ärgerlich" findet.

Davon abgesehen: Ideen für eine bessere Ausgestaltung befristeter Beschäftigungsverhältnisse von wissenschaftlichem und künstlerischem Personal kommen nicht nur von der Gewerkschaft, sondern zum Beispiel auch von der Hochschulrektorenkonferenz oder von Stipendiaten aus der Promotionsförderung der Begabtenförderwerke. Sogar Gerda Hasselfeldt, Volker Kauder und Rainer Brüderle haben sich über das Thema bereits Gedanken gemacht.

Ob die Anregungen von den Gesetzgebern in Bund und Ländern aufgenommen werden und in der Praxis zu nachhaltigen Veränderungen führen, steht allerdings auf einem ganz anderen Blatt.

Gute Arbeit und gute Finanzierung

Die Arbeitsgemeinschaft der Kanzlerinnen und Kanzler der Fachhochschulen in NRW hat sich ebenfalls zeitnah zur DGB-Befragung geäußert. Auch sie setzt einige Hoffnungen in den "Rahmenkodex Gute Arbeit", weist aber bereits auf strukturelle Schwierigkeiten bei der Umsetzung hin. Die Abhängigkeit von befristeten Sonder- oder Drittmitteln begünstige den Abschluss befristeter Arbeitsverträge, heißt es aus der Kanzlerrunde, und auch für die steigenden Studierendenzahlen ständen nur zeitlich limitierte Mittel zur Verfügung. Außerdem hätten die Hochschulen im vergangenen Jahrzehnt "etliche zusätzliche und gänzlich neue Aufgaben parallel" bewältigen müssen.

Exemplarisch seien die Umsetzung der Bologna-Reform, das Akkreditierungswesen, die Umstellung des Rechnungswesens oder die Bewältigung der erheblich gestiegenen Studienplatznachfrage genannt. Seit dem Jahr 2000 steht nun auch noch die insgesamt vierte Novellierung des Landeshochschulgesetzes an.

Arbeitsgemeinschaft der Kanzlerinnen und Kanzler der Fachhochschulen in NRW

Der DGB schlägt derweil vor, Beschäftigte an Universitäten und Fachhochschulen bei gleicher Tätigkeit auch gleich zu bezahlen und strukturierte Personalentwicklungsmodelle zu entwerfen. Außerdem fordert die Gewerkschaft, das Ministerium wieder als obersten Dienstherrn einzusetzen und die Personalverantwortung auf die Landesebene zurückzuholen. Diese Variante ist freilich wenig wahrscheinlich, denn sie würde einen weiteren Affront gegen das selbsternannte Erfolgsmodell der unternehmerischen Hochschule bedeuten. Wird es dann lange dauern, bis noch mehr vorlaute Professoren ihre Unabhängigkeit durch Kooperationen zwischen Wirtschaft und Wissenschaft gefährdet sehen?

Selbst der DGB scheint da seine Zweifel zu haben und plädiert, falls eine Rückverlagerung der Personalverantwortung nicht möglich sei, "mindestens" für Rechtsverordnungen, die prekäre Arbeitsverhältnisse einschränken. Mit Rahmenvorgaben sei es nämlich nicht getan.