Jemen: Kinder werden zur Zielscheibe
Schulen sind unter Beschuss. Der von Saudi-Arabien geführten Koalition werden 153 Luftangriffe zugeschrieben
Die Vereinten Nationen machen vermehrt darauf aufmerksam, wie wichtig die finanzielle Unterstützung für die Menschen im Jemen ist. Zahlreiche UN-Programme zur Bekämpfung von Hunger und zahlreichen Epidemien (wie Cholera und Corona) sind auf Hilfsgelder angewiesen, die jedoch ausbleiben. Die Kürzungen der Mittel durch die Vereinigten Staaten und anderer Länder haben zu einem starken Rückgang der Nahrungsmittelhilfe geführt. Im April wurden die Lebensmittelrationen für mehr als acht Millionen Menschen im Nordjemen halbiert.
In der internationalen Geberkonferenz im Juni kamen nur 1,35 Milliarden US-Dollar zusammen. 2,41 Milliarden US-Dollar sind allerdings mindestens nötig, um die Hilfsprogramme bis zum Jahresende abzudecken. Wenn die notwendige finanzielle Unterstützung weiterhin ausbleiben sollte, werden in den kommenden Wochen Tausende von Menschen an den Folgen von Unterernährung und diverser Krankheiten sterben, berichtet die UNO. Rund die Hälfte der Hilfsprogramme im Jemen sind vom Geldmangel betroffen.
Altstadt von Sanaa: Überschwemmungen
Die jahrhundertealten Häuser die in Jemens Hauptstadt seit Generationen von zahlreichen Familien bewohnt werden, haben in jüngster Zeit trotz des Bürgerkrieges und zahlreichen Luftangriffen im Land erstaunlicherweise keine großen Schäden davon tragen müssen. In diesem Monat schlug jedoch die Natur zu und versetzte der Altstadt von Sanaa einen heftigen Stoß: Regenfälle und Überschwemmungen beschädigten mehr als 100 der alten Bauwerke.
Die Bewohner sahen sich aufgrund der schweren Schäden gezwungen, anderswo Schutz zu suchen. Einige wiederum verweilen immer noch in den beschädigten Bauten und müssen mit der Angst leben, dass diese bald endgültig einstürzen. Die Altstadt von Sanaa gehört zum UNESCO-Weltkulturerbe und deren Aufrechterhaltung ist ebenfalls von finanzieller Hilfe abhängig.
Allerdings ist nicht nur die Hauptstadt von den Überflutungen betroffen. Mindestens 170 Menschen im ganzen Land sind in den vergangenen Wochen an den Folgen von Überschwemmungen gestorben und mehr als 7.000 Menschen wurden vertrieben.
Schulen unter Beschuss
Die unabhängige jemenitische Menschenrechtsorganisation "Mwatana" und das in London ansässige "Ceasefire Centre for Civilian Rights" stellten fest, dass die kriegführenden Fraktionen des Landes allesamt für die Zerstörung von Schulen verantwortlich sind. Der vor wenigen Tagen veröffentlichte Bericht dokumentiert mehr als 380 Angriffe auf oder in unmittelbarer Nähe von Bildungseinrichtungen, die zwischen März 2015 und Dezember 2019 verübt worden sind.
Der von Saudi-Arabien geführten Koalition werden 153 Luftangriffe zugeschrieben. Laut dem Bericht ist unklar, weshalb die Angriffe auf den Schulen verübt wurden, da in den meisten Fällen kein militärisches Ziel in der Nähe identifiziert werden konnte.
Allerdings: Die sogenannten "Huthi-Rebellen" benutzen in den meisten Fällen Schulen für ihre militärischen Machenschaften und lagern unter anderem auch hochexplosiven Sprengstoff in unmittelbarer Nähe. Für dieses rücksichtslose Verhalten müssen meist die Schüler und Lehrerinnen und Lehrer bezahlen. Einmal damit, dass die Kinder nicht die Ausbildung erhalten, die ihnen zusteht und die sie brauchen, und viel zu oft mit dem höchsten Preis, mit ihrem Leben.
So berichtet die Nachrichtenplattform Middle East Monitor, dass ein Mädchen (ihr Name soll Ruwaida Saleh sein) in der südwestlichen Stadt Taiz angeblich von einem Huthi-Scharfschützen erschossen wurde, während es Wasser für ihre Familie holen wollte.
In Taiz sind die militärischen Auseinandersetzungen zwischen Huthi-Rebellen und den Truppen der saudischen Koalition besonders heftig. Einst war die Stadt als kulturelles Zentrum bekannt, doch mittlerweile bezeichnet man Taiz auch als "die Stadt der Scharfschützen". Es ist unklar, ob das Mädchen bei diesem grausamen Attentat gestorben ist.
Auf Twitter kursiert neben den Fotos, die das erschossene Kind zeigen, auch ein Video, welches ebenfalls die kleine Ruwaida zeigen soll - diesmal jedoch in einer Intensivstation. Es ist allerdings nicht zu erkennen, ob es sich wirklich um dasselbe Kind handelt, da auf den Fotos das Gesicht nicht klar zu erkennen ist. Und so geht der Krieg im Jemen trotz der zahlreichen anderen Katastrophe weiter. Die Köpfe der jemenitischen Kinder werden nicht in den Schulen mit Wissen bereichert, sondern stattdessen zum Ziel von Luftangriffen und Scharfschützen.