Jenseits der Angst: Desinformation als Demokratiegefahr?
Seite 2: Statt Infantilisierung: Ein reiferer Umgang mit Medienkritik
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Medienschaffende sollten die Klugheit der Publika nicht unterschätzen oder diese sogar, gleichsam wie im Kindergarten, schützend an die Hand nehmen wollen.
Das ist Teil von und bewirkt zugleich weitere "Infantilisierung" der politischen/medialen Diskurse – als ob man es mit wehrlosen Opfern von Manipulationen zu tun hätte. Die als handgreifliche Eingriffe wiederum per Definition, natürlich, (fast) immer von Anderen, von Außen, tendenziell "vom Bösen" kommen (sollen).
Im Gegenteil – Hoffmann weist darauf hin, dass laut relevanten Studien etliche Mediennutzerinnen und -nutzer eher skeptisch denn leichtgläubig unterwegs sind, mit Blick auf alle möglichen medialen, insbesondere journalistischen Angebote.
Vernünftige Skepsis
Michael Haller, emeritierter Journalismus-Professor ebenfalls von der Uni Leipzig, hatte das vor einiger Zeit in einer öffentlichen Hochschul-Debatte sinngemäß so auf seinen Punkt gebracht: Etwas Besseres als eine "gesunde", also vernünftige Skepsis könne doch Medien und Medienschaffenden kaum passieren.
Oder wie es Hoffmann formuliert:
Medienbildung ist immer gut – und dazu gehört auch, kritisch mit Medien umzugehen.
Wichtig scheint, auch hier nicht Angst oder gar Panik zu verbreiten. Sondern sowohl als Medienschaffende als auch als Mediennutzende aufklärend und aufgeklärt zu handeln:
Was sind die jeweiligen Stärken und Schwächen praktisch aller Medien? Wo haben sie mehr oder weniger zwangsläufig ihre "blinden Flecken"?
Welche Strukturen wirken in den Medien? Wem gehören diese Medien? Welchen Interessen sind sie verpflichtet? Inwiefern also sind Medien möglichst unabhängig von Interessen Dritter - auch hierzulande von politischen, wirtschaftlichen oder sonstigen Einflüssen?
Erfüllen gerade journalistische Medien ihre öffentlichen Aufgaben, die unter anderem in den 16 Landespresse-Gesetzen bestimmt werden: relevant informieren, zur gesellschaftlichen und individuellen Meinungsbildung beitragen, Mächtige kontrollieren sowie kritisieren und last but not least die Gesellschaft in ihrer Vielfalt und Widersprüchlichkeit artikulieren?
Jenseits der Angst: Eine differenzierte Sicht auf Desinformation
In politisch und medial dominanten Diskursen werden Worte wie "Demokratie" oder "Medienvertrauen" oder "Menschenrechte" in der Tendenz der eigenen Seite gutgeschrieben, gleichsam als "Heilsbringer".
Das ziemlich platte Spiegelbild dazu wären dann oft dem jeweiligen Gegner zugeordnete "Kampfbegriffe" wie "Desinformation", "Fake News" oder "Manipulation".
In Bereichen der Forschung wird, wie nicht nur Christian Hoffmann äußert, an vielen Stellen entspannter mit dem Thema "Desinformation" umgegangen als im herrschenden medial-veröffentlichten Diskurs.
Tatsächlich sollte Aufklärung ja auch mit Selbstkritik und Selbst-Beschränkung verbunden sein: Medienwissenschaftler Hoffmann sieht Aufklärungskampagnen, die beispielsweise alarmistisch vor etwaigen "Fake News"-Gefahren durch KI/AI-Anwendungen warnten, durchaus kritisch.
Es bestehe die Gefahr, dass Leute zu ängstlich oder skeptisch würden und davon ausgingen, "dass überall Fake News" lauerten. Dann würden Inhalte vielleicht pauschal abgelehnt oder als unplausibel wahrgenommen, die doch wahr wären oder es zumindest sein könnten. Dabei dann "Wahres" immer wieder konkret herauszufinden in Begriffen, Urteilen und Schlüssen, ist und bleibt - wie anderes auch - das Einfache, das schwer zu machen ist.