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Wirbel demonstrieren anschaulich die Suprafluidität des Lithiums

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Fermionenpaare in einer magnetischen Teilchenfalle können ein Bose-Einstein-Kondensat bilden und suprafluid werden. Bisherige Experimente lieferten jedoch keine eindeutigen Ergebnisse; permanente mechanische Wirbel zeigen nunmehr die Suprafluidität von Paaren aus Lithium-6-Atomen an.

Suprafluidität beobachteten Forscher zunächst bei flüssigem Helium 4, und Jahrzehnte später auch bei flüssigem Helium 3. Helium ist das einzige Element, das bei beliebig tiefen Temperaturen nicht gefriert – die Ursache ist seine kleine Masse; das erklärt Heisenbergs Unbestimmtheitsrelation.

Eine normale Flüssigkeit (links) in einem rotierenden Eimer dreht sich mit diesem mit, nicht so ein Suprafluid (rechts), es bildet lediglich kleine Wirbel aus. Im Suprafluid kann die Rotationsgeschwindigkeit wegen Quantisierungsregeln nicht kontinuierlich von innen nach außen zunehmen, denn es würde sich sonst weginterferieren, eine geschlossene Bahnkurve muss ein ganzzahliges Vielfaches der de-Broglie-Wellenlänge eines Teilchens lang sein. (Bild: Wolfgang Ketterle, MIT)

Helium 4 und 3 werden bei Temperaturen von 2,2 Kelvin beziehungsweise 0,003 Kelvin suprafluid. Unterhalb dieser Temperatur nimmt der Anteil des Heliums mit verschwindender Zähigkeit nach und nach zu, dass heißt, dieser Anteil fließt reibungsfrei durch winzige Kapillaren. Ein weiterer Effekt sind immerwährende Wirbel in runden Behältern bei Temperaturen unter 2,2 K.

Nahe des absoluten Nullpunkts, also bei Temperaturen weit unter 1 Kelvin passiert hingegen etwas spektakuläres: Füllt man siedendes Helium 4 einer Temperatur von 4,2 K bei Normaldruck in einen Eimer, dreht ihn und kühlt die ganze Apparatur kontinuierlich unter 2,2 K bis weit unter 1 K, so rotiert das Helium keineswegs weiter, selbst bei weiterhin drehenden Eimer kommt das Helium nach und nach zu Ruhe. Dieser besondere Dreh ist reversibel, abhängig von der Temperatur, da der Anteil des suprafluiden Heliums mit abnehmender Temperatur steigt, bei sehr tiefen Temperaturen ist nahezu das ganze Helium suprafluid, bei 2,2 K setzt der Effekt ein, nahezu das ganze Helium bewegt sich mit Reibung. Helium 3 verhält sich ähnlich. Dieser Nicht-Rotationseffekt ist jedoch nur bei nicht zu hohen Drehzahlen des Eimers zu beobachten.

Der besondere Dreh

Dieses sonderbare Verhalten legt die Frage nach Analogien zur Supraleitung nahe, genauer: zur BCS-Theorie, die auf der Annahme einer durch Gitterschwingungen vermittelten Paarbildung der Elektronen basiert. Es sind drei Analogien:

  1. zwischen verschwindendem elektrischen Widerstand und reibungsfreiem Strömen einer Flüssigkeit,
  2. nicht abklingenden Wirbelströmen – dieser diamagnetische Effekt ist zu beobachten, wenn ein gekühlter Supraleiter über einem Magneten schwebt – und immerwährenden Wirbeln sowie
  3. dem Meissner-Effekt und dem besonderen Dreh.

Verblüffende Analogie zwischen Supraleiter und Suprafluid

Im Fall des Heliums 4 liegt die Bose-Einstein-Kondensation als Erklärung der Suprafluidität nahe, die Wellenfunktionen der umherschwirrenden Atome überlappen, sofern sich in einem Würfel mit der Kantenlänge einer de-Broglie-Wellenlänge typischerweise mehr als ein Atom befindet; die de-Broglie-Wellenlänge hängt von der Geschwindigkeit der Teilchen und somit von ihrer Temperatur ab. Die Bewegung der Atome lässt sich durch ein Wellenpaket mit der Ausdehnung einer de-Broglie-Wellenlänge beschreiben. Unter einer kritischen Temperatur schwingen die Materiewellen wegen des Überlapps der Wellenpakete kohärent. Bei 2,2 K setzt die Bose-Einstein-Kondensation ein, jedoch bleibt ein endlicher Anteil des Heliums 4 auch bei weiter Abkühlung zäh, fließt also nicht reibungsfrei.

Sich drehende Bose-Einstein-Kondensate bilden mit steigender Drehzahl (von links nach rechts) mehr und mehr permanente Wirbel aus, diese sind ein Charakteristikum eines Suprafluids. Mittels Laserstrahl zusammen mit einer sich drehenden Ablenkapparatur lassen sich die Kondensate in Drehung versetzen. Die Fotos sind Schattenrissaufnahmen, die von der Lichtabsorption herrühren. (Bild: Wolfgang Ketterle, MIT)

Im Fall des Heliums 3 liegt die Sache ähnlich, hier müssen die Atome wegen ihres halbzahligen Kernspins jedoch Paare bilden, um der Fermi-Dirac-Statistik zu entkommen und ein Bose-Einstein-Kondensat bilden zu können (Fermi wird Bose). Die Analogie zur Cooper-Paarbildung von Elektronen in Supraleitern fällt hier auf. Andere Edelgase zeigen dieses Verhalten nicht, da sie bei tiefen Temperaturen gefrieren.

Es gibt weitere Suprafluide außer Helium – jedoch in der Gasphase bei Temperaturen im Nanokelvin-Bereich. Experimente waren erst nach der Weiterentwicklung der Kühltechnik für extrem niedrige Temperaturen möglich; das war auch die Voraussetzung der Entdeckung der Bose-Einstein-Kondensation einer Wolke von Rubidium-Atomen, siehe die Einleitung eines Artikels der beiden Entdecker Eric A. Cornell and Carl E. Wieman in der März-Ausgabe des Jahres 1998 des Scientific American, der woanders im Volltext zu lesen ist. Die beiden Wissenschaftler gewannen im Jahr 2001 den Physiknobelpreis zusammen mit Wolfgang Ketterle.

Dieses Absorptionsfoto, welches eine Fläche von 0,78 Millimetern im Quadrat abbildet, zeigt die permanenten Wirbel in Paaren aus Lithium-6-Atomen in der Gasphase. Das mittlere Foto ist mit einem Fourier-Filter künstlich scharfgezeichnet, dass heißt, räumliche Frequenzen, die ungefähr gleich dem Inversen der Ausdehnung eines Wirbels entsprechen, sind um den Faktor 4 vergrößert. Die oben aufgetragene Teilchendichte zeigt Einbrüche um 35 Prozent (rechts) und 10 Prozent (links), die von den Wirbeln herrühren; die Ursache der Differenz sind unterschiedlich starke Magnetfelder. Die Stärke der Wechselwirkung der Fermionen lässt sich mit einem Magnetfeld steuern, was zu einem Übergang von einem Bose-Einstein-Kondensat von Atompaaren zu einem Suprafluid aus schwach gebundenen Paaren führt, analog zu den Cooper-Elektronenpaaren in Supraleitern. (Bild: Wolfgang Ketterle, MIT)

Suprafluidität kann, muss aber nicht mit Bose-Einstein-Kondensation einhergehen, erst die Rotationseigenschaften einer Wolke zeigen die Suprafluidität eindeutig an. Ketterles Arbeitsgruppe hat nunmehr anhand der Wirbelbildung die Suprafluidität von Fermionenpaaren aus Lithium 6-Atomen nachgewiesen, siehe die Ausgabe vom 23. Juni 2005 der Zeitschrift Nature auf Seite 1047 in Band 435. Zwar galt die Bose-Einstein-Kondensation von Fermionenpaaren als plausibel, jedoch fehlte ein eindeutiger experimenteller Nachweis der Suprafluidität. Schattenrissaufnahmen einer ballistisch expandierenden Wolke deuten auf die Wirbel hin, die mittels Lichtabsorption aufgenommenen Fotos einer fast 1 Quadratmillimeter großen Wolke zeigen Variationen der Teilchendichte um rund 35 Prozent.