Jetzt wächst das Ding erst richtig

Mit dem Versuch, die Verbreitung des CSS-Cracks durch eine einstweilige Verfügung zu unterbinden, stellt sich die DVD-Lobby selbst ein Bein

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Die in Kalifornien ansässige DVD Copy Control Association (DVD-CCA) versucht eine einstweilige Verfügung gegen weltweit 72 Website-Betreiber zu erwirken, denen sie vorwirft "confidential proprietary CSS information" verbreitet zu haben. Gemeint ist damit im wesentlichen DeCSS, ein Tool, das es möglich macht, den Kopierschutz von DVD-Videos zu umgehen. Den Betreibern wurden darüber hinaus gestern per E-Mail gerichtliche Schritte angedroht.

Unter den Betroffenen findet sich auch der österreichische Verein quintessenz, der auf seiner Website DeCCS und Links zu weiterführender Information anbietet. Die DVD-CCA ist der Ansicht, dass dadurch ihre Geschäftsgeheimnisse widerrechtlich veröffentlicht worden seien. Die Website-Betreiber hätten DeCSS mit der Absicht verbreitet, das Raubkopieren von DVDs zu ermöglichen. Die im Netz öffentlich gemachten Informationen würden zudem den Bestand des DVD-Formats selbst gefährden und "alle künftigen technischen Innovationen in der Filmindustrie, im Bereich elektronischer Geräte für Einzelverbraucher und in der Computerindustrie" bremsen (siehe COMPLAINT FOR INJUNCTIVE RELIEF FOR MISAPPROPRIATION OF TRADE SECRETS).

Bei quintessenz sieht man die Sache naturgemäß anders. Nach Auskunft des Vereins dient DeCSS auf der Website nur zu Beweis- und Demonstrationszwecken. "Wir können nicht einfach behaupten, dass CSS (Content Scrambling System) Müll ist und dann den Beweis schuldig bleiben. DeCSS ist ein sehr augenfälliger und effizienter Beweis."

Überrascht ist man bei quintessenz vom blauäugigen Vorgehen der DVD-CCA: "Wenn man so ein peinlich schwaches Verfahren zur Verschlüsselung anwendet, dass ein halbes Kind sie knacken kann, dann sollte man doch lieber schamvoll schweigen, als ganz wild mit Gerichtsverfahren zu drohen. Seit dem Prozess gegen Galilei müsste eigentlich klar sein, dass man einmal vorhandenes Wissen nicht aus der Welt klagen kann."

"Wer bis jetzt nicht wusste, wo er einen DeCSS Mirror findet, hat nach soviel Publicity sicher keine Schwierigkeiten mehr damit. Jetzt wächst das Ding erst richtig. Kaum war die Nachricht von der DVD-CCA Aktion in der Welt, haben sich Leute gemeldet, die künftig auch einen Mirror betreiben wollen. Zumindest einer hat das heute vormittag auch schon umgesetzt."

Ganz wohl scheint sich auch der DVD-CCA nicht zu fühlen. Das gestern an zahlreiche Website-Betreiber per E-Mail ergangene Schreiben enthält einen Passus, in dem Empfänger, die das Schriftstück irrtümlich erhalten haben könnten, dazu aufgefordert werden es zu vernichten und die Nachricht in keiner Weise weiterzuverbreiten.

"...If the reader of this message is not the intended recipient, or the employee or agent responsible to deliver it to the intended recipient, you are hereby notified that any dissemination, distribution or copying of this communication is strictly prohibited. If you have received this communication in error, please immediately notify us by telephone (212-310-8000), and destroy the original message..."

Interessanterweise will die DVD-CCA nicht nur gegen Sites vorgehen, die selbst die oben genannte "confidential proprietary CSS information" anbieten, sondern auch gegen jene, die über Hyperlinks darauf verweisen, und jene, die auf die Verweise verweisen. So abgedreht das ganze klingt, der Journalist Declan McCullagh (Wired, Politech) mahnt dennoch zur Aufmerksamkeit gegenüber der jetzigen Aktion der DVD-CCA. McCullagh selbst hat durch einen Beitrag zum Thema, der einen Link zu einem DeCSS-Mirror enthielt, eine Klage ausgelöst.