Jobwunder oder Schuldenfalle?
Vermittlung ins Ungewisse - Aus dem sis-Angebot des Arbeitsamtes
Im Stelleninformationssystem des Arbeitsamtes (sis) finden sich neben seriösen und von den staatlichen Arbeitsvermittlern geprüften Jobangeboten auch etliche Luftnummern. Besonders vielfältig sind die Angebote unter der "BKZ - Berufskennziffer 6913105 - Finanzdienstleister". Dort finden sich manchmal sogar kleine Jobwunder - die allerdings intensiverer Recherche nicht immer standhalten.
Es las sich einfach gut. Im Stelleninformationssystem des Arbeitsamtes, kurz sis genannt, lobte das Paderborner Büro des "Allgemeinen Wirtschaftsdienst" (AWD) 25 Stellen für so genannte Wirtschaftsberater aus. Die Anforderungen:
Außendienstmitarbeiter, wenn möglich mit kaufmännischer Ausbildung. Der AWD bildet zu Wirtschaftsberatern aus (Abschluß vor IHK). Flexibilität, Teamfähigkeit, Offenheit, repräsentatives Auftreten im Außendienst.
Der Paderborner Vertreter des AWD versprach in der Stellenausschreibung seine neuen Mitarbeiter
zu Wirtschaftsberatern auszubilden mit einem Abschluss vor der Industrie und Handelskammer. ( IHK).
Flexibilität, Teamfähigkeit, Offenheit, repräsentatives Auftreten im Außendienst wurden vorausgesetzt und ein Gehalt von 1790 Euro versprochen. Für etliche Arbeitslose sicherlich ein verlockendes Angebot. Ein kleines "Jobwunder" in diesen harten Zeiten. Die Mitarbeiter des Paderborner Arbeitsamtes sahen wochenlang keinen Anlass, dem Angebot des AWD zu misstrauen. Auf Fragen des Autors erklärte Rüdiger Matisz in Vertretung der Direktorin des Paderborner Arbeitsamtes:
Im Rahmen der üblichen Stellenakquisitionsbemühungen des Arbeitsamtes Paderborn wurden 25 Stellenangebote als Wirtschaftsberater eingeworben. In der Tätigkeitsbeschreibung geht es um Außendienstmitarbeiter, möglichst mit kaufmännischer Vorbildung. Als Basisvergütung wurde 1790,00 benannt. Die Mitarbeiterin, die das Stellenangebot aufgenommen hatte, hat dieses Stellenangebot als sozialversicherungspflichtige Beschäftigung angesehen und in den Stellen-Informations-Service zur Veröffentlichung eingestellt. Mehrere Rückfragen bzgl. der Aktualität des Stellenangebotes verliefen immer positiv. Thematisiert wurde lediglich die Aktualität bei diesen Rückfragen, nicht aber die Art des Stellenangebotes.
Damit schien sich das "Jobwunder von Paderborn" zu bestätigen und blieb mehrere Wochen im Stellenverzeichnis der Bundesanstalt. Tatsächlich jedoch sind beim AWD meistens nicht nur die Handelsvertreter sondern auch die Teamleiter und selbst die Büromanager in der Regel selbst auch lediglich freiberuflich für den AWD tätig. Um so erstaunlicher, dass im Fall des Paderborner Büros feste Stellen angeboten wurden und nicht nur ein oder zwei, sondern angeblich gleich 25 Plätze.
Auf journalistische Nachfragen beim AWD-Büro in Paderborn reagierte der Pressesprecher der AWD-Holding in Hannover. Und damit hatte sich die mehrfach gegenüber den Paderborner Sachbearbeitern als korrekt bestätigte Ausschreibung plötzlich erledigt. Alles ein Irrtum vom Amt? So scheint es, denn AWD-Sprecher Folkert Mindermann schrieb:
Vielen Dank dafür, dass Sie uns darauf aufmerksam gemacht haben, dass dem Arbeitsamt Paderborn offensichtlich Übermittlungsfehler hinsichtlich der AWD Suche nach freien Mitarbeitern für die Finanzberatung unterlaufen ist. AWD hatte weder eine Zahl angegeben noch ein Gehalt. Denn(1) die Zahl ist offen, wir suchen mehrere Finanzberater in allen Teilen der Bundesrepublik und (2) das Gehalt lässt sich bei einem als freien Handelsvertreter tätigen Finanzberater nicht genau fixieren, schon gar nicht auf einen Festbetrag.
Mit dieser Auskunft konfrontiert reagierte der Sprecher des Arbeitsamtes Paderborn, Rüdiger Matisz: "Erst auf Ihre Nachfrage" hinsichtlich möglicher"Zweifel an der Sozialversicherungspflichtigkeit der veröffentlichten Stellenangebot" , habe
das Arbeitsamt Paderborn sich unverzüglich mit dem AWD in Paderborn in Verbindung gesetzt und darum gebeten, die aufgegebenen Stellenangebote zu überprüfen. In der Antwort vom 10. Februar 2003 wurde darauf hingewiesen, dass es sich um selbständige Tätigkeiten handele. Daraufhin hat das Arbeitsamt Paderborn unverzüglich die Stellenangebote aus der Veröffentlichung herausgenommen.
Also doch kein "Jobwunder" des AWD in Paderborn - und kein Einzelfall. Bundesweit suchen verschiede Finanzdienstleister über das Stelleninformationssystem (sis) des Arbeitsamtes, "Berufskennziffer 6913105", ständig nach frischen Kräften mit ebenso frischem Freundes- und Bekanntenkreis, den es dann abzugrasen gilt.
Auch im Arbeitsamtsbezirk Solingen bot das dortige AWD-Büro gleich vier, vermeintlich "feste Stellen" an. Auch dort ergab eine nähere Überprüfung, dass diese Stellen nicht sozialversichert gewesen sein sollten. Der AWD-Sprecher weist in seiner Antwort -
ausdrücklich (die in Ihrer Frage enthaltene) Vermutung zurück, AWD versuche "unter Vortäuschung einer angeblichen "festen "Stelle" Mitarbeiter "anzulocken. Das entspricht weder den Regeln und Geschäftsanweisungen des Hauses noch der praktischen Durchführung der Mitarbeiter-Suche durch die AWD Büros.
In Koblenz stand erst gar nicht "AWD" drauf, obwohl AWD drin war. Beim dortigen Arbeitsamt warb die G & G Arbeitsvermittlung Herr Geyik Pfuhlgasse 21 56068 Koblenz für eine Stelle mit dem Text:
Wir suchen für den Einsatz in Neuwied Finanzdienstleister.Sie sollten Kontaktfreudig, Lernwillig, Selbständig und Zuverlässig sein. Kenntnisse im Finanzdienstleistungsbereich sind nicht erforderlich,es erfolgt eine umfangreiche Ausbildung vor dem Einsatz.
Wieder wurde eine "Vollzeit-Stelle" versprochen mit Gehalt "nach Vereinbarung". Telefonische Nachfrage beim zuständigen Herrn Geyik ergab als Auftraggeber - den AWD. Wie es den, bei der Anwerbung mit großen Verdienstmöglichkeiten und hohen Provisionsmargen gelockten Mitarbeitern ergehen kann, schilderten frühere Wirtschaftsberater aus einem inzwischen aufgelösten Bonner AWD-Büro Ende Januar in einer "Markt-Sendung" des WDR. Einzelne Mitarbeiter beendeten ihre Tätigkeit für den AWD mit einem Schuldenberg von über 20.000 Euro. Sie hatten, statt ihren Vertrag aufmerksam zu lesen, mehr auf die Mundpropaganda innerhalb des AWD vertraut und hielten den monatlichen Provisionsvorschuss, der im Vertrag ganz klar als solcher gekennzeichnet war, für eine Art "Festgehalt". Tatsächlich musste dieser Vorschuss entweder aus den Abschlussprovisionen verdient - oder nach Ausscheiden aus dem AWD-Vertrag zurückgezahlt werden. So sitzen einige der Ehemaligen mittlerweile auf Rückforderungen des AWD in Höhe von 20.000 Euro und mehr.
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