Journalisten töten?!
Debatte über Online-Journalismus unter unglücklichen Vorzeichen
Eine Konferenz von Schweizer Medienberufsverbänden zum Thema Online-Journalismus findet unter dem Titel journikill.ch statt. Die Organisatoren haben vom Veranstaltungsthema im speziellen und dem Internet im allgemeinen offenbar wenig Ahnung: Die titelgebende URL www.journikill.ch war zum Zeitpunkt der Einladung noch gar nicht reserviert. Ein Online Redakteur hat sich die Domain geschnappt und polemisiert gegen die Ignoranz seiner Standesorganisation.
"Leim in die Tastatur: Guerilla-Strategien gegen die Online-Allmacht" wird als fiktiver Workshop unter der URL journikill.ch angeboten. Was eigentlich die offizielle Site des Berner Medientags hätte werden können, ist inzwischen in den Händen des Berner Online Redakteurs Markus Schütz. Auf den Werbematerialien für den 11. Berner Medientag vom 24. November zum Thema Online-Journalismus prangt die provokativ verstandene URL in fetten Lettern, der Blick ins Netz wird einem sozusagen aufgedrängt. Umso erstaunlicher, dass bis vor einer Woche unter journikill.ch nichts zu finden war - nicht einmal nervig blinkende GIFs, die auf den "under construction"-Status hinweisen.
Ein kurzer Blick in die Schweizer Registratur Datenbank genügte, um festzustellen, dass journikill.ch brach lag. Nachfragen bei den Organisatoren des Medientags ergaben, dass sie schlicht vergessen hatten die Domain zu reservieren. Ob solcher Ignoranz und der Art und Weise, wie der eigene Berufsverband den Online-Journalismus darstellt, empört, reagierte eBund Markus Schütz und schnappte sich den attraktiven Domainnamen. "Dass die eigene Gewerkschaft die Berufsgruppe der Online-Journalisten erst als "Journi-Killer" diffamiert und zugleich zeigt, wie groß ihr eigenes Desinteresse dem Medium gegenüber ist, lässt mich nur hoffen, dass ich auf eine Vertretung durch diese Gewerkschaft nie wirklich angewiesen sein werde," so Schütz über seine Beweggründe für das Domainsquatting.
Diffuse Ängste und Generationenkonflikt
Der Titel des Berner Medientags "www.journikill.ch - Macht der Online-Journalismus den Journalismus kaputt?" bedient die Vorurteile und Skepsis jener Print-Journalistinnen und -Journalisten, die ihre Kollegen im Online-Bereich vor allem für hirnlos kopierende und einfügende Agenturverwerter halten. Dass gerade bei älteren Vertretern aus der Medienwelt Ängste gegenüber dem neuen Medium vorhanden sind, wird denn auch unumwunden zugegeben. Der gestandene Berner Radio- und Printjournalist Heinz Däpp, Mitbegründer und -organistor des Medientags, gibt zu nur rudimentäre Erfahrungen mit Online Medien gemacht zu haben:
"Ich habe allerdings nicht mit den technischen Neuerungen Mühe, sondern mit dem Wandel des beruflichen Selbstverständnisses bei den Kolleginnen und Kollegen gewisser Medien."
Es geht also um die Qualitätsfrage. Die Mediengewerkschaft Comedia will als Mitorganisatorin des Medientages journikill.ch nicht wertend verstanden wissen. "Mit dem Veranstaltungstitel soll keinesfalls der Eindruck entstehen, dass Online-JournalistInnen die schlechteren VertreterInnen des Berufsstandes sind." Wolf Ludwig, Zentralsekretär für den Bereich elektronische Medien bei Comedia sieht in der gegenwärtigen Online-Debatte Parallelen zu früheren Innovationsschüben in der Medienwelt.
"Das gegenwärtige Verhältnis zwischen Online-Journalismus und traditionellem Medienhandwerk ist vergleichbar mit der Situation bei der Konzessionierung der ersten Privatradios Anfang der 80er Jahre. Auch damals haben die Print-Leute das neue elektronische Medium erst mal verteufelt."
Copy-Paste ist Realität
Einen Bärendienst für das schlechte Ansehen der Online Leute leisten manche Verlagshäuser selbst. Von den Online-Redakteuren wird oft nicht mehr verlangt, als den Agenturticker zu beobachten, die Meldungen zu gewichten, um sie dann minimal redigiert und mit ein paar Links angereichert ins Netz zu stellen. Wie sich bei einem solchen Berufsprofil ein Online-Journalist mit originellen Eigenleistungen profilieren kann, bleibt schleierhaft. Eine Beobachtung, die auch Frank Hänecke, Studienleiter Online Journalismus am Medienausbildungszentrum MAZ macht:
"Für das schlechte Image, das dem Online-Journalismus zum Teil anhaftet, sind in erster Linie jene Anbieter verantwortlich, die ihre Online-Crew zu Abfüllern degradieren oder sich nicht an journalistische Grundsätze halten. Letzteres führt aber auch bei anderen Medien zu Glaubwürdigkeitsverlusten."
Nicht abgefüllte Agenturnews, sondern hausgemachtes Hintergründiges und Mehrsprachiges liefert swissinfo.org, das Nachfolgeprojekt des staatlichen Kurzwellensenders Schweizer Radio International SRI. Der stellvertrende Direktor und Leiter Multimedia von swissinfo/SRI Peter H. Hufschmid macht denn auch klar, dass es nur die Art und Weise der Publikationsmöglichkeiten sind, die das Internet von anderen Trägermedien unterscheidet. "Im Internet findet man gute und schlechte Newsangebote. Der Unterschied zu anderen Medien ist einzig, dass auch die qualitativ minderwertigen Angebote problemlos und mit vernachlässigbarem Kostenaufwand in einem weltweit konsumierbaren Medium publiziert werden können." Und ausserdem so Hufschmid, müssten sich auch die Zeitungen den Copy-Paste Vorwurf gefallen lassen:
"Auch in Zeitungen besteht ein beträchtlicher Anteil des Inhalts aus kopierten und eingefügten Agenturmeldungen."