Jugendarbeitslosigkeit: Haarsträubende Zahlen, keine Rezepte
Der Beschäftigungsgipfel in Mailand führt die Ratlosigkeit angesichts des Phänomens vor Augen
Die Zahlen sind zum Teil haarsträubend: In Griechenland liegt die Jugendarbeitslosigkeit nach jüngsten Zahlen bei 51,5 Prozent, in Italien bei 44,2 Prozent, Spanien verzeichnet 43,7 Prozent und Frankreich 23,4 Prozent. Insgesamt sind es in Europa etwa fünf Millionen Unter-25-Jährige, die erwerbslos sind, berichtet Le Monde und fügt hinzu, dass die Politik noch keine Rezepte für dieses Phänomen gefunden habe, dass dem Problem in den europäischen Regierungen keine Priorität eingeräumt wird.
Von der allgemeinen Ratlosigkeit kann sich der Leser leicht überzeugen. So gibt es zum heute stattfindenden Beschäftigungsgipfel in Mailand, der die Jugendarbeitslosigkeit zum "Topthema" hat, eine ganze Reihe von Berichten. Viele haben gemein, was im Mittagsmagazin exemplarisch vorgeführt wird: Angelockt von der Möglichkeit, es gäbe sie ja doch, sucht man im Artikel zur Überschrift "Strategien zur Jugendarbeitslosigkeit" nach eben diesen Strategien und findet sie nicht, sondern nur, wie hier auch, die Probleme in Zahlen.
Um Zahlen geht es laut Berichterstattung großer Medien auch hauptsächlich beim Gipfel, dem dritten nach Berlin im Juli 2013 und Paris im November des letzten Jahres. Wie Le Monde in Frankreich und die FAZ in Deutschland gleichermaßen feststellen, haben die vorherigen Gipfel dazu geführt, dass die EU Geld für Programme bereitstellt, dass aber daraus nur sehr spärlich Konkretes erfolgt ist.
Sechs Milliarden Euro hat Brüssel für 2014 und 2015 "locker gemacht", so Le Monde, um nationale Projekte zu fördern. Doch habe mit Ausnahme von Italien und Frankreich kein Land "konkrete Projekte" vorgestellt. Frankreich wurden 620 Millionen bewilligt, Italien 1,1 Milliarden. Auch Litauen habe Gelder für ein Programm bewilligt bekommen, ist zu lesen: drei Länder von zwanzig, die Anspruch auf Finanzhilfen aus Brüssel haben, weil sie eine Jugendarbeitslosigkeit über 25 Prozent verzeichnen.
Dass nur ein Bruchteil des zur Verfügung gestellten Fördergelds in Anspruch genommen wird, liegt aus französischer Sicht an den Mühlen der EU-Bürokratie, umständliche Regelungen, umständliche Bewilligungsprozeduren. Auch die deutsche Arbeitsministerin Nahles bemängelt fehlende Effizienz bei der Mittelvergabe. Darüberhinaus wird von Forderungen nach weiteren Mitteln berichtet.
Laut FAZ kann das durchaus Erfolg haben, wie das von der Europäische Investitionsbank (EIB) in diesem Jahr mit 7 Milliarden Euro unterstützte Initiative "Arbeitsplätze für junge Menschen" zeige: "Sie fördert kleine und mittlere Unternehmen, die jungen Menschen anstellen. 80.000 Betriebe haben in diesem Jahr schon Geld bekommen. Sie beschäftigen nach Angaben der EIB knapp 120.000 junge Menschen."
Angesichts von 5 Millionen arbeitslosen Jugendlichen wirken 120.000 Jobs allerdings wie der sprichwörtliche Tropfen auf dem heißen Stein, dem mit 7 Milliarden Euro Einsatz eine größere Summe mitgegeben wurde als das oben erwähnte EU-Budget für die Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit.
Die französischen Kommentatoren gehen davon aus, dass der Beschäftigungsgipfel sich wahrscheinlich mehr mit einem anderen Problem als das der Jugendarbeitslosigkeit beschäftigen wird, nämlich mit dem Konflikt zwischen Frankreich, Italien und Deutschland sowie den anderen Ländern, die im Bunde mit der deutschen Regierung auf mehr Haushaltsdisziplin drängen.
Zum Thema Jugendarbeitslosigkeit wird wenig Neues entwickelt werden. Dabei sei das Problem "dramatisch", wie der frühere Wirtschaftsnobelpreisträger Joseph Stiglitz warnt. Doch spricht auch er vor allem über prinzipelle Impulse, die anders zu setzen wären als mit einer Austeritätspolitik, um das Wachstum wieder anzuschieben.
Andere Ökonomen stimmen ihm in der Einsicht zu, dass die Jugendarbeitslosigkeit verheerende Folgen auf die künftige Produktivität der Volkswirtschaften haben kann. Nicht angesprochen werden die politischen Folgen; die Fragen danach, was passieren kann, wenn sich eine beträchtliche Menge an Jugendlichen allmählich von einem System verabschiedet, das ihnen Zugänge versperrt.