Jugendliche bewegen sich so wenig wie 60-Jährige
In den USA grassiert weiter die Fettleibigkeit
In keinem Bundesstaat der USA sind weniger als 20 Prozent der Erwachsenen adipös, in 21 Bundesstaaten sind es mehr als 30 Prozent, in manchen auch 35 Prozent und mehr. Die letzten Zahlen stammen von 2015. Insgesamt sind mehr als 36 Prozent der Amerikaner fettleibig, da auch bereits 17 Prozent der Jugendlichen und Kinder dazu gehören, 32 Prozent haben Übergewicht. Zwischen 12-19 Jahren liegt der Anteil der Fettleibigen bereits bei mehr als einem Fünftel. Zum Vergleich: In Deutschland sind 23 Prozent der Erwachsenen adipös, bei den 14-17-Jährigen sind es 17 Prozent.
Eine Studie von Wissenschaftlern der John Hopkins University, die in der Zeitschrift Preventive Medicine erschienen ist, macht jetzt deutlich, dass ein Grund für die zunehmende Verfettung die wachsende Bewegungsarmut der jungen Menschen ist. Ältere Teenager bewegen sich nicht mehr als 60-Jährige.
Die Wissenschaftler haben Daten von mehr als 12000 Menschen zwischen 6 und 84 Jahren ausgewertet, die an der Studie National Health and Nutrition Examination Survey (NHANES) 2003-2004 und 2005-2006 teilgenommen. Die Teilnehmer wurden körperlich untersucht und über ihre Gesundheit und Ernährung befragt. Überdies wurde die körperliche Aktivität kontinuierlich mit der Ausnahme von Baden und Schlafen mit Akzelerometern gemessen. Dabei fiel auf, dass Aktivitätsmuster am Tag sich bei verschiedenen Altersgruppen und bei den Geschlechtern unterscheiden.
Auffällig ist, dass die körperliche Aktivität bei Kinder und Jugendlichen unter 19 Jahren derjenigen von Menschen im Alter von 60 Jahren und mehr vergleichbar ist. Die Wissenschaftler führen dies auch darauf zurück, dass die Jungen länger schlafen. Ab 20 Jahren nimmt die körperliche Aktivität zu und stabilisiert sich zwischen 31 und 59 Jahren, was teilweise damit zu tun hat, dass früher am Morgen, bedingt durch die Arbeit, mehr gemacht wird. Bei Männern sinkt im Vergleich zu Frauen im mittleren Alter früher die körperliche Aktivität, während mehr Zeit im Sitzen verbracht wird. Auch im Alter bewegen sie sich weniger. Gleichwohl ist insgesamt das Maß an körperlicher Aktivität von Männern bis 60 größer als bei Frauen.
Die Wissenschaftler waren besonders über die Ergebnisse bei den Jungen überrascht. In der Adoleszenz würde das Maß an körperlicher Aktivität "alarmierend niedrig" sein, sagt der Biostatistiker und Mitautor Vadim Zipunnikov. Für Kinder zwischen 5 und 17 Jahren schlägt die WHO mindestens eine Stunde am Tag einer mittleren bis anstrengenden körperlichen Aktivität vor. Die Hälfte der Jungen und Dreiviertel der Mädchen zwischen 12 und 19 Jahren unterbieten dies. Etwas weniger sind es bei den jüngeren Kindern. Der größte Anteil der körperlichen Aktivität bei Schulkindern findet zwischen 14 und 18 Uhr statt. Hier könne man an den Zeitplänen, etwa in den Schulen, etwas verändern, schlägt Zipunnikov vor.
Nur bei den 20-Jährigen geht es mit der körperlichen Aktivität nach oben, bevor der Bewegungsmangel ab Mitte 30 wieder zuschlägt. Die Wissenschaftler vermuten, dass die Zwanzigjährigen mit dem Eintritt in das Arbeitsleben am frühen Morgen noch körperlich aktiver als die Jugendlichen sind. Dann sinkt die Bewegungsaktivität kontinuierlich.
Die Wissenschaftler glauben, dass viele Menschen zwar versuchen würden, anstrengendere körperliche Aktivität in den Tagesablauf einzubauen, während sie zu wenig darauf achten würden, weniger zu sitzen oder mehr leichtere körperliche Aktivität ausüben, was eigentlich die bessere Alternative sei.
Radikaler geht das Expertengremium Preventive Services Task Force (USPSTF) an die Bekämpfung der Fettleibigkeit bei Kindern heraus. Sie fordert Ärzte auf, Kinder ab 6 Jahren auf Adipositas durch die Messung des BMI zu untersuchen, um dann intensive Verhaltensinterventionen zur Reduzierung des Gewichts einzuleiten. Je früher man mit intensiven Programmen von 26 Stunden und mehr für Kinder und auch deren Eltern eingreife, desto bessere Chancen bestünden, das Gewicht der Kinder zu mindern. Zwar habe sich die Fettleibigkeitsrate bei Kindern und Jugendlichen stabilisiert, nachdem sie drei Jahrzehnte lang angewachsen war, aber bei manchen Gruppen wie schwarzen Mädchen oder lateinamerikanischen Jungen nimmt sie weiter zu. Allerdings werden auch keine großen Erfolge versprochen. Die Aussichten seien moderat. Eine medikamentöse Behandlung etwa mit Metformin führe höchstens zu kleineren Verbesserungen.