Juncker will ESM-Rettungsschirm angeblich für Konjunkturpaket zweckentfremden
Söder: Vorhaben wäre ein "Konjunkturprogramm für die AfD"
Einem Bericht der Süddeutschen Zeitung zufolge "erwägt" der neue EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, die Gelder aus dem Währungsschirm ESM "zeitlich und anteilig begrenzt" für ein von ihm angestrebtes Konjunkturpaket auszugeben. Einen offiziellen Plan dazu könnte er im November vorstellen, nachdem das Europäische Parlament sein Kabinett genehmigt hat. Angeblich gibt es schon eine Task Force, die mit der Ausarbeitung dieses Plans beauftragt ist.
Nach der "Rettung" von Spanien mit 41 und der von Zypern mit neun Milliarden Euro kann der ESM noch maximal 450 Milliarden Euro vergeben. Junckers Konjunkturprogramm soll 300 Milliarden Euro schwer werden, allerdings will der Luxemburger auch Investitionen privater Unternehmen mit dazurechnen. Beobachter gehen davon aus, dass es solche privaten Investitionen nur dann gibt, wenn den Unternehmen erhebliche öffentlichen Subventionen winken.
Der bayerische Finanzminister Markus Söder sprach gestern davon, dass eine Zweckentfremdung der ESM-Einlagen, wie sie angeblich von Juncker geplant wird, in der Tat ein Konjunkturprogramm wäre, "aber nicht für Europa, sondern für die AfD". Eine Destabilisierung des Euro mit einem zur Stabilisierung gedachten Instrument sei "vielleicht französische Politik, aber keine deutsche" - so der Nürnberger in offenbarer Anspielung auf Junckers Wirtschaftskommissarswahl Pierre Moscovici: Der Sozialdemokrat war von Mai 2012 bis April 2014 französischer Finanzminister und gilt als berüchtigter Schuldenmacher sowie als einer der Hauptverantwortlichen für die schlechte finanzielle Situation seines Heimatlandes.
Im Bundesfinanzministerium formulierte man die Ablehnung man etwas diplomatischer und sprach von "Gedankenspielen", von denen man nichts halte, weil der "festgelegte Auftrag" des ESM die Euro-Rettung sei und "Änderungen am Vertrag […] von allen ESM-Ländern ratifiziert werden" müssten.
Die Befürworter des Junckerplans glauben dagegen, dass der ESM "absehbar keine weiteren Kredite an klamme Länder vergeben muss", weshalb neun Zehntel seiner Ausgabekapazität "ungenutzt" bleibe. Angesichts der weiterhin sehr wackeligen Haushalts- und Schuldenlage in Ländern wie Griechenland, Portugal, Spanien, Italien und Frankreich ist dies jedoch eine eher riskante als realistische Sichtweise. Und ein Glaube, der die Frage aufwirft, wieso man dann den ESM überhaupt noch braucht.
Juncker selbst wollte sich dazu bislang nicht zum SZ-Bericht äußern. Wird das Vorhaben Wirklichkeit, dann hätte der Luxemburger sein im Juni gemachtes Versprechen, er werde "Wachstum und Arbeitsplätze schaffen, ohne neue Schulden zu machen", durch einen Taschenspielertrick eingelöst, der den Euro erneut in Gefahr bringt und mit dem sich viele Bürger getäuscht vorkommen dürften. Denn um ihren Anteil für die vorgeschriebenen 80 Milliarden Euro Eigenkapital des Fonds aufzubringen, haben fast alle Länder Schulden gemacht.
Ob Juncker das ihm zugeschriebene Vorhaben tatsächlich verwirklichen kann, hängt wahrscheinlich davon ab, wie viel öffentlichen Widerstand es dagegen gibt. Vor fünfzehn Jahren formulierte das der damalige Ministerpräsident wie folgt:
Wir beschließen etwas, stellen das dann in den Raum und warten einige Zeit ab, was passiert. Wenn es dann kein großes Geschrei gibt und keine Aufstände, weil die meisten gar nicht begreifen, was da beschlossen wurde, dann machen wir weiter - Schritt für Schritt, bis es kein Zurück mehr gibt.
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