KI im Film: Revolution oder Untergang der Filmgeschichte?
Kongress "Zukunft deutscher Film": Kann KI die Filmwelt retten oder wird sie sie ruinieren?
Die Beschäftigung und ein konstruktiver Diskurs zum Thema Künstliche Intelligenz (KI) ist dringend. Auch im Bereich des Films. Wie dringend, das hat eigentlich schon Ridley Scotts moderner Klassiker "Blade Runner" (1982, eine Verfilmung von Philip K. Dicks bereits 1968 erschienenem Science Fiction-Klassiker "Do Androids Dream of Electric Sheep?") klargestellt.
Warnung vor einer Pandemie von "Fake People"
Aber auch der gerade am 19. April 2024 verstorbene Philosoph Daniel Dennett machte sich erst letzten Oktober in einem Interview mit TuftsNow Sorgen über das dystopische Potential der KI-Entwicklung. Dennett warnte vor einer kommenden Pandemie von "Fake People".
Sie würde das Vertrauen der Menschen untereinander zerstören, und das auslöschen, was unsere Zivilisation erst möglich gemacht hat. Nicht anders als bei Philipp K. Dick.
Sind "echte" Menschen noch notwendig?
Wie nahe wir diesem Szenario und einer destruktiven Einbahnstraße jedenfalls in der Sphäre der Filmwelt bereits sein könnten, zeigte im letzten Sommer der lange Arbeitskampf der US-Filmindustrie.
Denn wenn KI-Tools in naher Zukunft ganze Drehbücher entwickeln und daraus automatisiert einen Film oder eine Serie generieren können und wenn ein KI-Tool wie Sora erst einmal marktreif sein wird, stellt sich spätestens die Frage, ob "echte" menschliche Autoren und Schauspieler überhaupt noch notwendig sind.
Gemeingefährliche Technik?
Es ist dem Kongress "Zukunft deutscher Film", der nun schon zum vierten Mal im Rahmen des das Frankfurter Lichter Filmfest stattfand, hoch anzurechnen, dass er inzwischen fast schon zu virulente Thema der Künstlichen Intelligenz nun auch bezüglich des Einsatzes in der Filmwelt endlich einmal konkret und differenziert in den Blick nahm.
Eins der Panel des Kongresses, "KI: Hollywood streikt – Europa schweigt", in Frankfurt nahm den beschriebenen dystopischen Aussichten zumindest in Ansätzen ihren Horror-Charakter. Zwar machte der Zukunfts-Denker und Science-Fiction-Spezialist Uri Aviv darauf aufmerksam, dass technische Utopisten sich aus seiner Sicht kaum von religiösen und politischen Fundamentalisten unterscheiden, weil sie allesamt eine eindeutige Idee davon haben, was die Zukunft sein soll und sein wird. Damit seien sie allesamt "gemeingefährlich".
Doch die Geschichten aus der Praxis, die die übrigen Panel-Teilnehmer referierten, ließen zumindest in Ansätzen auch ein wenig aufatmen.
Nur sinnvolles Werkzeug?
Die Drehbuchautorin, Producerin und Gastdozentin an der Filmakademie Ludwigsburg, Nira Bozkurt, sieht gerade im Bereich Drehbuchentwicklung mehr Unzulänglichkeiten als Hilfen. Sie befürchtet vor allem, dass diese Unzulänglichkeiten mehr und mehr in Kauf genommen werden.
Dies betreffe vor allem erst einmal die Filmgeschichte, die mehr noch als jetzt in Vergessenheit zu geraten droht. Das sei aber keinesfalls die Schuld der KI, sondern liege vor allem auch daran, dass die heutige Jugend kaum Interesse an alten Filmen wie etwa jenen der französischen Nouvelle Vague habe.
Deshalb dürfte ihr die neue, historisch entschlackte beziehungsweise neu "zusammengereimte" KI-Film-Ästhetik denn auch kaum ein Dorn im Auge sein – ganz nach dem Prinzip: "Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß."
Bill Anderson, britischer Filmemacher und Vorstandsvorsitzender der Federation of European Screen Directors, konnte dieser Position nur in Ansätzen zustimmen.
Gerade das KI-Feedback auf Texte, die KI-Visualisierungshilfen und die erweiterten Recherche-Möglichkeiten seien erstaunlich, ein Punkt den nicht nur Bozkurt eingangs betonte, sondern auch Kazimierz Suwała, Direktor des Europäischen Filmzentrums Camerimage, ins Zentrum seiner Argumentation stellte und die Macht der KI auf fast allen Ebenen relativierte: Was heute passiere, sei nicht viel anders, als was damals DCP (Digital Cinema Package) gewesen sei, und nur mehr ein weiteres sinnvolles Werkzeug.
Ein Werkzeug, das Bozkurt vor allem dort zum vermehrt zum Einsatz kommen sieht, wo die Ressourcen fehlen, etwa in Ländern mit kleinen Budgets, wo nun ein Animationsfilm in zwei Monaten statt in sieben Jahren realisiert werden könne.
Die Jugend als unwissenden Fackelträger einer neuen Technologie?
Bozkurt betont allerdings, dass es nur eine Frage der Zeit sei und mit der Weiterentwicklung von SORA auch Spielfilme befriedigend generiert werden könnten. Anderson mag diesen Sprung nicht nachvollziehen.
Denn was für eine Animation funktionieren mag, funktioniere keinesfalls für einen normalen Spielfilm. Im Gegensatz zu Nira Bozkurt sieht Anderson darum auch nicht die Jugend als unwissenden Fackelträger einer neuen Technologie.
Weil es vielmehr immer auch darum gehe, für jede Zeit neue Geschichten zu erzählen, reiche es nicht, einen Autorenfilmer wie den Russen Andrei Tarkowski und sein Werk einfach immer neu im Computer zu generieren. Jede Zeit brauche ihren neuen, originären Tarkowski.
Denn Film bedeute, so Anderson, ja nichts anderes, als die Hoffnung auf Geschichten, die uns, also den Zuschauer verstehen.
Und ebendiese Hoffnung auf Verstehen können zumindest heutige KIs nicht einmal in Ansätzen "verstehen" und wirken deshalb auch alle bislang produzierten filmischen KI-Generika auffallend "blutleer" und "unempathisch".
Ernüchterung
Dieses höchst ambivalente "Bauchgefühl" von möglichen Ansätzen und praktikablen Unmöglichkeiten, die das Panel transparent über eigene Erfahrungen vermittelte, deckt sich dann auch mit der gerade einsetzenden Ernüchterung in der KI-Forschung und dem allgegenwärtigen Grundproblem, dass KI-Modelle das Material schneller verschlingen, als Menschen neue Inhalte erzeugen können.
Eine "Gier", die selbst Optimisten wie Open AI-Mitgründer Sam Altman erst kürzlich zu dem Geständnis zwang, dass erst ein "technologischer Durchbruch" bei der Stromerzeugung nötig sei, um den Energiebedarf künftiger, "allumfassender" KI zu decken.
Microsoft denkt bereits konkret über eigene, neue Atomkraftwerke nach und Altman über die Fusionsenergie und die vage Hoffnung, dass am Ende die KI selbst dabei hilft, die eigenen Ressourcenprobleme zu lösen.
Zeit genug also für weitere Diskurse und Panels und der Kernfrage, die ja schon Philip K. Dick gestellt hat: Wird am Ende der Mensch oder dann doch die KI menschlicher als der Mensch sein?