Kabinettsreform in Griechenland: Rechtsruck
Ein homosexueller Staatssekretär als Signal nach links, abgebogen wird dennoch strikt nach rechts
Der griechische Premierminister Kyriakos Mitsotakis bildete am Montag sein Kabinett um. Seitens der regierungsnahen Medien wird hervorgehoben, dass das neue Kabinett mit seinen 59 Mitgliedern mit Nikos Giatromanolakis zum ersten Mal einen geouteten Homosexuellen im Kabinett hat. Giatromanolakis Berufung zum parlamentarischen Staatssekretär für moderne Kultur wurde in den Hauptnachrichten des staatlichen Senders ERT am Montag als "Öffnung der Regierung zum linken Zentrum" gewertet.
Der allgemeine Tenor der Kommentatoren in Athen und in der internationalen Presse ist, dass Mitsotakis mit seiner Kabinettsreform offenbar vorgezogene Neuwahlen für 2021 und das Ende der Pandemie im Blick hat.
Aushängeschild für die Liberalität der Regierung
In Griechenland zählen die parlamentarischen Staatssekretäre zum Kabinett. Mitsotakis entfernte insgesamt acht Personen und holte zwölf neue ins Regierungsteam. Von dem von ihm im Wahlkampf 2019 versprochenen "schlanken, effektivem Team" ist er nun noch weiter entfernt. Zum Vergleich: In der Bundesregierung zählen sechzehn Personen zum Bundeskabinett.
Griechenland hat achtzehn Ministerien. Viele davon haben Vizeminister, die direkt dem Premier unterstellt sind. So kommt das Land auf eine Zahl von 24 Ministern und Vizeministern. Dazu kommt Vizepremier Panagiotis Pikrammenos. Das Land leistet sich einen parlamentarischen Staatssekretär im Ministerium für Digitale Regierung, dessen Aufgabe die "Vereinfachung der Vorgänge" ist.
Das neue Aushängeschild für die Liberalität der Regierung, Nikos Giatromanolakis, schuf seinen Posten buchstäblich mit eigener Arbeit. Giatromanolakis gehörte 2014 zu den Gründern der liberalen Partei "To Potami". Er war für den Europawahlkampf 2014 verantwortlich und verließ die Partei, für die er 2015 für die Parlamentswahlen kandidierte, bereits 2016. Im August 2019 erhielt er den neu geschaffenen Posten des Generalsekretärs für moderne Kultur im Kulturministerium. Mit der Kabinettsreform wurde er persönlich aufgewertet. Ihn allein auf seine sexuelle Ausrichtung zu reduzieren, tut ihm Unrecht.
Giatromanolakis ist ein perfekt ausgebildeter Politikwissenschaftler. Er ist nicht der erste homosexuelle Minister in Griechenland, allerdings der erste, der offen dazu steht. Es hat, wie aus seiner Biografie hervorgeht, in seinem bisherigen Berufsleben bereits mehrfach Nachteile wegen seiner Homosexualität erdulden müssen.
Rechte politische Ausrichtung gestärkt
Giatromanolakis Berufung kann nicht überdecken, dass bei der jüngsten Kabinettsumbildung vor allem die rechte politische Ausrichtung der Nea Dimokratia gestärkt wurde. Die beiden Minister Georgiadis und Voridis, die beide aus der rechtspopulistischen Partei Laos zur Nea Dimokratia stießen, sind bereits seit Beginn Mitglieder des Kabinetts von Mitsotakis.
Der für die Wirtschaft zuständige Adonis Georgiadis ist zudem Vizevorsitzender der Regierungspartei. Beide, Georgiadis und Makis Voridis, haben eine rechtsextreme Vergangenheit. Bei Voridis, der seine politische Karriere bereits in jungen Jahren als Anhänger der gestürzten Militärjunta begann, kommen Vorwürfe des Antisemitismus hinzu.
Anders als Georgiadis, der in der Öffentlichkeit bedauerte, antisemitische Hetzliteratur persönlich beworben zu haben, leugnet Voridis die Vorwürfe, er wäre in der Vergangenheit Antisemit gewesen; er geht aber nicht im Detail auf die Vorwürfe ein. Voridis war bislang für die Agrarpolitik zuständig. Nun soll er als Innenminister offenbar das umsetzen, was er vor den Wahlen als Ziel angegeben hatte: "die Grundlagen zu schaffen, damit die linke Ideologie keinen Fuß mehr auf die Erde bekommt". Kommt es zu Neuwahlen, ist Voridis für die Durchführung verantwortlich.
Voridis ersetzt Takis Theodorikakos, einen Politiker der seit 2015 als Strategieberater für Mitsotakis Aufstieg zum Parteichef verantwortlich ist. Theodorikakos koordinierte den Wahlkampf der Nea Dimokratia für die Europa- und Parlamentswahlen 2019. Er diente lange als Beispiel für die Öffnung Mitsotakis zur politischen Mitte. Theodorikakos begann in der kommunistischen Jugend, wechselte 1991 zur Syriza-Vorgängerpartei Synaspismos und 1993 zur sozialdemokratischen Pasok. Seine überraschende Abberufung aus dem Kabinett erfolgte, bevor er ein bereits vorbereitetes Gesetzespaket ins Parlament bringen konnte.
Die ultrarechte Flanke
Auch im Ministerium für Digitale Regierung stärkt Mitsotakis die ultrarechte Flanke seiner Partei. Er berief Georgios Stylos zum parlamentarischen Staatssekretär mit der Verantwortung für digitale Werke und das Katasteramt. Stylos hatte 2014 unter Premier Antonis Samaras nach nur zwei Monaten seinen Posten als parlamentarischer Staatssekretär im Bildungsministerium räumen müssen, weil er während einer Antwort auf eine parlamentarische Anfrage im Parlament lautstark demonstrierte, wie nahe ihm die Ideen der neonazistischen Goldenen Morgenröte sind.
Parlamentarischer Staatssekretär im Marineministerium wurde ein weiterer, für extreme Taten bereits kurzfristig aus der Partei ausgeschlossener Politiker, Kostas Katsafados. Katsafados hatte vor rund 17 Jahren, damals als Funktionär der Studentenorganisation der Nea Dimokratia, eine Sitzung des Rektorats der Universität Piräus gestürmt und den damaligen Rektor Vasilis Benos krankenhausreif geschlagen.
Integration mit Integrationsgegnern?
Parlamentarische Staatssekretärin im Ministerium für Integration ist nun die frühere Regierungssprecherin von Antonis Samaras, die Herausgeberin und Journalistin Sofia Voultepsi. Ihr Vater, Ioannis Voultepsis, war von 1984 bis 1993 Pressesprecher des Vaters des aktuellen Premiers, Konstantinos Mitsotakis. Sofia Voultepsi war während der Regierungszeit von Mitsotakis Senior von 1990 bis 1993 unter ihrem Vater in dessen Pressebüro beschäftigt. Später war sie von 2000 bis 2002 Mitglied in der obersten Aufsichtsbehörde für den Rundfunk, dem ESR. Die vierundsechzigjährige, studierte Juristin ist nun für die Integration von Einwanderern verantwortlich.
Angesichts ihrer mehrfach demonstrierten Einstellung gegenüber allen, die nicht ihrem Weltbild vom Bürger Griechenlands entsprechen, erscheint sie die denkbar schlechteste Wahl für diesen Posten zu sein. Sie bemerkte im Oktober 2014, als während der Regierung Samaras die damals oppositionellen Politiker von Syriza sich solidarisch mit Roma zeigten, die umgesiedelt werden sollten: "neben den Roma leben Menschen". Die meisten der in Griechenland lebenden Roma sind griechische Staatsbürger, ein Detail, das Voultepsi gern vergisst.
Voultepsi befürwortet die Inhaftierung derer, die nach Griechenland kommen, um Asyl zu beantragen. Sie nennt das Gesetz zur Erlangung der Staatsbürgerschaft von Einwanderern der zweiten Generation eine "Einladung". Flüchtlinge sind für sie "unbewaffnete Invasoren, eine Waffe in den Händen der Türken".
2013 beschuldigte sie im griechischen staatlichen Fernsehen die BBC, dass der britische Sender von Waffenhändlern abhängig sei. Sie war mit der Berichterstattung der BBC über Griechenland nicht einverstanden. In der gleichen Sendung verbreitete sie eine bekannte antisemitische Verschwörungstheorie und philosophierte darüber, dass "Rothschild die internationale Presse kontrolliert".
Nichts von alledem ist Mitsotakis unbekannt. Er wählte die Besetzungen für die Regierungsposten im Bewusstsein, dass er damit Wähler aus der rechten Ecke erreichen kann.