Kachelmann als Gerichtsreporter im Fall Schwarzer?

Alice Schwarzer muss laut Medienberichten befürchten, dass ihre Selbstanzeige wegen Steuerhinterziehung durch neue Erkenntnisse ungültig wird

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Prominente als Gerichtsberichterstatter einzusetzen, die nicht sachkundig sind, aber zur Sache eine vorgefasste Meinung haben, die sie in der Öffentlichkeit zur schrillen Marke machen, ist für die auftraggebende Zeitung ein Geschäft mit wenig Risiko. Für den prominenten Gastschreiber sieht das anders aus. Das Aufsehen war groß, als im Herbst 2010 bekannt wurde, dass die Feministin Alice Schwarzer für die Bild-Zeitung berichten werde (Bild setzt Alice Schwarzer auf Kachelmann an), ausgerechnet für eine Zeitung, deren Nacktbilder und Suggestiv-Überschriften Frauen auf eine Weise präsentieren, die Feministinnen jahrelang auf die Palme brachten.

Die Anwälte des ehemaligen Wettermoderators, dessen TV-Karriere mit der Anklage vorbei war, stritten sich noch Monate nach dem Urteil über die Art und Weise, wie Alice Schwarzer Kachelmann in ihren Berichten darstellte. Beim Nachspiel erwirkten sie eine einstweilige Verfügung gegen die prominente Gerichtsreporterin, weil sie öffentlich weiter ihr eigenes Urteil propagierte, das dem Freispuch Kachelmanns widersprach.

Auf die Betonung der Unschuldsvermutung zugunsten Kachelmanns legte Schwarzer auch während des Prozesses keinen Wert, ihre Perspektive und ihr eigenes Rechtsempfinden war ihr wichtiger, wie Bestandsaufnahmen ihrer Tätigkeit als Gerichtsreporterin anhand ihrer veröffentlichten Äußerungen darlegen. Mitgefühl hatte sie nur für die Frau, welche die Vorwürfe gegen Kachelmann erhob. Ihre Parteinahme war problematisch, befand die SZ.

Die Augsburger Allgemeine berichtete vor dem letzten Prozesstag, dass die "Frauenrechtlerin Alice Schwarzer also heute über den "Stern" mitteilen (läßt), dass sie Jörg Kachelmann für schuldig hält".

Anfang dieses Jahres pochte Alice Schwarzer auf die Unschuldsvermutung in einer eigenen Sache. Ihr wurde ein "Steuergeheimnis" zur Last gelegt, was ziemlich schnell an die Öffentlichkeit kam. Schwarzer bedauerte den "Fehler" von "ganzem Herzen". Sie gestand, dass sie in der Schweiz ein Konto hatte, das sie dem Finanzamt verschwiegen und erst später angezeigt habe. Aber: "Inzwischen ist alles legal", schrieb sie in ihrem Blog und warf der Berichterstattung über die Sache Denunzierung vor:

Rufschädigung? Klar. Zu viele haben in meinem Fall ein Interesse daran. Ein politisches Interesse. Und ich frage mich, ob es ein Zufall ist, dass manche bei ihrer Berichterstattung über mich gerade jetzt auf Recht und Gesetz pfeifen?

Nun muss sie nach Informationen von Spiegel und Focus befürchten, dass ihre Selbstanzeige möglicherweise von der Kölner Staatsanwaltschaft als "unvollständig" angesehen wird. Nach Berichten der beiden Magazine hat die Steuerfahndung ihre Wohnung durchsucht. Im Raum steht der Vorwurf, dass sie "möglicherweise mehr Steuern hinterzogen als sie bislang zugegeben hat".

Die Nachricht kursiert nun in den Medien; der Anwalt von Alice Schwarzer hat Anzeige gegen Unbekannt erstattet, wie die FAZ berichtet, weil "Informationen aus Behörden widerrechtlich herausgedrungen" seien.

Nach dem Freispruch für Kachelmann schrieb Schwarzer, der Rechtsstaat habe "Schaden genommen", wird sie in einem Bericht von Meedia zitiert; der frühere Wettermann sieht dies anders. Wie dem Meedia-Bericht zu entnehmen ist, würde er nun im Fall Schwarzer auch gerne seine Perspektive einbringen. Via Twitter habe sich Kachelmann als Gerichtsreporter angeboten:

Ich habe 2010 gelernt, dass sich jeder Idiot Gerichtsberichterstatter nennen darf. Also auch ich. Für wen darf ich zum #Schwarzer-Prozess?