Kältere Winter trotz Klimawandel?
Komplexe Fernbeziehungen im Klimasystem
Wir alle wissen: Unser Wetter ist eine Folge komplexer Zusammenhänge. Die Mehrheit von uns erkennt an: Wir leben in einer Zeit des Klimawandels - einer Ära der globalen Erwärmung, die wir Menschen durch die Art unserer Industrialisierung und Lebensweise zu verantworten haben.
Fast ein jeder geht deshalb davon aus, dass aufgrund des Treibhaus-Effekts auch die Winter in Deutschland immer milder werden. Im Trend ist das auch so. Seit dem Jahr 1761 verfügen wir über amtlich aufgezeichnete Temperaturen, die diese Tendenz bestätigen. Im Laufe der letzten hundert Jahre wiesen auch im Winter die Thermometer durchschnittlich rund ein Grad mehr aus.
Überraschend jedoch ist: Das muss nicht so bleiben - trotz weiterhin voranschreitender globaler Erwärmung! Sie kann sogar der Grund für eine besonders kalte Witterung sein. In ihrem wachsenden Verständnis über die Details unserer Wetter-Entstehung, erkennen manche Wissenschaftler handfeste Hinweise, die durchaus für kältere Winter sprechen. Das davon betroffene Ausdehnungsgebiet beginnt in Sibirien, und endet bei uns.
Vladimir Petoukhov vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung beobachtet diese Zusammenhänge bereits seit dem Jahr 2010 und hat in einer Studie aufgezeigt, dass sich große Luftströme verändern. Der hierfür auslösende Faktor findet sich in der abnehmenden Meereis-Bedeckung rund um die Barents-Kara-See, nördlich von Norwegen und Russland.
Je freier die Meeresoberfläche - als Folge der Erwärmung unserer Atmosphäre durch Treibhausgase - von Eis ist, umso mehr Wärme gibt sie an die kalte Umgebung ab. Die Erwärmung der Luft scheint, insbesondere im Zusammenhang mit einem Hochdruckgebiet in dieser Region, kalte Winterwinde nach Europa zu navigieren.
"Wer denkt, das Schrumpfen der Eisfläche auf einem weit entfernten Meer müsse ihn nicht kümmern, der liegt falsch", sagt Petoukhov. "Im Klimasystem gibt es komplexe Fernbeziehungen, und in der Region Barents-See könnten wir eine mächtige Rückkopplung entdeckt haben, die die Wahrscheinlichkeit des Auftretens extrem kalter Winter in Europa und Nordasien verdreifachen könnte."
Dazu dürfte es oft reichlich Schnee geben. Die Wissenschaftler nennen dies "Lake- Effekt", weil kalte Luft über relative warme, offene Wasserflächen streicht und dabei Feuchtigkeit aufnimmt. Kaltlufteinbrüche aus Nordosten, die über die immer öfter eisfreie Ostsee strömen, scheinen sich bestens dafür zu eignen.
Harte Winter müssen ergo unserem Bild von globaler Erwärmung nicht widersprechen, sondern könnten es eher vervollständigen.