Kalifornisches Gesetz gegen Outsourcing ins Ausland
Neuer Protektionismus zur Erhaltung des Wohlstands in Zeiten der Globalisierung
In Kalifornien sollen öffentliche Aufträge nur mehr an Unternehmen vergeben werden, die sich verpflichten, ausschließlich auf Personal innerhalb der USA zurückzugreifen. Eine entsprechende Vorlage hat der kalifornische Senat gebilligt, das Unterhaus muss nur noch einigen vom Senat gewünschten Änderungen zustimmen. Dann liegt es an Gouverneur Arnold Schwarzenegger, zu unterschreiben oder ein Veto einzulegen.
Outsourcing ist spätestens seit dem Ende der Subsistenzwirtschaft kein neuartiges Phänomen mehr. Das so genannte Offshoring, bei dem bestimmte Arbeiten in Länder mit niedrigerem Lohnniveau ausgelagert werden, war im Industriezeitalter alltäglich - solange einfache, schlecht bezahlte Tätigkeiten betroffen waren. Jetzt, wo immer mehr Aufgaben mit höheren Qualifikationsansprüchen wie spezialisierte Callcenterdienstleistungen oder Softwareprogrammierung in Schwellenländern erledigt werden, regt sich neuer Widerstand. Bestimmte Gesellschaftsschichten fühlen sich erstmals durch Offshoring bedroht und rufen nach Verboten.
Sie zeigen mit dem Finger auf jene Wirtschaftspraktiken, von denen sie so lange durch niedrige Preise unterschiedlichste Waren und Dienstleistungen profitiert haben. Das Fahrrad taiwanesischer Manufaktur ist dank fehlender Kostenwahrheit beim Warentransport billiger als das "Hand made in USA"-Fahrzeug, der mexikanische Erntehelfer insbesondere dann wohlfeil, wenn er keine Aufenthaltsberechtigung hat. Nicht zuletzt hat der Staat Kalifornien selbst die Betreuung der bedürftigen Empfänger von Essensmarken outgesourcet - Stichwort "schlanker Staat". Der für die Steuerkasse günstigste Auftragnehmer betreibt jetzt für über 400 Millionen Dollar ein Callcenter - in Indien.
Jobless Growth?
Neue Dämme in Form von Gesetzen sollen nun das Wohlstandsgefälle schützen. Die Kreativität von Gesetzgebern und öffentlichen Verwaltungen in aller Welt, vor diese Aufgabe gestellt, immer wieder erstaunliche Höhen. Fast schon farblos ist da der im kalifornischen Unterhaus von der Demokratin Carol Liu eingebrachte Gesetzesvorschlag AB 1829. Der Staat Kalifornien soll keine Aufträge an Unternehmen mehr erteilen, die sich und seine Subunternehmer nicht dazu verpflichten, die erteilten Aufträge ausschließlich durch Personal innerhalb der USA auszuführen.
In dieser Wirtschaft ist das Offshoring von Jobs, die auch von US-Arbeitnehmern ausgeführt werden könnten, nicht akzeptabel. Der Staat Kalifornien sollte ein Beispiel abgeben und helfen, Jobs zu schaffen und die Wirtschaft zu unterstützen
Carol Liu
Selbstredend sind nur US-amerikanische Arbeitsplätze und die US-amerikanische Wirtschaft gemeint. Unternehmensvertreter sehen das anders und protestieren. In Furcht um Gewinnspannen wird gewarnt, dass sich weniger Unternehmen an öffentlichen Ausschreibungen beteiligen würden und die Kosten für die öffentliche Hand steigen würden. Die Demokraten kontern, indem sie Umwegrentabilitäten versprechen.
Mit großen Zahlen werden die das "Jobless Growth" erlebenden Bürger beeindruckt, das Gesetz ist anscheinend populär. Laut einer Studie der Universität von Berkeley seien 13 Millionen Arbeitsplätze im Dienstleistungssektor der USA von Offshoring bedroht. Diverse Statistiken belegten, dass bereits über 400.000 Jobs ins Ausland verlagert worden seien. Vielleicht war das Wachstum ja doch nicht so ganz jobless?
In über 30 anderen US-Staaten sind bereits ähnliche Gesetzesvorlagen eingebracht worden, einige beschränkten sich auf ein Verbot der Auslagerung der Bearbeitung von Gesundheits- und Finanzdaten ins Ausland, wofür der Datenschutz argumentativ bemüht wird. In Maryland und Massachusetts hat sich auch schon eine Parlamentsmehrheit gefunden, doch der jeweilige Gouverneur legte vorerst sein Veto ein. Der gebürtige Steirer Arnold Schwarzenegger dürfte der dritte Governor sein, der ein solches Gesetz auf seinem Schreibtisch liegen haben wird. Bislang hat er sich in der Sache bedeckt gehalten. Wird er den Wirtschaftslobbys horchen und sein enormes Budgetdefizit bedenken, oder dem populistischen Gesetz seinen Sanctus erteilen?
Wenn du nicht mehr weiter weißt, gründe einen Arbeitskreis!
Schon klar, Schwarzenegger hat weder das Budget- noch das Offshoringproblem verursacht. Aber lösen wird er es durch ein Veto genauso wenig, wie es das Gesetz der Demokratin Carol Liu tun würde. Vorerst hat Schwarzenegger einmal die Einberufung eines "Rates zur wirtschaftlichen Erholung" angekündigt. Die Mitglieder stehen noch nicht fest, aber George P. Shultz und Warren Buffett werden gemeinsam den Vorsitz führen. Prominente Namen, indeed. Shultz war unter dem republikanischen Präsidenten Nixon zunächst Arbeitsminister (1969 bis Juni 1970), dann Leiter des haushaltspolitischen Büros im weißen Haus. Von 12. Juni 1972 bis 8. Mai 1974 war er Vorsitzender des Wirtschaftsrates und Finanzminister - der sich weigerte, Nixons Gegner ungeplante Steuerprüfungen unterziehen zu lassen. Fünf Wochen vor dem Rücktritt von Shultz hatte sich Nixon zur Zahlung einer wegen unzulässiger Abschreibungen entstandenen Steuerschuld von über 400.000 US-Dollar bereit erklären müssen; der Präsident überlebte seinen Finanzminister politisch nur um drei Monate.
Doch Shultz sollte tatsächlich zurückkehren. Die in der Politik üblichen sieben Bußjahre später wurde Shultz Vorsitzender jenes Gremiums, das einen ehemaligen Schauspieler in Wirtschaftsfragen beriet: Ronald Reagan. Von Juli 1982 bis Januar 1989 war Shultz schließlich der 60. Außenminister der Vereinigten Staaten. Und Warren Buffet wird von Salon schlicht als "greatest stock market investor of modern times" umschrieben. Forbes listet ihn mit einem Nettovermögen von 42.9 Milliarden Dollar als zweitreichsten Mann der Welt.
Man muss kein erleuchteter Prophet sein, um zu erraten, was diese prominenten Freunde des republikanischen Gouverneurs über die Gesetzesvorlage der demokratischen Abgeordneten denken. Aber Schwarzenegger will populäre Entscheidungen treffen. Die Senkung der Automobilsteuern ist schon lange her und mit den Parlamentsabgeordneten, die sein Veto natürlich zu überstimmen versuchen würden, hat er schon mehr Sträuße ausgefochten als notwendig. In Sacramento laufen jedenfalls bereits die Wetten, wie sich Schwarzenegger entscheiden wird.
Auf einen langfristigen Lösungsansatz setzt allerdings niemand. Den hat der "Governator" nur im Wahlkampf gepredigt. Gleich sein erstes Budget brachte drastische Kürzungen im Bildungs- und Gesundheitsbereich: Schulen wurden geschlossen, Sportprogramme für Kinder abgeschafft, Schulbibliotheken geschlossen, Lehrkräfte gekündigt, Studiengebühren stark erhöht, die Finanzierung der Schulbildung überhaupt unter das verfassungsmäßig garantierte Niveau geschraubt. Die Lehrergewerkschaft hat sich mit der Vertröstung auf bessere Zeiten abspeisen lassen. Aber selbst das vier Jahrzehnte gehaltene Versprechen, wonach jeder Schüler mit entsprechenden Zensuren einen Platz an einer Universität bekommt, ist Schwarzenegger (Wahlslogan: "Work to expand the dream of College") nicht heilig. So wird das College und somit die größere Chance auf einen Offshoring-sicheren Job für immer mehr Kalifornier zum unerreichbaren Traum.