Kalter Krieg mit China: Worin sich die USA täuschen

Seite 2: Taiwan: Verschärfte Warnungen und lebenswichtige Realpolitik

Wenn man bedeckt, dass 60 Prozent der weltweiten Halbleiter – und rund 93 Prozent der modernsten, in Taiwan produziert werden, ist nicht verwunderlich, dass die Insel seit jeher für Spannungen zischen den Supermächten sorgt.

Doch ist das Halbleiter-Monopol Taiwans auch der Grund, warum ein Krieg um die Insel oder auch nur eine Seeblockade weitreichende Konsequenzen für die Weltwirtschaft hätte.

So erklärte Miin Wu, der Gründer und Geschäftsführer des taiwanesischen Chip-Herstellers Macronix gegenüber NBC News am vergangenen Montag: "Sollte die Branche durch einen militärischen Konflikt unterbrochen werden, wären die Auswirkungen auf die Weltwirtschaft 'enorm'."

Nach Meinung des CEO würden die Weltwirtschaft und der globale technische Fortschritt mindestens zwanzig Jahre zurückgeworfen. Eine neutrale Position des Inselstaates in dem schwelenden Ost/West Konflikt ist also nicht nur im Interesse der Einwohnerschaft, sondern schlicht lebenswichtige Realpolitik.

Die Befürchtung, die USA würden aus Angst, China könne in Bezug auf die Halbleiterherstellung aufholen, lieber früher als später einen Krieg vom Zaun brechen, scheint leider nicht ganz unbegründet. Das Echo der deutsch-russischen Beziehungen vor dem Ersten Weltkrieg drängt sich als Vergleich zu einem solchen Szenario geradezu auf – ein solcher Ausgang wäre heute so katastrophal wie damals.

Feststeht, dass große Teile des US-Außenpolitik-Establishments weiterhin glauben, die chinesischen Soft-Power-Vorstöße im Indopazifik mit militärischer Macht beenden zu können. Sie verkennt die politische Realität in der Region. Denn genau wie Taiwan haben die meisten Staaten in der Region ein Interesse an guten Verhältnissen mit beiden Staaten, – und sind bisher eher unzufrieden mit dem Gebaren beider Supermächte.

In einer bipolaren Machtordnung ist es eben keiner Supermacht vergönnt, jeder Nation nach Belieben den eigenen Willen aufzwingen zu können. Auch sind die Fronten im Kampf um die Vorherrschaft längst nicht so verhärtet, wie sie in der Rethorik der beiden dominanten Staaten oft anklingen mag.

Dies zeigte sich vergangenen Dienstag, als der Premierminister Neuseelands, Minister Chris Hipkins, Xi Jinping einen Besuch in Beijing abstattete. Das Treffen war zwar von allgemeinen Plattitüden begleitet, hat aber auch noch eine ganz andere Bedeutung.

Denn das Land ist Teil der Five Eyes, einer Geheimdienstallianz aus Kanada, Neuseeland, dem Vereinigten Königreich und den Vereinigten Staaten, die China sonst eher feindlich gegenübersteht.

Ob es bei der Annäherung bleibt oder Neuseeland von den anderen Bündnismitgliedern zu Raison gerufen wird, bleibt abzuwarten. Unübersehbar ist, dass es Neuseeland ähnlich wie allen kleineren und mittleren Mächten im Indopazifik geht. Aus wirtschaftlicher Sicht lässt sich China nicht ignorieren – genauso wenig wie die militärische Überlegenheit der USA.

Dieses ungleiche Verhältnis von Soft- und Hard-Power lässt einen bewaffneten Konflikt der Supermächte in der Region möglich erscheinen – unvermeidlich ist er damit aber noch lange nicht.