Kameraüberwachung ohne Grenzen? Bayerns neues Polizeigesetz
Neue Kompetenzen für die Polizei: VeRA-Software von Palantir vereint Datenquellen, Ermittler sollen Zugriff auf alle Überwachungskameras im Freistaat erhalten.
Heute kommt das Polizeiaufgabengesetz (PAG) neu vor den bayerischen Landtag. Abgestimmt werden soll über zwei Änderungen. Sie weiten die Überwachungskompetenzen der Polizei erheblich aus. Dass ihnen eine mehrheitliche Zustimmung der Abgeordneten sicher ist, daran gibt es wenig Zweifel, obwohl Datenschützer Bedenken äußern, die hellhörig machen.
Für den bayerischen Innenminister Joachim Hermann ist der Einsatz von VeRA eine Voraussetzung für schnellere Ermittlungen "in schwierigen Fällen". Daten werden besser vernetzt, der Abgleich von verschiedenen Polizeidatenbanken beschleunigt. Dass sich darunter auch Daten von Personen befinden, die sich keines Vergehens schuldig gemacht haben, ist für den bayerischen Innenminister anscheinend kein Problem.
Daten von 30 Millionen
Für den Datenschützer Thomas Petri schon. So spricht der bayerische Landesbeauftragte für den Datenschutz davon, dass mit dem Einsatz der Software VeRa (Verfahrensübergreifende Recherche- und Analyseplattform) vom US-Entwickler Palantir, etwa 30 Millionen Personen betroffen seien, "egal, ob sie sich etwas haben zuschulden kommen lassen oder nicht".
Zwar soll der Abgleich unterschiedlicher Polizeidatenbanken nur innerhalb eines Polizeieinsatzes erlaubt sein und ohne Verbindung zum Internet, um eine mögliche, unerwünschte Datenentnahme zu verhindern.
Diese Einschränkungen sind nach Ansicht von Petri jedoch nicht ausreichend. Als Problem stellt er in einem Beitrag des BR-Radiomagazins "Welt am Morgen" heraus, dass sich der tägliche Datenabgleich eben nicht nur auf Verdächtige beziehe, sondern auch Zeugen oder Unbeteiligte treffen könne.
Die Zahl "30 Millionen" kursiert in Zusammenhang mit gespeicherten Daten der Polizei, worüber heise.de heute bereits berichtete. Dort heißt es, dass diese Daten in völlig unterschiedlichen Systemen und Formaten gespeichert seien.
Ein gemeinsames Format
Der Vorzug von VeRA ist nun, dass man auf die Daten aus "allen Töpfen" der bayerischen Polizei zugreifen kann und sie in ein gemeinsames Format übersetzen.
So können Ermittler Verbindungen erkennen und Informationen zur selben Person aus den verschiedenen Quellen zusammenführen. Angezeigt werden die Daten wahlweise in Netzwerken, auf Karten, in zeitlicher Abfolge oder als reine Texttabellen. (…)
Das Programm hat nur Zugriff auf Daten, die die bayerische Polizei ohnehin schon gesammelt hat. Das sind laut bayerischem Innenministerium sehr viele. Allein im Integrierten Vorgangsbearbeitungssystem IGVP waren demnach Ende August 2022 etwa 38,7 Millionen Vorgangspersonen erfasst. Etwa 60 Prozent von ihnen waren Zeugen, Opfer oder Auskunftspersonen - also keine Verdächtigen.
tz
Fürs Protokoll: Auch die AfD unterstützt die Ausweitung der schnelleren und umfangreichen Vernetzung von Datenbanken durch VeRA.
Wird die Kollision der VeRA-Software von Palantir mit Vorgaben des Datenschutzes schon länger diskutiert (siehe etwa: Polizei Bayern will Palantir den Weg ebnen oder Bayerische Polizei testet Datamining mit echten Personendaten), wodurch sich eine kritische Haltung in der Öffentlichkeit gebildet haben könnte, so steht die andere Änderung des Polizeiaufgabengesetz (PAG) eher im Schatten der öffentlichen Aufmerksamkeit.
Zugriff auf sämtliche Überwachungskameras
Mit dieser Änderung könnte Ermittlern der Zugriff auf sämtliche Überwachungskameras im Freistaat erlaubt werden, berichtet der BR.
Wie heute in der Sendung "Welt am Morgen" des Bayerischen Rundfunks erklärt wurde – mit Bezug auf den Informatiker und Grünen-Abgeordneten Benjamin Adjei –, erlaube die neue Fassung des bayerischen Polizeiaufgabengesetzes den Zugriff der Polizei auf sämtliche Überwachungskameras, also nicht nur auf öffentliche Kameras, sondern auch auf private.
Heute brauche man einen Richtervorbehalt. Der falle aber künftig weg, so Adjei zum BR.