Kampagne gegen Hass-Propaganda
Die vom Familienministerium geförderte Kampagne laviert zwischen Aufklärung und Manipulation
Die kürzlich gestartete Kampagne "Die Erben der Rose. Stoppt Hass-Propaganda! Erst prüfen, dann teilen" hat sich zum Ziel gesetzt, "jugendliche Internet-Nutzer, aber auch Eltern, Lehrer und andere Multiplikatoren" im Umgang mit propagandistischen Inhalten in sozialen Netzwerken zu sensibilisieren. Die "im Internet kursierenden Filme und Inhalte" seien "professionell gemacht und nicht sofort als Propaganda zu erkennen".
Auf der Kampagnenwebseite soll anhand von Beispielen aufgezeigt werden, wie Hass-Propaganda funktioniert und wie sie sofort erkannt werden kann. Ein notwendiges Anliegen. Doch gerade die Auswahl der Beispiele lässt an der Umsetzung des Vorhabens zweifeln. Es besteht die Gefahr, dass die Kampagne seitens einer involvierten Partei im Kampf um Deutungshoheit vereinnahmt wird. Damit würde die Kampagne nicht nur an Integrität verlieren, sondern sie würde selbst zu einem Instrument der manipulativen Meinungsbeeinflussung werden.
Der sogenannten Hasspropaganda will der Verein "Neues Potsdamer Toleranzedikt", mit seiner vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend im Rahmen des Bundesprogramms "TOLERANZ FÖRDERN - KOMPETENZ STÄRKEN" finanzierten Initiative, entgegentreten.
Propaganda ist eine Kampfansage an Aufklärung, Demokratie und Menschenrechte. Propaganda in den sozialen Netzwerken erreicht und manipuliert immer mehr Menschen, sie schürt und verbreitet Hass, Lügen und Vorurteile mit rasanter Geschwindigkeit. Solche Hass-Propaganda ist pures Gift für das friedliche Zusammenleben aller Menschen und den Zusammenhalt unserer Gesellschaft. Dagegen müssen wir uns wehren. Deshalb unterstütze ich diese Kampagne.
Mit diesen Worten wird Hannelore Kraft auf der Webseite zitiert. Wahre Worte. Bleiben nur die Fragen, was wird überhaupt seitens der Kampagnenmacher als Propaganda wahrgenommen? Und wie soll sich dagegen gewehrt werden?
Hervorzuheben ist, dass die Kampagne nicht auf Verbote oder Zensur abzielt, sondern "die Nutzer von sozialen Netzwerken [sollen] ein geschärftes Bewusstsein im Umgang mit manipulativen Inhalten entwickeln". Die Förderung von Medienkompetenz und ein kritischer Umgang mit "Informationen" sind demnach die Ziele. In Anbetracht der Debatten der letzten Monate über die Qualität des Journalismus und einer vorgeworfenen manipulativen Berichterstattung eine lohnende Aufgabe.
Was ist überhaupt Hass-Propaganda?
Laut der Kampagnenwebseite ist Propaganda, "der Versuch, durch manipulative Methoden die Öffentlichkeit zu beeinflussen". Und Hass-Propaganda wird als "eine Verstärkung" verstanden: "Sie zielt darauf ab, gegen Menschen anderer Kultur, Religion, Herkunft, sexueller Orientierung, gegen andere Länder oder gegen eine andere Volksgruppe Gefühle der Wut, des Zorns und des Hasses zu erzeugen."
Erkennt manch einer hier schon Methoden des Boulevardjournalismus, Schüren von starken Emotionen, gern auch gegen Minderheiten, wird es im Weiteren noch komplizierter. Denn die Ziele von Hass-Propaganda seien "Aufmerksamkeit gewinnen", "Interesse wecken", "Begehren erzeugen" und "zum Handeln [zu] verleiten". Inwiefern sich dies von Werbung, "klassischer" Propaganda oder bestimmten Formen des Journalismus unterscheidet, ist vollkommen unklar.
Gänzlich verschwommen wird es, wenn aufgezeigt werden soll, wie Hass-Propaganda zu beeinflussen versucht. Man bediene sich dabei der "Übertreibung" und "Dramatisierung", versuche "starke Gefühle hervorzurufen", führe "falsche oder unbelegte Behauptungen" an. In Hass-Propaganda wird "einseitig argumentiert, vereinfacht ("etwa in Form von Schwarz-Weiß-, also Gut-Böse- oder Täter-Opfer-Zeichnung eines Konflikts")" und "mit Vorurteilen" gearbeitet. Es werden "Widersprüche der eigenen Position" verschwiegen. Man glaube sich im "Alleinbesitz der Wahrheit" und präsentiere sich als "unbestechlichen Vorstreiter für die ‚gerechte‘ Sache". Äußerungen würden "aus dem Zusammenhang gerissen" oder "falsch und missverständlich" ausgelegt. Die Darstellungen seien häufig "pathetisch" und "von tragischer Schicksalhaftigkeit gekennzeichnet." Letztlich würden Gegner und Andersdenkende verunglimpft.
Man kommt nicht umhin der Aufzählung in Gänze zuzustimmen. Allerdings kommt man auch nicht umhin, hier gängige Methoden des Journalismus, wie er gegenwärtig praktiziert wird, zu entdecken. Insofern ließe sich das Anliegen der Kampagne ohne weiteres als grundlegende Medienkritik verstehen. Wären da nicht die Beispiele.
Im Aufruf wird die Kampagne noch einmal auf den Punkt gebracht:
Ich wende mich gegen die Verbreitung von totalitären und fundamentalistischen Ideologien aller Richtungen in den sozialen Netzwerken. Ich unterstütze die Kampagne "Die Erben der Rose." unter dem Motto "Stoppt Hass-Propaganda! Erst prüfen, dann teilen." um ein starkes Signal gegen Hass-Propaganda und für Toleranz, Meinungsfreiheit und Demokratie zu setzen.
Nur, geht es wirklich um alle Richtungen?