Kampagne gegen Hass-Propaganda
Seite 3: Ein unnötig eingeschränkter Blick auf Hass-Propaganda
- Kampagne gegen Hass-Propaganda
- Islamisten, Prorussen, Rechtspopulisten: symptomatische Untiefen der Auswahl von Beispielen
- Ein unnötig eingeschränkter Blick auf Hass-Propaganda
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Problematisch wird die Kampagne auch dann, wenn so getan wird, als sei Propaganda ein Problem sozialer Netzwerke. Als seien Youtube-Videos unterschiedlicher Machart die Gefährdung der Demokratie. Angesichts der Kommentare unter den jeweiligen Videos scheint es jedenfalls nicht so schlimm um die Unbedarftheit der Nutzer zu stehen. Diese Form der Propaganda wirkt eben doch wenig subtil.
Unbenommen bleibt dennoch, dass Propaganda, gerade in Zeiten gesellschaftlicher Krisen und Konflikte, zunimmt und entsprechende Kompetenzen der Mediennutzer gefördert werden müssen. Die größere Reichweite hat hingegen die Propaganda, die sich als seriöse Nachricht in den auflagenstarken Leitmedien und in öffentlich-rechtlichen Nachrichtensendungen gibt. Youtube-Videos die sich per Facebook oder Twitter verteilen, haben sicher das Potential Menschenfeindlichkeit zu befeuern.
Genauso haben aber Kommentare von so genannten Alpha-Journalisten das Potential "gegen andere Länder oder gegen eine andere Volksgruppe Gefühle der Wut, des Zorns und des Hasses zu erzeugen". Dazu muss man sich nur die Kommentarbereiche, so sie denn noch nicht abgeschaltet sind, anschauen. Nach einer massiven einseitigen Berichterstattung hat sich das Bild in den Foren geändert. Immer häufiger werden antirussische und kriegstreiberische Kommentare veröffentlicht. Die Wucht der publizistischen Inquisition mit der alle Häretiker öffentlich gebrandmarkt werden sollen, zeigt Wirkung. Ganz im Geiste des orwellschen Doppeldenks werden aus Menschen, die sich an den Grundwerten Frieden und Völkerverständigung orientieren, Putinversteher und Verteidiger des russischen Weltmachtstrebens gemacht. Im Gegenzug werden diejenigen, die ein militärisches Eingreifen der NATO, zumindest aber eine "show of force" fordern, zu Menschenrechtsaktivisten umgedeutet.
Das mittlerweile legendäre Spiegel Cover "Stoppt Putin" mit der noch perfideren Überschrift zum Leitartikel "Ende der Feigheit. Europa muss Putin für den Abschuss von Flug MH17 zur Rechenschaft ziehen", weist alle Merkmale von Propaganda auf. Nicht nur das, es hat schlichtweg das Potential Wut, Zorn und gegebenenfalls Hass zu erzeugen. Wer ein Passagierflugzeug mit unschuldigen Zivilisten abschießt, den trifft der gerechte Zorn der Spiegelredaktion. Der Unterschied zu Internetvideos liegt auf der Hand. Der Spiegel gilt als seriös. Wenn der Spiegel Putin zum Täter macht, muss er es auch sein. Schließlich gibt es immer noch viele Menschen, die an das Heilsversprechen glauben, die Presse lüge nicht.
Bei der Auswahl der Beispiele fällt vor allem auf, dass der gesamte Bereich der Hass-Propaganda aus Richtung der politischen Mitte, also das, was in der Sozialwissenschaft seit 80 Jahren der "Extremismus der Mitte" genannt wird, nicht vorkommt. Aber gerade hier drohen gefährliche Entwicklungen. Angesichts neuer Bewegungen wie "Hooligans gegen Salafismus" oder "Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes" und ähnlicher Ableger erscheint das besonders frappant. Erst recht, wenn man sich in der Tradition der "Weißen Rose" verortet.
Aufruf, Motto und Kampagne sind angesichts der immer noch weit verbreiteten gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit unterstützenswert und notwendig. Die gerade erschienene Studie "Fragile Mitte - Feindselige Zustände" der Friedrich-Ebert-Stiftung ebenso wie die "Mitte"-Studie der Universität Leipzig, die beide in der Regel verkürzend ausschließlich in Bezug auf Rechtsextremismus rezipiert werden, weisen weiterhin ein hohes Niveau menschenfeindlicher Einstellungen auf.
Die Leipziger Studie beleuchtet dabei auch deutlicher den "Extremismus der Mitte". Eine Feindseligkeit, die an den Ressentiments breiter Bevölkerungsgruppen, der Mitte, ansetzt und inhaltlich in den Rechtsextremismus reicht. Dabei sind Hass und Menschenfeindlichkeit selbstverständlich kein exklusives Phänomen einer bestimmten politischen Zugehörigkeit oder Positionierung, weshalb es eben auch sinnvoller ist, die Kategorie gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit zu verwenden, die sich zwar häufig in rechtsextremen Positionen zeigt, aber von allen politischen Lagern, über die gesamte Breite der Gesellschaft, geteilt wird.
Die Auswahl der Hasspropaganda-Beispiele erscheint dabei selbst der Logik der bildungsbürgerlichen Mitte zu entstammen: Die christlich tradierten Ängste vor einer Islamisierung, verwoben mit einer latenten Fremdenfeindlichkeit, die Tradition des Antikommunismus, die in der Folge des zweiten Weltkriegs und der Spaltung Deutschlands als Russenhass daher kommt und die in der bundesrepublikanischen Geschichte begründete scheinbare Abwehr von allem Rechtsradikalen. Dabei findet der Extremismus der gesellschaftlichen Mitte seinen Ausdruck gerade in rechtsextremen Positionen.
Vielleicht ist es überinterpretiert. Aber es ergibt sich der Anschein, dass die Beschränkung der Beispiele und die Auswahl selbiger nicht lediglich Zufall sind, sondern Teil der eigenen Ressentiments, Teil des eigenen Weltbildes. Das wäre hingegen ein Bärendienst an der Sache. Denn die Beschränkung der Beispiele auf diese "Bedrohungen" ist selbst wieder nur Wasser auf die Mühlen der Menschenfeinde und Hasspropagandisten. Nur eben derjenigen der Mitte.
Das Anliegen der Kampagne ist unzweifelhaft notwendig und unterstützenswert. Jeder Demokrat wird dies bejahen. Allerdings muss sich solch eine Kampagne an den eigenen Werten messen lassen. Wer gegen Hasspropaganda vorgehen will, muss dies unterschiedslos tun. Die Auswahl der Beispiele lässt daran momentan zweifeln. So läuft die Kampagne Gefahr, seitens einer involvierten Partei im Kampf um Deutungshoheit, vereinnahmt zu werden. Damit würde die Kampagne nicht nur an Integrität verlieren, sondern sie würde selbst zu einem Instrument der manipulativen Meinungsbeeinflussung werden.