Kampf um Einflusssphären: Was folgt in Mali?

Seite 2: Nicht alle Gegner des Kritikwürdigen sind freundlich

Nun darf und muss man es grundsätzlich begrüßen, wenn die frühere Kolonial- und noch immer neokolonial agierende Macht dort, wo sie ihre stärkste historische "Einflusszone" hat, mit Protesten konfrontiert und in ihrem Aktionsradius eingeschränkt wird.

Aufmerksam zu beobachten gilt es allerdings, wer gegebenenfalls von ihrem Einflussverlust profitiert oder auf einen solchen hinarbeitet. Denn auch wenn Frankreich und sein Neokolonialismus in der Region alle Kritik verdienen, stehen ihnen gleichzeitig nicht nur freundliche Gestalten gegenüber.

Untergründig befeuert wurde die mittlerweile verbreitete Forderung nach einem Ende militarisierter französischer Interessenpolitik in der Sahelzone einerseits durch mehrere im Internet und/oder vor Ort aktive Influencer und Propagandisten - andererseits aber auch durch Wasserträger eines seit wenigen Jahren verstärkt auf den Plan tretenden geopolitischen Konkurrenten in Gestalt Russlands.

Beide Gruppen weisen mindestens eine Schnittmenge auf. So zählt zu den in diesem Bereich besonders aktiven Figuren die schweizerisch-kamerunische Unternehmerin und Aktivistin Nathalie Yamb, die einige Jahre lang auch in der westafrikanischen Côte d’Ivoire politische Funktionen innehatte.

Die Dame ist unter anderem bei Twitter und Youtube sehr aktiv, wettert gegen das neokoloniale Auftreten Frankreichs in Afrika, rechtfertigte aber im März 2022 auch die russische Kriegsführung in der Ukraine. Die linksliberale Pariser Abendzeitung Le Monde bezeichnete sie jüngst unverhüllt als russische Einflussagentin.

Nathalie Yamb unterhält auch publizistische Beziehungen zu Kémi Séba und unterstützt ihn, den 1981 in Frankreich geborenen Sohn einer Familie aus dem westafrikanischen Bénin (mit bürgerlichem Namen Stellio Capo Chichi), den man unumwunden als skrupellosen Hetzer bezeichnen muss.

"Kémi Séba" veranstaltete zunächst 2006 in Frankreich einigen Wirbel an der Spitze einer rassistischen und antisemitischen Sekte unter dem Namen Tribu K ("Stamm K"), welche behauptete, die Interessen einer von ihr erfundenen Rasse namens "Kemiten" – die das alte Ägypten beherrscht habe und welcher Afrika gehöre – zu vertreten.

Den Namen hatte sie nicht wirklich zufällig als Gegenstück zu "Semiten" gewählt. Der Tribu K wurde noch im Jahr 2006 verboten, ihr früherer Chef wurde in Frankreich mehrfach wegen Antisemitismus und Gewaltdelikten verurteilt.

In der Vergangenheit unternahm "Kémi Séba" auch durch Bündnisversuche mit weißen Neonazigruppen, was er darüber rechtfertigte, dass die "Kemiten" perspektivisch in Europa nichts zu suchen hätten und sich nach Afrika zurückziehen sollten.

Er selbst ließ sich im zurückliegenden Jahrzehnt zeitweise im westafrikanischen Senegal und später in Burkina Faso nieder, hatte dort aber wiederum Probleme mit der Justiz. Erstaunlich dabei ist nur, dass die linksliberale Pariser Abendzeitung Le Monde ihn in diesem Zusammenhang als "antikolonialen Aktivisten" bezeichnete.

Die wohl unüberlegte Wortwahl trügt: Historisch war der Antikolonialismus eine progressive und humanistische Bewegung, "Kémi Séba" jedoch ist letztendlich nichts als ein macht- oder aufmerksamkeitsgeiler Egomane und Rassenideologe.

Ob all dies etwas mit Mali zu tun hat? Aber ja, denn "Kémi Séba" stattete vor wenigen Tagen dem dort amtierenden, aus dem Militär kommenden Übergangspräsidenten Assimi Goïta einen Besuch ab, was zu kritischen Reaktionen vor Ort führte.

Andererseits wird in jüngerer Zeit eine antifranzösische Kampagne nicht nur von solchen Gestalten, sondern auch durch das russische Propaganda- und Mediennetzwerk genährt. Das viel gelesene, einen tägliche Newsletter versendende Internetportal Maliactu übernimmt sehr weitgehend die russische Lesart, auch beispielsweise zum laufenden Krieg in der Ukraine, sowie Inhalte staatsfinanzierter russischer Medien, namentlich des Portals Sputnik in seiner französischsprachigen Ausgabe und des Fernsehsenders RT France.

Softpower-Strategie Russlands

Wie den übrigen Ablegern des kremlnahen Auslandssenders Russia Today wurde ihm die Ausstrahlung in der Europäischen Union ab dem 2. März 2022 untersagt. Von Zuschauern, die das Verbot unterlaufen möchten, kann er noch über VPN-Kanäle – also virtuelle private Netzwerke - auf Empfangsgeräten gehört und gesehen werden. Doch zugleich orientiert sich der Mitarbeiterstab des Senders am Pariser Stadtrand um.

Anlässlich einer Betriebsratssitzung am 14. März fragten Personalvertreter der 170 Beschäftigten, darunter 100 Journalisten, bei der Leitung nach, ob diese ihre Karriere nun im französischsprachigen Afrika fortsetzen könnten.

Offiziell erhielten sie keine Antwort. Doch unstrittig streckt der Sender vermehrt seine Antennen auf den afrikanischen Kontinent aus. Am 25. Januar, also einen Monat vor Kriegsausbruch, sicherte er sich verschiedene Domain-Namen wie rt-afrique.com, RtAfrica oder RTafrique.online. Im Herbst vorigen Jahres richtete er ein Korrespondentenbüro für Nordafrika in Tunis ein; ein weiteres im ostafrikanischen Kenia scheint in Planung.

Dies zählt zur Softpower-Strategie der Machthaber Russlands in Mali, wo die Militärregierung am 17. März die Ausstrahlung der französischen Auslandsprogramme von RFI (Radio France Internationale) und France 24 untersagte. Flankiert wird sie von einer eher unter "ziemlich harte Power" als Softpower fallenden militärischen Präsenz Russlands, derzeit in Mali und der Zentralafrikanischen Republik.

Kurz: Rückschläge für die französische Machtpolitik in Westafrika sind grundsätzlich positiv, wenn sie den Menschen dort Handlungsspielräume eröffnen. Doch nicht alle Feinde eines politischen Gegners – als den man den französischen Neokolonialismus definieren darf – sind Freunde, und unter Umstände verkörpern einige von ihnen noch Schlimmeres als das von ihnen Kritisierte.

Es wird kritisch darauf zu achten sein, wer mit welchen Inhalten welchen Einfluss nimmt. Sonst könnte auch hierbei gelten: Vom Regen in die Traufe.