Kampf um das "Neue" Afrika
Nach China und der EU investieren jetzt auch die USA massiv in den "Schwarzen Kontinent"
Aber geht es bei den Investitionen für Afrika wirklich um eine nachhaltige wirtschaftliche Zusammenarbeit auf Augenhöhe, wie US-Präsident Obama verspricht? Oder ist der Kontinent auf dem Weg, das nächste Asien als günstiger Produktions- und Absatzmarkt zu werden? Für einen langfristigen ökonomischen Aufschwung, sagen Kritiker, brauche es demnach vor allem eins: Investitionen in Innovation Made in Africa.
"Open market", "Die Zukunft" oder "Final Frontier" - Afrika vereint viele Namen und gilt als "letzte Grenze" für weltweites Wachstum. Ein Blick auf den Global Economic Prospect"-Bericht der Weltbank von 2013 offenbart, weshalb die großen Wirtschaftsnationen ihr Geld in den Kontinent pumpen: In Afrika liegen elf der 20 am stärksten wachsenden Volkswirtschaften.
Allein für den einst vom Handelsaustausch des Mittelmeers isolierten Teil, die südlich gelegene Sub-Sahara Region, prognostiziert die Weltbank in ihrer neuen "Africa's Pulse"-Analyse einen weiteren Anstieg des Wirtschaftswachstums von 4.7 Prozent in 2013 auf 5.8 im kommenden Jahr.
Längst sind es nicht mehr nur ressourcenreiche Länder wie Sierra Leone, die Demokratische Republik Kongo, oder Angola, Mozambique und Tansania, die mit fast 1.5 Prozentpunkten deutlich über der durchschnittlichen jährlichen Wachstumsrate von 3.9 Prozent in Entwicklungsländern liegen. Auch Äthiopien und Ruanda weisen solide Wachstumszahlen aus. Afrika boomt. Es verwundert daher nicht, dass nun auch die US-Regierung verkündet hat, eine Menge Geld für Investitionen in den Kontinent in die Hand nehmen zu wollen.
USA will neue Märkte erschließen
24,6 Milliarden Euro investiert die USA für den Wettlauf um einen Markt mit Milliarden neuer Kunden, den China seit der Finanzkrise anführt . Obama stellte die "Doing Business in Africa (DIBA) Campaign" 45 afrikanischen Staatschefs während des ersten US-Afrika-Gipfel in Washington D.C. Anfang August vor. Rund 100 US-Konzerne waren ebenso vor Ort.
Neben den bereits im vergangenen Jahr versprochenen 5,3 Milliarden Euro, die die US-Regierung unter der Stromnetz-Initiative "Power Africa" verteilen will und das nun von Privatunternehmen mit weiteren 11 Milliarden Euro unterstützt wird, sollen die anderen Milliarden in Sektoren wie Bankenwesen, Baugewerbe und Informationstechnologie fließen. Das Ziel: einen deutlichen Wachstumsimpuls setzen, der sowohl einen breiteren afrikanischen Wohlstand als auch aufstrebende Märkte für US-Unternehmen schafft.
"Die USA sind entschlossen, ein Partner beim Erfolg Afrikas zu sein", sagte Obama auf dem Gipfeltreffen : "Ein guter Partner, ein echter und gleichwertiger Partner und ein langfristiger Partner." Statt einfach weiter nur Ressourcen zu gewinnen, wolle man Afrika helfen zu wachsen. Eine Aussage, die nicht nur als Versprechen, sondern vor allem auch als Seitenhieb auf China verstanden werden darf. Die asiatische Wirtschaftsmacht muss sich seit ihrem Engagement vorwerfen lassen, vor allem als Ausbeuter afrikanischer Rohstoffe vor Ort zu sein (Karte chin. Investitionen). 200 Milliarden US-Dollar beträgt das auf Hochtouren laufende Sino-Afrikanische Handelsvolumen und ist damit gut doppelt so hoch wie das der USA.
HRW: Menschenrechtsprobleme auf den Nebenschauplatz degradiert
Kritik am Ablauf des Gipfels gab es von Human Rights Watch. Denn zwar wurden Sicherheits- und Entwicklungsfragen in D.C. besprochen, aber nicht über vorherrschende gesetzliche Grundlagen gesprochen.
"Das Treffen der Staatschefs scheint Afrikas besonders gravierende Menschenrechtsprobleme zu einem Nebenschauplatz degradiert zu haben", monierte Daniel Bekele, Afrika-Leiter von Human Rights Watch . "Dabei hängt der Erfolg der Entwicklungs- und Sicherheitszielen des Gipfels davon ab, sich mit Unterdrückung, Korruption und Rechtsnormen zu befassen."
Dafür setzte Barack Obama einen anderen Punkt ins Zentrum des Programms. Mit "Investing in the Next Generation" versuchte er seine Absicht zu unterstreichen, aus Afrika nicht nur ein "neues Zentrum globalen Wachstums", sondern gleichzeitig auch ein nachhaltiges zu machen.
Die Jugend als Chance
"Wir wissen um Afrikas größte Ressource, es sind ihre Menschen und ihre Talente und ihr Potential", so der US-Präsident. So schön Obamas Satz klingt, eines der größten Probleme des Kontinents ist weiterhin die hohe Jugendarbeitslosigkeit. 62 Prozent der Bevölkerung, also mehr als 600 Millionen Menschen, sind unter 25 Jahre.
Doch was auf der einen Seite ein unvorstellbares Konfliktpotential birgt, könnte auf der anderen Seite eine große Chance sein. Bereits vergangenes Jahr forderte eine Arbeitsgruppe der UN als selbstständigen Weg aus der Armut, den Unternehmergeist unter Jugendlichen zu fördern und zu einem integralen Teil einer Entwicklung zu machen.
Dieser Ansicht ist auch Jean-Claude Bastos de Morais, Gründer der African Innovation Foundation (AIF) , die in Zusammenarbeit mit der UN-Wirtschaftskommission seit 2011 den Innovationspreis für Afrika (IPA) vergibt. Wer Afrika wirklich den Weg aus der Abhängigkeit ebnen wolle, der müsse auf Innovation vor Ort setzen, sagt der Schweiz-Angolaner. Beim Begriff Innovation gehe es schließlich nicht einzig um den westlichen Fokus auf Forschung und Entwicklung. Innovation müsse viel breiter verstanden werden. Nämlich als etwas, das "Industrien, Wirtschaftssysteme und Gesellschaften verändern" kann, so Bastos de Morais. Dann bietet Innovation dem Kontinent nicht nur ein großes Wachstumspotential sondern vor allem nachhaltigen Wandel.
"Innovations-Ökosystem" für nachhaltigen Wandel
Um das zu erreichen, müsse man zunächst neue Finanzierungsinstrumente schaffen, gibt Bastos de Morais zu bedenken. Einfach neue Milliarden über alte Verteilungswege zu schieben, würde die afrikanische Entwicklung nicht verantwortungsvoll fördern. Alle, die USA und jene Regierungen, die an einem wirklichen Wandel in Afrika interessiert sind, sowie Nicht-Regierungsorganisationen und der Privatsektor müssten sich an der Schaffung eines neues "Innovations-Ökosystems" beteiligen, das es jungen Unternehmern leichter mache, Finanzierungen für ihre Geschäftsideen zu erhalten, fordert Bastos de Morais.
Eine Sicht, die auch die Executive-Opinion-Survey-Studie des Weltwirtschaftsforums bestätigt. Demnach stufen Unternehmen vor allem die Finanzierung als weiterhin große Herausforderung für Geschäftstätigkeiten in Afrika ein. Dass sich durch Beteiligungskapital für Existenzgründungen freilich nicht alle Probleme lösen lassen, weiß auch der Gründer der AIF. Aber es wäre ein notwendiger Anfang, wolle man die Jugend des Kontinents nicht als Zeitbombe, sondern als Chance wahrnehmen, so Bastos de Morais weiter. Immerhin kämen heute elf Prozent der Arbeitsplätze im privaten Sektor aus dem Bereich Venture Capital und würden ungefähr 21 Prozent des Bruttoinlandprodukts der USA generieren.
Die Zukunft
"Die Zukunft gehört denjenigen, die bauen, nicht solchen, die zerstören", vermerkte dann auch Obama. Doch inwieweit die US-Administration ihr Versprechen hält, dem Kontinent tatsächlich "ein Partner beim Erfolg Afrikas zu sein", wird sich daran messen lassen müssen, ob sich in ihrer Strategie ein neuer finanzierungspolitischer Ansatz findet. Einer, bei dem einige der US-Dollar in den Aufbau von jungen afrikanischen Unternehmen fließen, die den Menschen vor Ort nachhaltige Möglichkeiten der Eigenständigkeit eröffnen. Man müsse endlich erkennen, dass "viele afrikanische Probleme mit etwas Unterstützung und Anleitung durchaus von Afrikanern selbst gelöst werden" können, so Bastos de Morais. "Von der Ausgangsidee bis hin zur Vermarktung."
Gegenwärtig scheinen für eben jenen Weg nur die USA diese Doppelspitze aus scheinbar guter Absicht und genügend Kapital aufzubringen. Sollte gleichwohl erneut der neoliberale Hunger überhand nehmen, dann könnte Afrika nur Asien als nächster Standort für günstige Absatz- vor allem aber billige Fertigungszentren ablösen. Vielleicht beschwor Vizepräsident Joe Biden, um diesen Eindruck vorzubeugen, auch deshalb kurzerhand auf dem Gipfeltreffen in D.C. noch John F. Kennedy, als er sagte: "Die Frage ist nicht länger, was wir für Afrika tun können, sondern was wir mit Afrika zusammen erreichen können"