"Kampfbereit": Polen will Flüchtlingstreck aus Belarus mit Gewalt aufhalten

Im belorussisch-polnischen Grenzgebiet spitzt sich die Lage zu. An Ort und Stelle ist eine mediale Berichterstattung erschwert. Archivbild: Vedenei / CC-BY-SA-3.0

Ein geschlossener Treck von Geflüchteten ist über Weißrussland an der EU-Außengrenze zu Polen angekommen. Das Land reagiert mit 12.000 Soldaten

Am Montagmorgen tauchten auf belorussischen Telegram-Kanälen erstmals Videos auf, die sich sofort viral verbreiteten. Sie zeigen mehr als eintausend Flüchtende als geschlossenen Treck zu Fuß auf dem Weg zur polnischen Grenze, wobei die genaue Schätzung der Anzahl schwer ist. Sie sind offenbar mehrheitlich arabischer Herkunft und haben ihr Hab und Gut auf der Straße mit dabei.

Zu beachten ist, dass die Gesamtstrecke zwischen Minsk und der Grenze 300 Kilometer beträgt und zu Fuß mehrere Tage in Anspruch nimmt. Dennoch gibt es aus den letzten Tagen keine vergleichbaren Aufnahmen aus dem weißrussischen Hinterland. An der Grenze stießen sie auf dort bereits fest steckende Flüchtlinge, so dass sich dort nach uneinheitlichen Schätzungen zwischen 1.000 und 5.000 Menschen versammelt haben.

Unterwegs auch nach Deutschland

Auch Kurden mit dem Ziel Deutschland sollen darunter sein, ist unter anderem bei der belorussischen Nachrichtenagentur Belta zu lesen. Ebenso berichtet der russische Staatssender Sputnik von Migranten, die Grenzschutzbeamten gesagt hätten, sie seien unterwegs nach Deutschland. Ziel des Trecks ist offenbar ein massiver Durchbruch der Grenze in der Region Grodno unweit von Polen und Litauen.

Von weißrussischen Ordnungskräften ist auf dem Filmmaterial aktiv nicht viel zu sehen. Die Behörden in Belarus wiesen die Verantwortung für den Treck von sich. Die Gleichgültigkeit und die unmenschliche Haltung der polnischen Behörden hätte die Flüchtlinge dazu bewogen, sich "in einem solchen Schritt der Verzweiflung" zusammenzuschließen, gab Anton Bychkovsky als Vertreter des belorussischen Grenzschutzes dem russischen Medienportal RBK in einem Interview an. Die zuständige Ordnungsbehörde kündigte lediglich an, sich um den Schutz von "Ruhe und Ordnung" im Zusammenhang mit dem Treck zu kümmern.

Bereits seit mehreren Monaten versuchen Flüchtende und Migranten auf der Route über Belarus die EU zu erreichen, seit einer Ankündigung des Minsker Staatsoberhauptes Lukaschenko, sie auf diesem Weg nicht mehr aufhalten zu wollen. In der Folgezeit kam es wiederholt zu Vorwürfen gegen Belarus auch von der deutschen Bundesregierung, das Land lasse die Menschen nicht nur passieren, sondern schleuse sie aktiv in Richtung EU ein. Diese Gerüchte waren von Minsk stets dementiert worden, Indizien dafür bestehen aber.

Reaktion: Truppenverlegung und Ausnahmezustand

Die aktuelle Reaktion der angrenzenden EU-Staaten erfolgte hart und ohne Zögern. Man war auf solch einen Vorfall mit Sicherheit vorbereitet. Litauen kündigte laut der Nachrichtenagentur Delfi.ru die Verlegung von Militär an seine Grenze zu Belarus an und erwägt die Ausrufung des allgemeinen Ausnahmezustands.

Als die Geflüchteten an der polnischen Ostgrenze erschienen erklärte der dortige Verteidigungsminister Marius Blaszczak via Twitter, man werde sofort 12.000 kampfbereite Soldaten an die Grenze verlegen - wohl, um wieder eine zahlenmäßige Überlegenheit der Wächter an der EU-Außengrenze herzustellen. Der stellvertretende polnische Außenminister Piotr Wawzhik stellte in einem Interview mit einem polnischen Radiosender eine deutliche Verschärfung der Grenzsituation fest, die auch zu Todesopfern führen könne. Man sei bereit, einen gewaltsamen Grenzübertritt abzuwehren.

Lage vor Ort weitgehend unklar

Ob dennoch bereits eine Überschreitung der Grenze durch den Treck erfolgte, ist unklar. Laut Sputnik Belarus gaben weißrussische Grenzschützer an, dass schon eine große Gruppe der Migranten nach Polen "abgereist" sei und "das Territorium Weißrusslands verlassen habe". Entsprechende Absperrungen an den Grenzen seien entfernt. Ob diese Auskünfte der Tatsache entsprechen, lässt sich schwer verifizieren, da Journalisten aus der Region auf beiden Seiten der Grenze nur eingeschränkt berichten können.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU) sprach am Montagabend nach Berichten über einen versuchten Grenzdurchbruch einer Gruppe von Geflüchteten von einem "hybriden Angriff" und forderte neue Sanktionen gegen Belarus. Die Regierung von Alexander Lukaschenko müsse mit der "zynischen Instrumentalisierung von Migranten" aufhören, so von der Leyen.

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