Kandidaten aus der Basis wollen Merkel beim CDU-Parteitag im Dezember herausfordern
Nach dem 26-jährige Berliner Jurastudenten Jan-Philipp Knoop hat jetzt auch der hessische Unternehmer Andreas Ritzenhoff sein Antreten verkündet
Am 25. September gewann der CDU-Abgeordnete Ralph Brinkhaus, den vorher weder Anhänger noch Gegner von Angela Merkel eine Chance einräumten, mit 125 zu 112 Stimmen und zwei Enthaltungen überraschend die geheime Abstimmung zur Wahl des CDU/CSU-Fraktionsvorsitzenden gegen den vorherigen Amtsinhaber Volker Kauder, den die Kanzlerin explizit als ihren klaren Favoriten unterstützt hatte.
Dieser Überraschungssieg dürfte den zweiten Gegenkandidaten beflügelt haben, den Merkel nun bei ihrer Kandidatur um den Parteivorsitz bei CDU-Parteitag im Dezember bekommen hat. Der erste, der Schöneberger Jurastudent Jan-Philipp Knoop, hat seinen eigenen Angaben nach schon vor zwei Monaten in der Bundesgeschäftsstelle nachgefragt, wie er sich formal korrekt bewerben kann, aber noch keine Antwort erhalten. "Wenn es nicht anders geht", sagte er der Berliner Woche am Montag, dann werde er seine Bewerbung halt einfach "in den Briefkasten der Bundesgeschäftsstelle werfen".
Außerdem meinte der 26-Jährige, er sei nach einer Analyse der "Mechanismen der Partei" auf "festgefahrene Strukturen" gestoßen und habe den Eindruck gewonnen, dass "jede Veränderung als Gefahr empfunden" werde. Dass will er ändern, denn, so Knoop: "Eine Partei ist doch kein Selbstzweck". Ermutigt dazu haben ihn Zuschriften aus ganz Deutschland, die er erhielt, als er auf seinem Facebook-Profil kritisch über innere Sicherheit und Schulpolitik schrieb. Aus der CDU-Elite kamen dagegen Aufforderungen, sich zu "mäßigen" - was der Jurastudent nicht vorhat, weil er seiner Ansicht nach "keine Regeln der Parteisatzung" bricht, sondern "nur seine Rechte als Parteimitglied intensiver als andere" wahrnimmt.
"Weltmarktführer für Aluminiumdesignprodukte"
Mehr Massenmedienaufmerksamkeit als Knoop bekam bislang der 61-jährige Andreas Ritzenhoff, der erst Anfang 2018 in die CDU eintrat und seine Kandidatur gestern bekannt gab. Er ist geschäftsführender Inhaber des (nach eigenen Angaben) "Weltmarktführers für Aluminiumdesignprodukte" Seidel. Den Marburger sorgt,
was derzeit mit Deutschland, Europa und der westlichen Welt passiert. Ich sehe hier eine Bedrohung, die sich gegen die Wirtschaftskraft, den Wohlstand, die Sicherheit und nicht zuletzt die Freiheit der Kultur und des Geistes unserer Bevölkerung richtet. […] Es scheint mir dringend geboten, dass aus der CDU heraus neue politische Ziele formuliert werden, die kurzfristig zu einem spürbaren Richtungswechsel der Politik führen, [um] die freiheitliche westliche Gesellschaft in eine neue Phase des Aufstiegs zu führen.
Vor was haben Amts- und Mandatsträger mehr Angst?
Im Zusammenhang mit der CDU machen sich derzeit aber nicht nur Knoop und Ritzenhoff Sorgen, sondern auch viele andere Parteimitglieder - gerade solche, die Mandate und Ämter innehaben, um die sie zunehmend fürchten müssen. In der neuen INSA-Umfrage sind die Christdemokraten nämlich gerade um einen weiteren Punkt auf einen Rekordtiefstwert von 26 Prozent abgesackt, während die AfD einen weiteren halben Prozentpunkt auf jetzt 18,5 Prozent zulegte. Davon, wie schnell die jetzt noch siebeneinhalb Punkte zwischen den beiden Parteien aufgeholt werden können, kann die mit 16 Prozent nur mehr drittplatzierte SPD ein Lied singen: Im Juni 2017 lag sie selbst noch bei 26 Prozent.
Diese Angst um die eigenen Ämter und Mandate lässt Überraschungen beim CDU-Parteitag im Dezember nicht ausgeschlossen erscheinen. Im Grunde lautet die Frage nämlich nur: Was halten die Delegierten für gefährlicher für die eigene Karriere? Dass Angela Merkel bleibt? Oder dass sie geht? Material für diese Abwägung wird ihnen vor allem die Hessenwahl am 28. Oktober liefern. Dort steht der Union mit Volker Bouffier ein Merkel-Gefolgsmann vor. Scheitert er, können Medien schlecht behaupten, dass das geschehen sei, weil er zu merkelkritisch war. Für die Bayernwahl, die zwei Wochen vorher stattfindet, wird dieses Narrativ bereits etabliert, obwohl Horst Seehofer am Montag verlautbarte, er "begrüße" es, dass Merkel im Dezember erneut für den CDU-Vorsitz kandidiert.
Fällt das Hessenwahlergebnis so aus, dass Merkel den CDU-Vorsitz verliert, ist weitgehend offen, wie sehr sich ein neuer CDU-Vorsitzender tatsächlich von ihrem Kurs entfernt. Ralph Brinkhaus, der Sieger über Merkels Kauder, überraschte nach seiner Wahl beispielsweise mit der Aussage er begrüße es, dass die Kanzlerin eine weitere Amtszeit anstrebt. Vorher hatten sowohl Social-Media-Nutzer als auch Journalisten darüber spekuliert, was Brinkhaus wohl ausdrücken wollte, als er sagte, zwischen ihm und Merkel passe kein "Blatt Papier". Laut Timo Lokoschat von Bild ein "klug gewählter Satz, der beide Lager befriedigt": "Die einen nehmen ihn beim Wort, die anderen denken an Schröder und Lafontaine".
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