Kann die Friedensbewegung doch rechtsoffen sein?

Die Gratwanderung zwischen notwendiger Abgrenzung und Sektierertum ist ein Dauerthema. Symbolbild: peacemedia_for_future auf Pixabay (Public Domain)

Aktuell wird viel über die gar nicht so neue Frage gestritten. Auch die Organisatoren der Ostermärsche mussten sich damit auseinandersetzen. Mancherorts verloren sie Bündnispartner.

Einer der Gründe, warum sich trotz massiver Aufrüstung und einer Kriegsrhetorik, die vielen Menschen Angst macht, die Beteiligung an den traditionellen Ostermärschen in Grenzen hielt, war wohl die vorab nicht in allen Gruppen geklärte Frage, wo die Friedensbewegung die Brandmauer nach rechts ziehen soll.

Beispielsweise am 25. März hatten sich in der Düsseldorfer Innenstadt rund 200 Menschen versammelt, die mit Friedenstrauben gegen Waffenlieferungen in die Ukraine demonstrierten. Ihnen gegenüber hatten sich rund zehn vor allem jüngere Menschen postiert, die Antifa-Fahnen trugen und lautstark gegen eine "deutsche Querfront" agitierten. Sie monierten, dass auf den Friedensdemos auch Personen mitliefen, die keine Berührungsängste nach rechts zeigten.

Tatsächlich hatten sich unter blauen Friedenstauben Menschen versammelt, die seit Jahren gegen Aufrüstung und Krieg protestierten. Ebenso vertreten waren aber auch Gruppierungen wie die "Freie Linke" und die Kleinstpartei "Die Basis", die sich im Zuge der Proteste gegen die Corona-Maßnahmen gegründet hatten und denen von Antifagruppen verschwörungstheoretisches Gedankengut vorgeworfen wird.

Dass sie damit nicht ganz falsch liegen, zeigte ein großes Transparent, in dem vor Chemtrails gewarnt wurde. Die angebliche Manipulierung der Menschen durch von Flugzeugen erzeugte Kondensstreifen gehört zu den verbreiteten Verschwörungserzählungen.

"Nie wieder Faschismus – nie wieder Krieg"

"Mir blutet das Herz, wenn ich sehe, dass Menschen mit Friedenstauben und Menschen mit Antifa-Fahnen jetzt scheinbar in gegensätzlichen Lagern stehen", erklärte ein älterer Mann. Er trug ein Schild mit der Parole "Nie wieder Faschismus, nie wieder Krieg". "Ich weiß nicht, wo ich meinen Protest gegen Aufrüstung und Krieg ausdrücken kann", erklärt er und packte schließlich sein Schild wieder ein. Ähnliche Szenen waren in einigen Städten auch bei den Ostermärschen am Wochenende zu erwarten.

So veröffentlichte die North East Antifa (NEA), die seit Jahren in der antifaschistischen Bewegung aktiv ist, ein längeres Pamphlet, in dem sie bekannten Exponentinnen der Berliner Friedenskoordination vorwarf, den Schulterschluss mit rechten Gruppen zu suchen.

Die Friko biete der Gruppierung "Handwerker für den Frieden", die von einem ehemaligen Landtagskandidaten der AfD – Karl Krökel – gegründet wurde, aber auch Gruppen wie der "Freien Linken" und der "Basis" ein Forum. Damit schade ausgerechnet die Friko mit ihrer langen Geschichte in der Friedensbewegung dem antimilitaristischen Anliegen massiv, monierte die NEA, die sich in ihrer Erklärung klar gegen Nato und Aufrüstung in Deutschland positioniert.

"Nichts wird aktuell dringender gebraucht als eine wirklich progressive Friedensbewegung, die auch die Eskalationspolitik der Nato und den kochenden Waffenwahn der Ampel-Regierung angreift", heißt es ihrer Erklärung. Das Bekenntnis gegen jeden Militarismus trägt aber nicht zur Entspannung zwischen NEA und Friko bei.

Als eine Ansammlung von "Behauptungen, Unterstellungen und Denunziationen" bezeichneten die Friko-Sprecherinnen Laura von Wimmersperg und Jutta Kausch die NEA-Kritik in einer Stellungnahme. "Selbstverständlich grenzen auch wir uns ganz klar gegen rechts ab."

Die Kernfrage: Was ist rechts?

"Die Kernfrage ist doch, wie definiert wird, was "rechts" ist, worin die Gefährdung besteht" benennen die Friko-Aktivistinnen gegenüber Telepolis eine politische Differenz zur NEA und anderen Antifagruppen. Gruppen wie die Handwerker für den Frieden, die Basis oder auch die Freie Linke werden von der Friko, anders als von der NEA, als Bündnispartner gesehen, mit denen man auch zum Ostermarsch gemeinsam auf die Straße gehen könne.

Die Friko-Sprecherinnen verweisen darauf, dass Krökel nie Mitglied der AfD war und seine Kandidatur als Parteiloser mittlerweile als Fehler bezeichnet habe. Keine Bündnispartner für die Friko seien hingegen AfD, NPD, aber auch das Compact-Magazin oder die Identitäre Bewegung, betonen Kausch und von Wimmersperg. Die NEA macht aber am Beispiel der "Handwerker für den Frieden" deutlich, dass eine solche Auftrennung so einfach nicht möglich ist.

So war der Kopf der Organisation Karl Krökel nicht nur parteiloser AfD-Kandidat, sondern hat auch in den letzten Monaten gemeinsam mit Compact Demonstrationen organisiert. Mittlerweile sei er auch zu dem Magazin, das seit Monaten die Querfront in der Friedensbewegung propagiert, auf Distanz gegangen, erklären Verteidiger von Krökel.

Rechte Trittbrettfahrer nicht erwünscht

Doch auch in der Friedensbewegung gibt es Kritik an der Bündnispolitik der Friko. So erklärt Kristian Golla von der Bonner Friedenskooperative im Gespräch mit Telepolis, dass Gruppen wie die Partei "Die Basis" und die "Freie Linke" Trittbrettfahrer seien, die nichts mit der Friedensbewegung zu tun hätten. Golla erinnert daran, dass die Debatte, wie offen die Friedensbewegung nach rechts sein soll, bereits 2014 geführt wurde, damals unter dem Stichwort des Friedenswinter.

Damals begann nach dem rechtsoffenen Maidan-Umsturz in Kiew und dem Anti-Maidan der prorussischen Bevölkerungsteile in der Ukraine der Konflikt. In Deutschland entstand damit eine heterogene Mischung von Menschen, die betonten, weder links noch rechts, sondern nur für den Frieden zu sein.

Da sie auch immer den Grundsatz, niemanden ausgrenzen zu wollen, vor sich hertrugen, fühlten sich Rechte aller Couleur bald sehr angezogen. Damals hofften Teile der Friedensbewegung, mit dem Friedenswinter gäbe es neue, vor allem jüngere Bündnispartner. Bald stellte sich aber heraus, dass die ganze Debatte die Friedensbewegung geschwächt und nicht gestärkt hat. Das Resümee des Netzwerks Friedenskooperative ist eindeutig.

Die Friedensbewegung hat im politischen Zusammengehen mit den "Montagsmahnwachen" Schaden erlitten, den es jetzt zu begrenzen gilt. Veranstalter:innen der Ostermärsche oder auch der Demonstrationen gegen die Münchener Sicherheitskonferenz haben sich vereinnahmt gefühlt, indem ihre unabhängig vorbereiteten Aktionen unter die Kampagne "Friedenswinter" subsumiert wurden. Dies habe nach etlichen Aussagen zu mehr Problemen, nicht zu größerer Mobilisierung beigetragen.

Hinzu kommen inzwischen noch Vermischungen der Montagsmahnwachen mit der sog. Endgame-Bewegung. Immer wieder wird von Seiten der "Friedenswinter"-Befürworter:innen davon gesprochen, dass man die "suchenden Menschen" nicht Pegida überlassen dürfe. Soll sich die Friedensbewegung ausgerechnet diejenigen als Zielgruppe aussuchen, die mit unseren friedenspolitischen Zielen klar entgegen gesetzten und rassistischen Parolen auf die Straße gehen?


Netzwerk Friedenskooperative

Insofern ist unverständlich, warum Gruppierungen wie die Friko neun Jahre später erneut an einem bereits gescheiterten Konzept herumbasteln.