Kanye West vs. Elizabeth Warren?

Kanye West (Foto: David Shankbone, CC BY 3.0) und Elizabeth Warren (Foto: United States Senate)

US-Medien spekulieren über den nächsten Präsidenten

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Derzeit nimmt das Thema Stormy Daniels in US-Medien ähnlich viel Raum ein wie das Thema Monica Lewinsky vor 20 Jahren (vgl. Demokratisierung der Aufmerksamkeit). Die beiden Fälle ähneln sich aber auch in anderer Hinsicht: Es geht um sexuelle Affären von Präsidenten, die nicht strafbar sind, aber aus Imagegründen dazu führten, dass die Unwahrheit gesagt wurde (bei Clinton sicher, bei Trump wahrscheinlich), was die gegnerische Partei zu nutzen versucht. Ob sich Trumps Wähler davon beeindrucken lassen ist fraglich - viele dürften so ein Verhalten bei Trump ebenso erwarten, wie bei Clinton, Kennedy oder diversen bayerischen Politikern.

Auf entsprechend geringeres Interesse stößt die Stormy-Daniels-Affäre in Sozialen Medien. Dort beschäftigt man sich derzeit eher mit dem Rapstar Kanye West, der das Medienestablishment in den letzten Wochen mehrmals in Schnappatmung versetzte, nachdem er nacheinander seine Sympathie für die schwarze Konservative Candace Owens bekundete, mit einer Make-America-Great-Again-Mütze posierte, den Pro-Trump-Song Ye vs. People veröffentlichte und schließlich meinte, wenn Leute ständig von "400 Jahren Sklaverei" redeten, dann frage er sich, ob da nicht eine Opferhaltung dahinter steckt. Wörtlich:

Wenn man von über 400 Jahre langer Sklaverei hört: 400 Jahre lang? Das klingt für mich nach eigener Wahl.

(Kanye West)

Die Äußerung wurde in Medien erwartbar so verkürzt, dass es aussah, als ob West nicht auf das Kultivieren einer problematischen Mentalität 153 Jahre nach der Sklavenbefreiung hingewiesen, sondern die US-Sklaverei (die nur 246 Jahre dauerte), als freiwillig dargestellt habe. Daran änderte sich auch nichts, als er klarstellte, dass "Sklaven natürlich nicht aus freien Stücken auf Schiffe verfrachtet wurde", dass aber "ein so langes Verharren in dieser Position, obwohl wir eine große Masse auf unserer Seite hatten, zeig[e], dass wir mental gefangen waren." Diese erwartbare Verzerrung seiner Äußerung brachte West neue Aufmerksamkeit und neue Sympathien - vor allem von Seiten der erst seit kurzem den Republikanern zuneigenden Gamergate-Generation, die mit ihrem Memes 2015 und 2016 eine wichtige Stütze von Donald Trumps Sieg bei den Vor- und Präsidentschaftswahlen war.

"I know Obama was heaven-sent, but ever since Trump won, it proved that I could be president"

Deshalb, wegen eines Tweets, der nichts enthielt als die Jahreszahl "2024", und weil Kanye West (der bereits in der Vergangenheit politische Ambitionen bekundete) in die Zeilen "I know Obama was heaven-sent, but ever since Trump won, it proved that I could be president" unterbrachte, wird inzwischen darüber spekuliert, ob er nicht der nächste republikanische Präsidentschaftskandidat und vielleicht auch der nächste Präsident werden könnte.

Dafür spricht unter anderem, dass Donald Trump das Parteiestablishment aufgebrochen und für Außenseiter und Quereinsteiger wie ihn selbst geöffnet hat. Und so wie Trump den Republikanern vorher unerreichbar erscheinende Arbeiterstimmen aus dem Rust Belt sicherte, könnte West ihnen Stimmen von Schwarzen sichern, deren Arbeitslosigkeit unter Trump ein historisch niedriges Tief erreichte. Wie auch Trump ist West keiner der etablierten Politiker (die viele Wähler abstoßen), verfügt aber über eine enorme Bekanntheit. Nicht zuletzt deshalb, weil er in den außergewöhnlich fernseh- und boulevardbekannten Kardashian-Clan eingeheiratet hat.

Zudem kommt er bei vielen Amerikanern gerade deshalb gut an, weil er sich in der Vergangenheit immer wieder als Nonkonformist und Individualist präsentierte: Zum Beispiel, als er George W. Bush bei einer Hurrikan-Katrina-Benefizveranstaltung abweichend von der Telepromptervorgabe sagte, er habe den Eindruck, dem damaligen Präsidenten sei das Schicksal von Schwarzen in den USA vollkommen egal. Diese Freiheit, zu denken und zu sagen was er will, betont der Rapper auch auf Twitter immer wieder.

Ein Schwarzer, der kein Opfer sein will, gegen eine blonde und blauäugige Frau, die bei der Opfer-Olympiade möglicherweise geschummelt haben könnte

Tritt Kanye West 2024 bei den Republikanern an, und schafft er es durch die Vorwahlen, könnte sich die interessante Situation ergeben, dass ein Schwarzer, der kein Opfer sein will, gegen eine blonde und blauäugige Frau, die bei der Opfer-Olympiade möglicherweise geschummelt haben könnte: Elizabeth Warren. Sie entstammt - anders als West - dem Establishment ihrer Demokratischen Partei (das gerade Wikileaks verklagt) und galt bereits bei den Vorwahlen 2016 als aussichtsreiche nächste Kandidatin für den Fall, dass Clinton verlieren sollte.

Die Republikaner dürfte ihr Antreten insofern freuen, als Warren als Verkörperung jener intersektionalistischen Strömung in ihrer Partei gilt, die bereits maßgeblich zu Clintons Niederlage beitrug. Das dürfte sie auch dazu bewegt haben, zu behaupten, sie stamme teilweise von Cherokee- und Delaware-Vorfahren ab. Nun kommt Warren zwar aus Oklahoma, das früher ein Indianerreservat war, wirkt aber von ihrer Physiognomie her derart rein nordeuropäisch, dass nicht nur Donald Trump (der sie deshalb als "Pocahontas" verspottet), sondern auch viele andere Amerikaner an dieser Behauptung zweifeln.

"Hohe Wangenknochen" statt DNA-Test

Debbie White Dove Porreco, eine Trump-Unterstützerin und Mattaponi-Indianerin aus einem Indianerreservat in Virginia, die tatsächliche verwandtschaftliche Verbindungen mit Pocahontas nachweisen kann und für den Disney-Film von 1995 Modell stand, hat Warren nun öffentlich dazu aufgefordert, sich einem DNA-Test zu unterziehen, der inzwischen für weniger als Hundert Dollar angeboten wird und diese Behauptung entweder stützt oder widerlegt.

Warren verweigert das bislang und verweist auf ihre "hohen Wangenknochen", die ihrer Ansicht nach indianisches Merkmal genug seien. Würde der Test keine indianischen Vorfahren ergeben, dann wäre das nicht nur schädlich für ihre politische Karriere - sie müsste auch zugeben, dass sie in ihrer akademischen Karriere unberechtigt von Affirmative-Action-Quotenvorteilen für Indianer profitiert haben könnte.

Sheriff Clarke, Oprah Winfrey und Ann Coulter

Dass Kanye West in den Präsidentschaftswahlen auf David Clarke Jr., den schwarzen Ex-Sheriff des Milwaukee County als Kandidaten der Demokraten, trifft, ist dagegen unwahrscheinlich: Der Cowboyhutträger hat sich nämlich im letzten Juni aus der Demokratischen Partei verabschiedet und den Republikaner zugewandt, weshalb eher möglich wäre, dass er und West in den Vorwahlen aufeinander treffen.

Nicht ausgeschlossen ist dagegen, dass es zu einem Duell Kanye West gegen Oprah Winfrey kommt: Die schwarze Talkmasterin und Milliardärin eruierte bereits eine Kandidatur 2020 (vgl. Promisierung der Politik), sagte dann jedoch möglicherweise nicht zuletzt deshalb ab, weil sie ihre Chancen gegen einen dann noch einmal antretenden Amtsinhaber Trump als zu gering einschätzt. Dafür könnte eine andere Frau bereits 2020 kandidieren - und zwar für Republikaner, denen Trumps Einwanderungsbeschränkung zu zögerlich vonstattengeht: Die konservative Kolumnistin Ann Coulter.