Kapital als Klimakiller

Seite 3: Produktivitätssteigerung als Brandbeschleuniger

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Entscheidend befeuert wird dieser Prozess der Weltverbrennung durch das immer höhere Produktivitätsniveau der kapitalistischen Weltwirtschaft. Es scheint auf den ersten Blick absurd, aber es sind gerade die ungeheuren Produktivitätssteigerungen der spätkapitalistischen Warenproduktion, die zur Eskalation der ökologischen Krise maßgeblich beitragen.

Da die Lohnarbeit die Substanz des Kapitals bildet, nötigen die permanenten Steigerungen der Produktivität den Spätkapitalismus dazu, die "effiziente" Verschwendung von Ressourcen und Rohstoffen ins Extrem zu treiben.

Wie schon angedeutet: im Rahmen der Kapitalverwertung sind alle ökologischen Ressourcen und Rohstoffe nur als Träger von Wert - also abstrakt menschlicher Arbeit - von Belang. Je höher aber die Steigerung der Produktivität, desto weniger abstrakte Arbeit ist in einem gegebenen Quantum Ware verdinglicht.

Wenn ein Fahrzeughersteller die Produktivität um zehn Prozent bei der Einführung eines neuen Fahrzeugmodells erhöht - was durchaus branchenüblich ist -, dann muss er auch zehn Prozent mehr Autos umsetzen, um bei gleichem Produktpreis die gleiche Wertmasse zu verwerten - oder jeden zehnten Arbeiter entlassen.

Um den Verwertungsprozess des Kapitals aufrechtzuerhalten, müssen daher bei steigender Produktivität entsprechend mehr Waren produziert und abgesetzt werden. Deswegen gilt: Je größer die Produktivität der globalen Industriemaschinerie, desto stärker auch ihr Ressourcenhunger, da die Wertmasse pro produzierter Einheit tendenziell abnimmt.

Ein Versuch, in der kapitalistischen Weltwirtschaft eine ressourcenschonende Produktionsweise einzuführen, ist somit unmöglich - er käme einer Kapitalvernichtung gleich.

Die Produktivitätssteigerung, die eigentlich zur Realisierung einer ressourcenschonenden Wirtschaftsweise unabdingbar ist, wirkt im Kapitalismus als ein Brandbeschleuniger, da hier eine blinde, funktionalistische Rationalität dem irrationalen und an seinen eskalierenden Widersprüchen zugrunde gehenden Selbstzweck uferloser Kapitalverwertung dienen muss.

Aus diesem durch Rationalisierungsschübe ins Extrem getriebenen Verwertungszwang ergibt sich die besagte Tendenz zur immer weiter beschleunigten effizienten Ressourcenverschwendung.

Dieser wachsende Widerspruch zwischen Produktivkräften und kapitalistischen Produktionsverhältnissen erklärt auch die zunehmenden Tendenzen zur geplanten Obsoleszenz beim Warendesign. Hierunter ist der beabsichtigte Verschleiß zu verstehen, der bei der Konzeption eines Produkts für einen relativ frühen Zeitraum vorgesehen wird.

Es werden beispielsweise Sollbruchstellen eingebaut. Je schneller ein Produkt nach dem Ablauf der Garantie kaputtgeht, desto schneller stellt sich die entsprechende Marktnachfrage ein, die zur Realisierung der Kapitalverwertung notwendig ist.

Der Spätkapitalismus produziert somit buchstäblich für die Müllhalde, um hierdurch der stockenden Verwertungsmaschine neue Nachfrage zu verschaffen. Dies gilt gerade für die IT-Industrie. Inzwischen ist es ja für User kaum noch möglich, selbst die Akkus der aus Aluminium gefertigten Smartphones oder Notebooks selber auszutauschen - während Ansätze zu einem modularen Design in der IT-Branche aufgegeben wurden.

Dabei sind die materiellen und technischen Bedingungen einer ökologischen Wende längst gegeben. Das enorme Produktivitätspotential, das im Rahmen der kapitalistischen Produktionsweise die Umweltzerstörung nur noch weiter beschleunigt, könnte jenseits des Kapitalverhältnisses zur Errichtung einer nachhaltigen Wirtschaftsweise beitragen.

Erst wenn die gesellschaftliche Reproduktion nicht mehr dem Selbstzweck der Kapitalverwertung untergeordnet ist, sondern direkt der Befriedigung der menschlichen Bedürfnisse dient, kann eine ökologisch nachhaltige Wirtschaftsweise errichtet werden.

Beim Kampf gegen den drohenden ökologischen Kollaps geht es somit nicht um einen reaktionären Antiproduktivismus, um eine Rückkehr zu vormodernen Produktionsweisen in archaischen Kommunen. Vielmehr müssten die produktiven Potenzen und technischen Möglichkeiten, die der Kapitalismus hervorgebracht hat, in einem ungeheuren transformatorischen Akt jenseits des Kapitalverhältnisses zum Aufbau einer nachhaltigen Gesellschaftsformation verwendet werden.

Die Produktivitätsfortschritte, die derzeit nur die kapitalistische Verbrennung der globalen Ressourcen beschleunigen, würden dann tatsächlich deren Schonung ermöglichen. Es geht letztendlich - auch im Zusammenhang mit dem Kampf gegen die Klimakrise - um die Befreiung der Produktivkräfte aus den Fesseln der kapitalistischen Produktionsverhältnisse.

Die Überwindung des in seiner Agonie regelrecht Amok laufenden Kapitalverhältnisses stellt somit eine Überlebensfrage der menschlichen Zivilisation dar. Die ökologische Bewegung müsste bei ihrer diesbezüglichen Argumentation somit nicht so sehr an die Moral der Menschen appellieren, sondern an ihren Überlebensinstinkt.

Eine längere Auseinandersetzung mit der ökologischen Schranke des Kapitals leistete der Autor in seinem Buch Kapitalkollaps. Die finale Krise der Weltwirtschaft