Kapitulation vor der Agrarchemie-Industrie?
- Kapitulation vor der Agrarchemie-Industrie?
- Glyphosat - "…sicherer als Speisesalz"
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Die US-Umweltschutzbehörde EPA winkt das umstrittene Herbizid Enlist Duo durch, das bei genmodifizierten Pflanzen zum Einsatz kommt
Die EPA hat den Weg zur Nutzung des Herbizids Enlist Duo in mehr als einem Dutzend US-Bundesstaaten freigemacht. Mais und Soja wurden durch genetische Modifikation erfolgreich dagegen resistent gemacht. Der Behörde schwebt außerdem eine Nutzung des von Dow AgroSciences hergestellten Herbizids an ebenfalls genetisch manipulierter Baumwolle vor, was einer Ausweitung der Verwendung des Produkts von 15 auf 34 Bundesstaaten gleichkäme. Vor einem Jahr noch wollte die Behörde ihre Genehmigung von 2014 aufgrund von unbekannten Risiken zurückziehen - jetzt soll die Zahl der zur Anwendung berechtigten Bundesstaaten plötzlich mehr als verdoppelt werden. Umweltschützer sind entsetzt. Für sie ist das die Kapitulation vor der Agrarchemie-Industrie.
2010 gab Dow bekannt, genetisch veränderte Sojabohnen geschaffen zu haben, die gegenüber dem Herbizid 2,4-D resistent sind und sich deshalb damit behandeln lassen, ohne dabei einzugehen. Dieses Schicksal ist den ebenfalls auf den Feldern anzutreffenden Ziel-Unkräutern zugedacht, denen der Chemieeinsatz gilt. Die neuen Dow-Pflanzen sollen eine Alternative zu Roundup Ready-Saatgut werden.
Ursprünglich wurden diese genetisch modifizierten Nutzpflanzen mit ähnlichem Ziel kreiert. Doch Unkräuter zeigen eine zunehmende Resistenz gegenüber dem hinter Roundup Ready stehenden Herbizid Glyphosat. Nach Dow-Angaben sind allein in den USA mittlerweile 340.000 Quadratkilometer Ackerland mit Glyphosat-resistenten Unkräutern durchsetzt - das entspricht nahezu der Flächenausdehnung der Bundesrepublik Deutschland. Das von der EPA 2014 registrierte Enlist Duo ist für Nutzpflanzen gedacht, die durch genetische Manipulation in die Lage versetzt wurden, eine Behandlung mit 2,4-D und Glyphosat gleichzeitig zu überstehen.
Das Herbizid 2,4-D war zunächst zur chemischen Kriegsführung entwickelt worden
Die beiden Hauptbestandteile des herbiziden Doppelpacks Enlist Duo sind schon als jeweilige Einzelverbindungen umstritten. 2,4-D oder 2,4-Dichlorphenoxyessigsäure wurde von den westlichen Alliierten im Rahmen eines geheimen Forschungsprojekts während des Zweiten Weltkriegs entwickelt.
Es war wie andere Verbindungen ursprünglich zur chemischen Kriegsführung gedacht und sollte Ernten in Deutschland und Japan vernichten, erwies sich jedoch für diesen Zweck als ungeeignet. Es ist seit 1945 als Pflanzenschutzmittel im Handel und eines der ältesten und am weitesten verbreiteten Herbizide weltweit. Es war das erste Herbizid, das selektiv Unkräuter abtötete und Nutzpflanzen weitestgehend unberührt ließ. Mehr als 1500 Pflanzenschutzpräparate tragen heute 2,4-D als Wirkstoff in sich.
Die Verbindung wurde von der der WHO angeschlossenen Internationalen Agentur für Krebsforschung (IARC) 2015 als "möglicherweise krebserregend" eingestuft. Damit bestätigte die Organisation ihre Einschätzung von 1987. Die EPA konnte 2007 keine Verbindung zwischen 2,4-D-Nutzung und Krebs bei Menschen herstellen. Ein wissenschaftliches Panel kam 1995 zu keiner einheitlichen Meinung, doch keiner der Teilnehmer sah 2,4-D als nachweislichen oder wahrscheinlichen Krebsauslöser beim Menschen an. Möglich, ja - aber wahrscheinlich?
Einige der 2,4-D-Ester sind für aquatische Lebensformen stark giftig. Das gehandelte Produkt ist oft durch Dioxine verunreinigt. 2,4-D war ein Bestandteil des von den US-Amerikanern im Vietnam-Krieg eingesetzten Entlaubungsmittel Agent Orange.
Produkte mit leicht flüchtigen 2,4-D-Estern sind aufgrund der von ihnen für die Umwelt ausgehenden Gefahren in Europa und Nordamerika seit Jahren verboten. In Enlist Duo wird das Cholin-Salz von 2,4-D eingesetzt, das nur sehr wenig flüchtig ist und so das Verdriften in der Luft einschränkt.