Kapitulation vor der Agrarchemie-Industrie?
Seite 2: Glyphosat - "…sicherer als Speisesalz"
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Weiterer Bestandteil von Enlist Duo ist Glyphosat. Das 1974 zur Anwendung als Herbizid registrierte Glyphosat findet sich heute in mehr als 750 Pflanzenschutzmitteln, darunter als Wirkstoff in Monsantos "Roundup". 2015 hatte die IARC ihre Risikoeinschätzung für Glyphosat als "wahrscheinlich krebserregend für Menschen" neu bewertet - ein Schock für viele, denn Glyphosat ist als populärster Unkrautvernichter eine tragende Säule der intensiven Landwirtschaft weltweit - allein 2014 kamen 814.000 Tonnen auf die Nutzflächen der Welt.
Und es galt als eines der sichersten Herbizide überhaupt - "sicherer als Speisesalz". Für Monsanto ist die IARC-Einschätzung ein Ergebnis von "junk science": Das Unternehmen hat die WHO aufgefordert, sich mit weltweiten Glyphosat-Arbeitsgruppen und Regulierungsbehörden in Verbindung zu setzen, um zu ergründen, welche Studien in die Analyse Eingang fanden, und welche nicht.
Pestizid-Experten der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) und der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sowie eine von der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) eingeladene Expertengruppe kamen jeweils zum Schluss, dass Glyphosat wahrscheinlich nicht krebserregend ist. Ein EPA-Report von 2016 wartete mit einem ähnlichen Ergebnis auf. Eine Entscheidung darüber, ob Glyphosat letztlich als krebserregend oder genotoxisch einzustufen ist, hängt stark von verfügbaren Informationen und deren Auswertung ab. In Europa tobt unterdessen eine politische Schlacht um die Frage, ob die Substanz auch künftig verwendet werden kann. Die EU-Kommission hat die auslaufende Genehmigung im Juni 2016 zunächst bis Ende 2017 verlängert.
Enlist Duo
Enlist Duo wurde von der EPA erstmals im Oktober 2014 als Herbizid zuerst in sechs Bundesstaaten zugelassen, für die Behandlung von speziell dafür genetisch angepasstem Mais und Soja. 2015 kamen neun weitere Bundesstaaten hinzu.
Die EPA beantragte auf Druck von Umweltschutzgruppen wenig später ein Aussetzen der Genehmigung, da der Hersteller Dow AgroSciences Daten zu synergistischen Effekten der beiden Bestandteile zurückgehalten hätte. Im Januar 2016 wies ein Bundesberufungsgericht dieses Ansinnen ab. Dow gab bekannt, dass das Produkt für die Saison 2016 in 16 Bundesstaaten und in Kanada zur Verfügung stünde.
Die EPA begutachtete die von Dow nachgereichten Daten und konnte keine Synergien in Form gesteigerter Toxizität gegenüber Pflanzen feststellen. Deshalb böte die Mischung auch keinen Grund zur Besorgnis.
Dow hatte zuvor in einer patentierten Anwendung von synergistischen Effekten berichtet. Doch die Behauptungen fußten auf begrenzten Daten. Nun hat Dow neue Daten gesammelt, die zeigten, dass beide Verbindungen nicht für eine Verstärkung ihrer jeweiligen Toxizität sorgten.
Umweltgruppen, die bereits 2015 die EPA-Genehmigung von Enlist Duo mit einer Klage bedacht hatten, sind entsetzt. Die Entscheidung wird einen starken Anstieg des 2,4-D-Austrags in die Umwelt zur Folge haben. Das Landwirtschaftsministerium der Vereinigten Staaten hält bis 2020 eine Verdreifachung der aktuellen Menge für möglich. Entgegen der oft geäußerten Meinung, dass genetisch modifizierte Nutzpflanzen die Menge nötiger Herbizide verringern würden, hat die fortschreitende Resistenz von Unkräutern gegenüber Glyphosat genau das Gegenteil bewirkt.
Monsanto hatte 1993 beim US-Landwirtschaftsministerium Glyphosat-resistente Sojabohnen zur Zulassung beantragt. Es galt damals als so gut wie ausgeschlossen, dass Unkräuter Resistenzen gegen Glyphosat entwickeln würden. Doch genau das war 2015 bereits bei 32 verschiedenen Unkrautarten der Fall. Die Wissenschaftler bei Monsanto zeigten sich überrascht, schließlich war es für sie äußerst schwierig gewesen, Nutzpflanzen soweit genetisch zu verändern, dass sie das Herbizid wunschgemäß tolerierten - Monsanto-intern sprach man auch vom "Manhattan Project". Die Natur fand in den Unkräutern andere Lösungen als die, die die Wissenschaftler in ihre manipulierten Pflanzen eingebaut hatten. Es wird wohl nur eine Frage der Zeit sein, bis auch Enlist Duo ein Update brauchen wird.
Die EPA gestattet bis zum 1. Dezember 2016 Eingaben zum Vorschlag über die Ausdehnung der Enlist Duo-Nutzung auf weitere Bundesstaaten.