Kartellrecht: Werden in Deutschland künftig Extra-Gewinne von Konzernen abgeschöpft?

Der Gesetzentwurf soll am Mittwoch das Bundeskabinett passieren. Das Kartellamt soll damit leichter in das Marktgeschehen eingreifen können – allerdings erst nach Jahren.

Die Bundesregierung möchte die Befugnisse des Bundeskartellamtes ausweiten und ihm eine Macht verleihen, die es bisher nicht kannte. Künftig soll es Gewinne leichter abschöpfen können, die Unternehmen durch wettbewerbswidriges Verhalten erzielten.

Die Wettbewerbshüter sollen aber auch leichter in das Marktgeschehen eingreifen können und – als letztes Mittel – auch Konzerne zerschlagen dürfen. Die Süddeutsche Zeitung und das Handelsblatt berichteten am Dienstag über einen entsprechenden Gesetzentwurf, der schon am Mittwoch vom Bundeskabinett verabschiedet werden soll.

Im vergangenen Jahr hatte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) den Gesetzentwurf angekündigt. Damals war für alle ersichtlich, dass Unternehmen und Konzerne nicht in erster Linie der Gesellschaft dienen, sondern nach Profit streben – auch auf Kosten der Allgemeinheit.

Besonders deutlich wurde dies durch das Verhalten der Energiekonzerne. Im Frühsommer 2022 stiegen die Spritpreise immer weiter, obwohl die Ölpreise schon wieder zurückgingen und die Bundesregierung mit der sogenannten Spritpreisbremse die Verbraucher unterstützte.

Fehlender Wettbewerb zwischen Tankstellen und Raffinerien hätte das möglich gemacht, heißt es im Handelsblatt. Wie dem auch sei – das Bundeskartellamt konnte damals nicht eingreifen, weil keine illegalen Preisabsprachen nachgewiesen werden konnten.

Während der Staat vor dem Treiben der Konzerne kapitulieren musste, wurde die Forderung nach einer Übergewinnsteuer populär. Mit dem Gesetzentwurf kommt die Bundesregierung diesem Drängen nun in gewisser Hinsicht entgegen.

Die Kartellbehörde ist auch nach der aktuellen Gesetzeslage berechtigt, Gewinne aus wettbewerbswidrigem Verhalten abzuschöpfen. Im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) gibt es dafür die rechtliche Grundlage. Nur: Die Behörde hat sie bisher nicht ein einziges Mal genutzt, heißt es in der Süddeutschen Zeitung, weil die rechtlichen Hürden dafür zu restriktiv sind.

Das soll sich jetzt ändern. Die Regelverletzung muss in Zukunft nicht mehr nachgewiesen werden; es reicht aus, sie zu vermuten. Der wirtschaftliche Vorteil, der durch die Regelverletzung entstanden ist, muss künftig auch nicht mehr exakt berechnet werden; eine Schätzung soll an dieser Stelle ausreichend sein.

Die geplante Neuerung soll das Problem beheben, dass eine Abschöpfung bislang schon daran scheitern konnte, dass die Ermittlung des exakten Vorteils schlicht zu komplex war. In der Praxis habe sich gezeigt, heißt es in dem Entwurf, dass es eine Vielzahl von Fallkonstellationen gebe, die "zweifellos" einen wirtschaftlichen Vorteil generierten - die konkrete Bezifferung aber falle äußerst schwer oder sei "unmöglich in Geld auszudrücken". Nun soll das Bundeskartellamt stattdessen ein "effektives Instrument" zur Verfügung gestellt bekommen.

Süddeutsche Zeitung, 04.04.2023

Der Bericht des Handelsblatts wirft allerdings die Frage auf, ob die neuen Regeln wirklich so effizient sind, wie die Bundesregierung im Gesetzentwurf glauben machen will. Die Änderungen, welche die FDP-geführten Ministerien für Finanzen und Justiz, in den Verhandlungen mit Habeck durchgesetzt haben, lassen Zweifel aufkommen.

Demnach darf das Bundeskartellamt künftig nur eingreifen, wenn der Wettbewerb in einem Markt "erheblich und fortwährend" gestört ist. Hinter dieser Formulierung verbirgt sich: Die Störung muss drei Jahre lang aufgetreten sein und es muss anzunehmen sein, dass sie noch mindestens zwei Jahre anhält.

Aus Sicht des Bundesfinanzministeriums trägt das "zu mehr Vertrauensschutz und Rechtssicherheit" bei. In der Praxis dürfte es allerdings dem Staat für mindestens drei Jahre die Hände binden, wenn Konzerne in einer gesellschaftlichen Krise wieder einmal darangehen, auf Kosten der Allgemeinheit Extraprofite einzufahren.

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