Katalonien: Unabhängigkeitsbefürworter erzielen absolute Mehrheit

Die Sieger der Wahl: der ins Exil getriebene Carles Puigdemont mit seiner Liste Junts per Catalunya (JxCat) und der im Gefängnis sitzende Oriol Junqueras von der ERC. Bild: governlegitim.org

Stärkste Partei werden zwar die rechten Ciudadanos, aber nun müssen Madrid und die EU ihre Haltung überdenken

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Die demütigende Haltung der spanischen Rechtsregierung gegenüber den Katalanen, indirekt unterstützt durch die EU, hat Folgen. Madrid hat die katalanische Regierung abgesetzt, einige Politiker inhaftiert, Bürgermeister mit Haftstrafen bedroht und Neuwahlen angeordnet. Wohl mit der Hoffnung, dass sich eine Mehrheit der Menschen in Katalonien gegen die Unabhängigkeit und damit gegen die Parteien ausspricht, die eine Unabhängigkeit nach dem für Madrid ungültigen Referendum anstreben.

Wie sich jetzt zeigt, ist die Wahlbeteiligung angestiegen, 80 Prozent der Wahlberechtigten haben an dem Werktag ihre Stimme abgegeben. Die Rechten, die PP und vor allem die Ciudadanos (Ciutadans), haben auf eine hohe Wahlbeteiligung gesetzt. Für die Ciudadanos hat sich dies ausgezahlt, sie werden nach den bislang ausgezählten Stimmen (mehr als 90 Prozent) wohl zur stärksten Partei, allerdings nur knapp. Sie könnten 36 Sitze in dem Parlament mit 135 Abgeordneten erzielen, nur zwei mehr als für die Unabhängigkeit eintretenden Junts per Catalunya (JxCat) mit 34 Sitzen, die Liste von Carles Puigdemont, der im Exil in Brüssel ist, und ERC mit 32 Sitzen, deren Vorsitzender Oriol Junqueras ist weiter in Haft. Die CUP erhält nur 4 Sitze, ebenso viele wie die PP. Die gegen die Unabhängigkeit eintretenden Sozialisten könnten 17 Sitze erhalten. Die linke Catalunya en Comú, der die Bürgermeisterin von Barcelona, Ada Colau, angehört und die nur für ein Referendum, aber nicht für die Unabhängigkeit eintritt, könnte 8 Sitze erhalten.

Damit zeichnet sich ab, dass die Unabhängigkeitsbefürworter in Katalonien die absolute Mehrheit erreichen werden. Konnte man beim als illegal bezeichneten Referendum noch sagen, dass an ihm nicht einmal die Hälfte der Katalanen teilgenommen hat, so zeigt die hohe Wahlbeteiligung und die absolute Mehrheit der Unabhängigkeitsbefürworter bei der von Madrid verordneten Wahl, dass mit Repression und Ausreden nun Schluss sein muss.

Interessant wird nicht nur sein, wie Madrid auf den Sieg der Unabhängigkeitsvertreter reagiert, also ob nun doch eine Dialogbereitschaft beginnt, weil sich nun Gewalt, wie schon angedroht, nicht mehr anwenden lässt. Werden die gewählten "politischen Gefangenen" freigelassenen und die im Exil befindlichen von Strafverfolgung verschont? Und interessant wird auch sein, wie sich nun die EU positionieren wird. Vermutlich wird es nicht mehr möglich sein, das als innerspanischen Konflikt abzutun. Die EU wird Stellung beziehen müssen, ob sie Sezessionen nach Volkes Willen anerkennt oder sich über die Köpfe der Menschen hinwegsetzen will.