Katastrophenjahr: Die größten Verlierer auf der Weltbühne 2023

Seite 2: Verlierer, die wir vielleicht übersehen haben ...

Das armenische Volk: Jeder einzelne Armenier – etwa 100.000 – wurde im Oktober von Aserbaidschan aus dem umstrittenen Gebiet Berg-Karabach vertrieben. Anfang des Jahres hatten Aserbaidschan und Armenien zugesagt, nach jahrzehntelangem Konflikt auf Frieden hinzuarbeiten.

Doch die Hoffnungen schwanden, als Aserbaidschan seine erdrückende Blockade von Waren und humanitärer Hilfe für die Armenier in der Region fortsetzte. Eine im September eingeleitete aserbaidschanische Militäroperation führte zur endgültigen Übernahme des umstrittenen Gebiets und zur Vertreibung der Armenier innerhalb weniger Tage zurück nach Armenien.

Afrikanische Putsch- und Bürgerkriegsopfer: In Westafrika kam es in diesem Jahr zu einer Reihe von Putschen, darunter zwei weitere in Niger und Gabun. In Niger stürzte das Militär im Juli Präsident Mohamed Bazoum und sperrte ihn und seine Familie in den Keller des Palastes, wo sie bis heute leben.

Niger und Co.

Niger ist neben Burkino Faso und Mali das Epizentrum von Massengewalt und Vertreibung in der Region und eines der schlimmsten Konflikt- und humanitären Katastrophengebiete der Welt", so Alex Thurston, Non-Resident Fellow des Quincy Institute. In Gabun ergriff das Militär im August die Macht und stürzte Präsident Ali Bongo, der gerade erst wiedergewählt worden war.

Währenddessen brach im April im Sudan ein blutiger Bürgerkrieg aus, der sich bald zu einem Stellvertreterkrieg regionaler Interessen entwickelte, in dessen Kreuzfeuer natürlich auch die sudanesische Bevölkerung geriet.

In dem Konflikt stehen sich General Abdel Fattah al-Burhan (selbst ein Putschist) und sein Stellvertreter und Chef der schnellen Eingreiftruppen, General Mohamed Hamdan Dagolo, genannt Hemedti, gegenüber. Im Juni führten die Kämpfe in der Hauptstadt Khartum zu zahlreichen Toten, massiven Sachschäden und einer Abwanderung von etwa 100.000 Menschen ins Ausland.

Ach, du liebes Schweden ...

Die Kämpfe dauern nicht nur an, sondern weiten sich aus, gefährden Millionen von Zivilisten und stürzen das ganze Land in eine humanitäre Katastrophe. Die USA scheinen diplomatisch nur noch wenig zu bieten zu haben.

Schweden: Das nordeuropäische Land will in die Nato. Doch was als ausgemachte Sache erschien – der Beitritt war mit der regionalen Sicherheit und der Einheit des Westens nach dem russischen Einmarsch in der Ukraine im Jahr 2022 verknüpft – ist zum Opfer staatenübergreifender Politik und Schuldzuweisungen geworden.

Obwohl Schweden derzeit dem Beitritt Finnlands zum Bündnis einen Schritt näherzukommen scheint, nutzt die Türkei weiterhin ihren Einfluss als Nato-Mitglied, um F-16-Kampfjets von den USA zu erhalten und Schweden zu zwingen, seine Anti-Terror-Gesetze zu ändern. Auch Ungarn hat seine Abstimmung hinausgezögert und Schweden beschuldigt, "eklatante Lügen" über den Zustand der ungarischen Demokratie zu verbreiten.

Die Steuerzahler als Melkkuh

Der US-Steuerzahler: Bevor der Kongress in die Ferien ging, verabschiedete er im Rahmen des National Defense Authorization Act (NDAA) für das Jahr 2023 Verteidigungsausgaben in Höhe von 886 Milliarden Dollar.

Diese Mittel sind die höchsten seit dem Zweiten Weltkrieg und werden, wie William Hartung vom Quincy Institute betont, hauptsächlich für "teure, dysfunktionale Waffensysteme verwendet, die für die Bewältigung aktueller Herausforderungen ungeeignet sind".

Abgesehen von einer Gehaltserhöhung für das Personal ist die Erhöhung um drei Prozent gegenüber dem Vorjahr ein Segen für die Rüstungsindustrie (die in diesem Jahr in einem wichtigen Bericht von 60 Minutes der Ausbeutung der Steuerzahler beschuldigt wurde) und die Mitglieder des Kongresses, die sie lieben.

Wie Responsible Statecraft bereits mehrfach berichtet hat, spiegelt der Verteidigungshaushalt keine solide Militärstrategie oder gar das nationale Interesse wider, sondern eine Wunschliste von Unternehmern und Politikern, die von der Finanzierung teurer Programme profitieren, die in einigen Fällen, wie dem Osprey-Flugzeug, die amerikanischen Truppen in echte Gefahr bringen. Erschwerend kommt hinzu, dass das Pentagon immer noch keine Rechnungsprüfung bestehen kann.

Und diese Leute ...

Jake Sullivan: Bidens Nationaler Sicherheitsberater verfasste einen Artikel in Foreign Affairs mit dem Titel "The Sources of American Power" (Die Quellen der amerikanischen Macht), ein 7.000 Wörter langer Versuch, den Umgang der Biden-Administration mit den aktuellen geopolitischen Ereignissen in das beste Licht zu rücken.

Leider war er, wie ein Großteil des außenpolitischen Konzepts des Weißen Hauses in den letzten drei Jahren, nicht auf der Höhe der Zeit.

Sullivan räumte ein, dass es im Nahen Osten "immerwährende Herausforderungen" gebe, sagte aber, dass "die Region so ruhig ist wie seit Jahrzehnten nicht mehr" und "wir die Spannungen in Gaza deeskaliert und die direkte Diplomatie zwischen den Parteien wiederhergestellt haben".

Alles ruhig

Der Artikel wurde am 2. Oktober, fünf Tage vor den Hamas-Angriffen auf Israel, zum Druck geschickt. "Man kann von niemandem erwarten, dass er die Zukunft vorhersagt, aber der Essay bietet einen seltenen Einblick in die Art und Weise, wie die Vereinigten Staaten eine explosive Situation im Nahen Osten missverstanden haben", schrieb die New York Times, die darauf hinwies, dass die peinlichen Kommentare später aus der Online-Ausgabe von Foreign Affairs entfernt wurden. Sullivan hatte sich jedoch den ganzen Herbst über öffentlich in diesem Sinne geäußert.

US-Generäle: In diesem Jahr mussten die pensionierten Generäle und Admiräle, die große Töne über die ukrainische Gegenoffensive und das Versagen des russischen Militärs gespuckt hatten, ihre Worte heimlich herunterschlucken. Besondere Aufmerksamkeit sollte man all diesen vier Sternen und Flaggen (Petraeus, Stavridis, Keene, McCaffrey, Hodges usw.) widmen, die unablässig in den großen Medien auftauchen und falsche strategische Einschätzungen abgeben, die nie korrigiert werden. Sie tauchen einfach im nächsten Konflikt wieder auf.

Navy-Kryptologe

Malcolm Nance: Der ehemalige Navy-Kryptologe, einer der auffälligsten Pro-Ukraine-Kommentatoren auf den großen Kabelsendern und auf Twitter, verließ MSNBC im Jahr 2022, um bei der Ausbildung der Internationalen Legion ausländischer Freiwilliger in der Ukraine zu helfen.

In seinen Videos und Tweets prahlte er mit seiner Mission – in der Regel in Uniform und mit Waffen ausgestattet, um angeblich aus dem Kampfgebiet zu berichten – und zog eine große Anhängerschaft von Pro-Ukraine-Partisanen an.

Dann ließ eine Enthüllung der New York Times die Bombe platzen: Nance war in Gezänk und Chaos verwickelt und gehörte zu den Außenseitern in der Ukraine, die "mit sich selbst kämpften und die Kriegsanstrengungen untergruben." Er verließ das Land und ist immer noch als Kommentator tätig – auf seinem kostenpflichtigen Abonnement-Substack.

Jetzt hat er sich auf den Gaza-Krieg verlegt, einschließlich eines (einwöchigen) Besuchs in den Golfstaaten im Oktober, und schreibt Beiträge wie "Fragen Sie sich, sind Sie wirklich für Palästina oder hassen Sie nur Juden?" und wirft, ganz wie seine Pro-Ukraine-Twitter-Persona von 2022, Kritikern Israels "fehlgeleitete, schlecht informierte Kurzsichtigkeit und latenten Antisemitismus" vor.

Der Artikel erscheint in Kooperation mit Responsible Statecraft. Hier geht es zum englischen Original. Übersetzung: David Goeßmann.