Kehrtwende in Sachen Einsatz der Bundeswehr im Innern?
Bundesinnenministerium sieht Polizei und Spezialeinheiten nun doch gut genug gerüstet, um auch mit einem größeren Terroranschlag fertig zu werden
Das Fähnchen im Wind - es weht vor sich hin. Nachdem über Monate politische Funktionsträger immer wieder betont haben, wie zwingend notwendig der Einsatz der Bundeswehr im Innern bei außergewöhnlichen Vorfällen, wie etwa einer größeren terroristischen Bedrohungslage sei, rudert das Innenministerium zurück.
Dieses erklärt nun, man habe "unter Berücksichtigung der Erfahrung von Terrorlagen im europäischen Ausland" festgestellt, dass die Polizei und ihre jeweiligen Spezial- und Sondereinheiten auch für "mögliche Anschläge mit Kriegswaffen", die von Terroristen ausgeübt würden, "angemessen ausgestattet" sei.
Das berichtet Spiegel Online unter Berufung auf eine Antwort des Innenministeriums auf eine entsprechende Anfrage der Grünen. Das Nachrichtenportal merkt an, dass sich die Bundesregierung in der Antwort "auffällig zurückhaltend, was einen möglichen Einsatz der Bundeswehr im Innern betrifft", verhalte. Ausdrücklich verweise die Bundesregierung in der Antwort darauf, dass der Amoklauf von München im Juli dieses Jahres nicht als "besonders schwerer Unglücksfall" zu betrachten sei, der den Einsatz der Bundeswehr erforderlich gemacht hätte.
Weiter heißt es, in der Antwort komme zum Ausdruck, dass die Bundesregierung eine Zusammenarbeit zwischen Polizei und Feldjägern eng begrenze. Allenfalls sei denkbar, dass bei schweren Terroranschlägen die Bundeswehr Absperrmaterial und Sprengstoffspürhunde zur Verfügung stelle.
Noch vor einigen Wochen hieß es, die Bundeswehr sollte bei entsprechenden Terrorlagen auch dafür zuständig sein, Straßensperren zu errichten und Gebäude zu sichern. In der Antwort an die Grünen sei aber von diesen Plänen "keine Rede" mehr.
Die Kehrtwende der Bundesregierung kommt überraschend. Wer die Äußerungen politisch Verantwortlicher zum Einsatz der Bundeswehr im Innern in den vergangenen Monaten beobachtet hat, dürfte zu dem Schluss gekommen sein, dass bei einem großen Terroranschlag die Anforderung der Bundeswehr alternativlos ist.
Der Chef der Innenministerkonferenz (IMK), der saarländische Innenminister Klaus Bouillon (CDU), hatte im Juli noch gesagt (Vorbereitungen: Bundeswehreinsatz im Innern): "Hätte es in München eine Terrorlage mit drei Tätern an drei Orten gleichzeitig gegeben, vielleicht mit Geiselnahmen, dann wäre die Polizei sehr schnell an ihre Grenzen gestoßen. In einem solchen Fall müssen wir die Ressourcen nutzen, die wir haben."
Und selbst Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen betonte vor gerade einmal sechs Wochen, es sei "wichtig und richtig", dass sich Deutschland mit einem Einsatz der Bundeswehr bei einem terroristischen Anschlag auseinandersetze: "Wir alle hoffen ja, dass es nie zu einem Großszenario kommt, der den Einsatz der Bundeswehr im Inneren erfordert. Paris hat uns allen die Augen geöffnet. Mir ist die Skepsis jetzt lieber als später der Vorwurf, wir seien nicht vorbereitet gewesen."
Der stellvertretende SPD-Vorsitzende und Hamburger Bürgermeister Olaf Scholz hatte sich hingegen kritisch in Sachen Einsatz der Bundeswehr im Innern geäußert: "Die Polizei ist gut aufgestellt. In München und Ansbach haben sie gezeigt: Die können das. Der Ruf nach der Bundeswehr ist deshalb respektlos gegenüber der Polizei."
Laut Spiegel Online sehen die Grünen in der Kehrtwende der Bundesregierung einen Offenbarungseid: "Die Bundesregierung räumt ja selber ein, dass die aktuelle terroristische Bedrohung polizeiliches Handeln und keine originären Fähigkeiten der Bundeswehr notwendig macht. Daher fordern wir die Bundesregierung auf, endlich das Säbelrasseln einzustellen", so die grüne Innenexpertin Irene Mihalic.
Was das nun aber für die groß angekündigte gemeinsame Übung von Polizei und Bundeswehr bedeutet, die im kommenden Jahr stattfinden soll, ist unklar. Einerseits setzt sich die Bundesregierung dafür ein, dass Polizei und Bundeswehr im Rahmen einer Stabsübung den gemeinsamen Einsatz im Falle einer terroristischen Großlage üben, andererseits wird nun bekannt, die Bundesregierung ist der Auffassung, Polizei und Spezialeinheiten seien ausreichend ausgebildet und ausgestattet, um auch mit schweren terroristischen Anschlägen fertig zu werden.