Kein Anschluss unter dieser Nummer
Der Europäische Gerichtshof ist dabei, die bisherige deutsche Rechtsprechung zu kippen: Ein Online-Diensteanbieter muss neben der Angabe der elektronischen Post nicht noch für einen zweiten Kommunikationsweg sorgen, erklärte der Generalanwalt
Im vergangenen Jahr legte der Bundesgerichtshof (BGH) dem Europäischen Gerichtshof in Luxemburg (EuGH) die Frage vor, ob im Impressum eines Online-Shops eine Telefonnummer enthalten sein muss. Am Donnerstag empfahl Generalanwalt Damaso Ruiz-Jarabo Colomer in seinem Schlussantrag, die verbraucherschutzrechtlichen Argumente für die Geltung einer solchen Pflicht zu verwerfen. Mit der Verkündung des Urteils wird innerhalb der kommenden drei Monate gerechnet.
„Ein Diensteanbieter ist nach Art. 5 Abs. 1 Buchstabe c der Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt nicht verpflichtet, vor Vertragsabschluss eine Telefonnummer zur Information der Verbraucher anzugeben“, begründete Colomer vor dem Europäischen Gerichtshof in Luxemburg. Ebenso wenig sei der Diensteanbieter nach dieser Bestimmung verpflichtet, „neben der Angabe der Adresse der elektronischen Post für einen zweiten Weg zu sorgen, um Anfragen des Nutzers entgegenzunehmen, sofern der Weg der elektronischen Post angemessen und ausreichend ist, um einen schnellen Kontakt herzustellen und eine unmittelbare und effiziente Kommunikation einzuleiten.“
Nach dem am Donnerstag in Luxemburg verlesenen Schlussantrag des Generalanwalts Damaso Ruiz-Jarabo Colomer ist damit zu rechnen, dass sich der EuGH seiner Begründung anschließen wird. Demnach soll dem Gerichtshof mitgeteilt werden, dass „weder ausdrücklich noch implizit die Veröffentlichung einer Telefonnummer auf der Webseite des Diensteanbieters verlangt“ werden kann, „obwohl die Vorschrift ausdrücklich die Herstellung eines Kontaktes durch elektronische Post erwähnt“. Damit würde sich der EuGH der Haltung der Europäischen Kommission anschließen, „da eine schnelle, effiziente und unmittelbare elektronische Kommunikation genügt, um den von der Richtlinie geforderten qualifizierten Zugang verfügbar zu machen, ohne dass ein zweiter Weg der Kontaktaufnahme mit dem Anbieter eröffnet werden müsste“. Die fragliche Vorschrift sei „daher in dem Sinne zu verstehen, dass die Internetseite zumindest die Adresse der elektronischen Post enthalten muss“. Gemäß dieser Auslegung wäre ein zusätzlicher Mechanismus nur hinzuzufügen, wenn die E-Mail diese Art Verbindung nicht gewährleisten könnte, begründete Colomer.
Konkret geht es um folgenden Fall: Die Beklagte, ein Versicherungsunternehmen, bietet Kraftfahrzeugversicherungen an. Sie wirbt Kunden ausschließlich über das Internet. Auf ihren Internetseiten gibt die Deutsche internet versicherung AG ihre Postanschrift und ihre E-Mail-Adresse, nicht aber ihre Telefonnummer an. Individuelle Fragen kann ein Interessent über eine Internet-Anfragemaske an die Beklagte richten. Die Antworten versendet das Unternehmen per E-Mail. Ihre Telefonnummer teilt sie Kunden erst nach Abschluss eines Versicherungsvertrags mit. Der Kläger, der Bundesverband der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände - Verbraucherzentrale Bundesverband e.V., machte daraufhin geltend, das Versicherungsunternehmen sei verpflichtet, im Rahmen ihres Internetauftritts eine Telefonnummer anzugeben. Nur so sei die gesetzlich vorgesehene unmittelbare Kommunikation zwischen einem Interessenten und der Beklagten gewährleistet. Der Verein beantragte deshalb im Verfahren vor dem BGH, die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, Endverbrauchern im Internet unter der Online-Adresse Angebote von Versicherungsleistungen zu unterbreiten und die Möglichkeit des Abschlusses von Versicherungsverträgen anzubieten, ohne durch Angabe einer Telefonnummer die unmittelbare Kommunikation des Verbrauchers mit dem Versicherer zu ermöglichen.
Diese Pflicht ergibt sich nicht unmittelbar aus dem Gesetz, überwiegend wird jedoch die Pflicht zur Nennung der Telefonnummer in der bisherigen Rechtssprechung bejaht. Um die damit verbundenen Mehrkosten zu kompensieren, nutzen einige Händler so genannte Mehrwertdienstenummern, z.B. beginnend mit 01805. Solche Nummern werden auch für Service-Hotlines unabhängig vom Web-Impressum genutzt. Bereits heute muss bei Mehrwertdienstenummern der für die Inanspruchnahme zu zahlende Preis zeitabhängig je Minute bzw. zeitunabhängig je Anruf genannt werden. Der Rechtsprechung genügt bislang die Angabe des Festnetzpreises der Deutschen Telekom.
Zum 1. September 2007 trat das neue § 66a Telekommunikationsgesetz (TKG) in Kraft und verschärfte die Preisangabepflicht in der Werbung. Mit ihm wurden die mit den Vorschriften des Gesetzes zur Bekämpfung des Missbrauchs von 0190-/0900er Mehrwertdiensterufnummern normierten Vorgaben fortgeschrieben und ausgeweitet. In den §§ 66a ff. TKG finden sich darüber hinaus Bestimmungen zu Preisangabe, -ansage, -höchstgrenzen, sowie der Pflicht zur Verbindungstrennung bei bestimmten Diensten und Regelungen zu Dialern.
Damit wurde zugleich festgeschrieben, dass, wenn für die Inanspruchnahme des Mehrwertdienstes für Anrufe aus den Mobilfunknetzen andere Preise als aus dem Festnetz der Deutschen Telekom AG (DTAG) gelten, der Festnetzpreis künftig um einen Hinweis auf die Möglichkeit abweichender Preise für Anrufe aus den Mobilfunknetzen zu ergänzen (§ 66a Satz 5 TKG) ist. Sämtliche Preisangaben müssen gut lesbar, deutlich sichtbar und in unmittelbaren Zusammenhang mit der 0180er-Nummer erfolgen, das heißt unmittelbar neben der Nummer zu finden sein.
Schon vor der erweiterten Informationspflicht vom 1.September 2007 wurden Verstöße gegen die bestehende Pflicht zur Nennung der Preise bei Anrufen aus dem Festnetz der DTAG abgemahnt. Die seinerzeit erwartete verstärkte Abmahnwelle blieb jedoch weitgehend aus. Vor allem die Verbraucherschutzverbände hatten sich im bundesdeutschen Gesetzgebungsverfahren besonders für die Neuregelungen eingesetzt und – durchaus berechtigt - auf die Missbrauchsrate der Mehrwertdienstenummern in der Vergangenheit hingewiesen.