(Kein) Klimawandel in den USA
Während sich in den USA die Anzeichen für einen Wandel in der Klimapolitik mehren, steckt die Bush-Regierung weiter den Kopf in den Sand
Nach dem großen Erfolg des Aufklärungsfilms „An inconvenient Truth“ von Al Gore und dem überragenden Sieg der Demokraten bei den Parlamentswahlen brodelt jenseits des Atlantiks eine lebhafte Debatte. Klimaschutz liegt in der Luft. Nur US-Präsident George W. Bush erweist sich mal wieder ganz als Mann des Big Oils.
Viel Neues war für seine State-of-the-Union-Rede angekündigt, die er am Dienstagabend (Ortszeit) hielt. Doch das Thema Klimawandel wurde nur am Rande gestreift, und auf die jüngste Diskussion, die nicht zuletzt durch die Wetterkapriolen angeheizt worden war, ging Bush überhaupt nicht ein. Auch der internationale Verhandlungsprozess in Sachen Klimaschutz blieb vollkommen unerwähnt.
Eine gewisse Rolle spielte in der Bush-Rede allerdings die Energieversorgung, in die das Klima-Thema eingeflochten wurde. Dagegen ist natürlich nichts einzuwenden, denn Klimaschutz ist vor allem eine Frage der Energiepolitik. Das wichtigste Treibhausgas, Kohlendioxid, entsteht vor allem durch die Verbrennung fossiler Brennstoffe. Klima diente Bush in diesem Zusammenhang allerdings lediglich als rhetorische Floskel. Er will eine neue Generation von Atomkraftwerken fördern, „saubere Kohle“ vorantreiben und vor allem nachwachsenden Rohstoffen einen größeren Markt verschaffen.
Windenergie und Fotovoltaik werden zwar in seiner Rede kurz erwähnt, aber die Erläuterung der verschiedenen Energieprogramme auf der Webseite des Weißen Hauses, die mit der Rede ins Netz gestellt wurde, schweigt sich zu diesen beiden Sektoren vollkommen aus. Damit werden Investoren mal wieder im Unklaren gelassen, denn die derzeit gültigen Förderprogramme laufen demnächst aus. in den letzten Jahren haben sie in den USA für einen beachtlichen Boom der Windenergie gesorgt, aber der Sektor erlebt anders als in Europa wegen der diskontinuierlichen Förderpolitik ein ständiges Auf und Ab.
Energiepolitik, das machen die geplanten Maßnahmen deutlich, ist für den US-Präsidenten vor allem eine Frage der nationalen Sicherheit:
For too long, our Nation has been dependent on oil. America's dependence leaves us more vulnerable to hostile regimes, and to terrorists – who could cause huge disruptions of oil shipments, raise the price of oil, and do great harm to our economy.
Entsprechend soll die nationale Ölreserve aufgestockt und die heimische Förderung vorangetrieben werden. „Umweltsensibel“ versteht sich. Was davon zu halten ist, zeigen nicht zuletzt die Bestrebungen, auch Alaskas Nationalparks für die Exploration zu öffnen.
Ansonsten ist alternativer Kraftstoff für Bush der Joker. Wasserstoff wird in diesem Zusammenhang kurz erwähnt, aber die angekündigten Maßnahmen konzentrieren sich ganz auf Land- und Forstwirtschaft, das heißt auf nachwachsende Rohstoffe. In den nächsten zehn Jahren, so Bush, soll der Kraftstoffverbrauch um 20 Prozent reduziert werden. Gemeint ist damit allerdings nur der Kraftstoff aus Erdöl. 15 Prozentpunkte sollen durch die Förderung alternativer Kraftstoffe erreicht werden, was die Maisfarmer und vermutlich auch die Gentech-Industrie sicherlich freuen wird. Bisher gibt es ein gesetzlich fixiertes Ziel, nach dem Anbieter von Benzin und Diesel bis 2012 mindestens 7,5 Milliarden Gallonen (28,4 Milliarden Liter) Biosprit beimischen müssen. Dieses Ziel soll nun nach den Vorstellungen des US-Präsidenten auf 35 Milliarden Gallonen (132,5 Milliarden Liter) bis 2017 erhöht werden.
Nur fünf Prozentpunkte des Einsparziels sollen hingegen durch effizientere Motoren erreicht werden. Angesichts des wortreichen Lobes für US-amerikanische Technologie, das die Bush-Rede durchzieht, ist das ein überaus bescheidenes Ziel. Angesichts der aktiven Entwicklung von sparsamen Motoren und Hybridautos in Japan und den strengen Normen in China, die die dortigen Autohersteller unter erheblichen Modernisierungsdruck setzen, ist eher zu erwarten, dass die ohnehin schwächelnde US-Autoindustrie Gefahr, noch weiter hinter die Konkurrenz zurückzufallen wird, wenn sie sich auf den laschen Vorgaben der Washingtoner Regierung ausruht.
Bush wäre nicht Bush, wenn er seine Botschaft nicht mit einer erheblichen Portion Arroganz und unterschwelligen Drohungen gegen den Rest der Welt anreichern würde. In der erwähnten Zusammenfassung und Erläuterung der einzelnen energiepolitischen Ziele heißt es:
The President's Plan Enables America To Lead The World To Energy Security. By establishing such a visible and ambitious fuel standard, America's global leadership will help encourage our friends and allies to consider similar policies. Actions by America's friends and allies to increase their production of oil and oil alternatives, diversify their supplies, reduce their consumption, and increase their oil reserves will enhance the energy security of America and the rest of the world. Conversely, foreign actions that undermine free, open, and competitive markets for trade and investment in energy supplies diminish the energy security of America and the world. This is why America opposes the political manipulation of oil and gas exports.
Die andern müssen also ihren Verbrauch reduzieren und sollen dazu ausgerechnet vom US-Beispiel angeregt werden (zum Vergleich: in Deutschland betrugen die Pro-Kopf-Treibhausgasemissionen 2004 etwa 12 Tonnen, in den USA rund 23 Tonnen und in China zirka 2,5 Tonnen.) Außerdem sollen sie sich dabei gefälligst allein auf die Regeln des Marktes verlassen und ja nicht gesetzliche Beschränkungen einführen, die US-Interessen widersprechen.