Kein Plädoyer für Kriegsende – Prigoschin rudert zurück
Missverständliche Äußerungen des kremlnahen Oligarchen Prigoschin lösten auf Deutsch ein großes Medienecho aus. Warum sie keine Politikänderung in Russland andeuten.
Viele deutschsprachige Berichte gab es über den kremlnahen Oligarchen Jewgeni Prigoschin, als er auf seinem Blog schrieb, dass es ideal wäre, das Ende der militärischen Spezialoperation zu verkünden, wie die russische Ukraine-Invasion in Russland genannt wird. Man solle erklären, dass alle Ziele erreicht worden seien und habe das ja auch in gewisser Weise.
Bei russischen Medien löste dieser Text ein wesentlich geringeres Interesse aus. Ungewöhnlich klingende Statements ist man von dem Mann, der innerhalb des Umfelds des Kreml zu den Hardlinern gezählt wird, bereits gewohnt und misst ihnen oft keine so entscheidende Bedeutung für den realen Kreml-Kurs ein wie deutsche Journalisten.
Prigoschin will "Spezialoperation" nicht stoppen
Die Reaktion im westlichen Ausland forderte es jedoch offenbar heraus, dass Prigoschin nun seine Worte und ihre Interpretation im Westen korrigierte. Er wolle nicht vorschlagen, "die militärische Spezialoperation in irgendeiner Weise zu stoppen" zitierte ihn heute die russische Zeitung Kommersant.
Er habe nur sagen wollen, dass man das baldige Ende der Operation ankündigen solle, damit das russische Volk die gesetzten Ziele erkennen könne. Das Ende verlange natürlich eine "ausschließliche Berücksichtigung aller Interessen Russlands".
Tatsächlich ist es aus den Äußerungen der Kreml-Administration häufig unklar, was sich hinter den offiziell von Putin verkündeten Kriegszielen wie "Demilitarisierung" oder "Denazifizierung" der Ukraine genau verbirgt. Eine Zerschlagung des ukrainischen Staates, ein Wechsel der dortigen Regierung oder "nur" eine Annexion des ostukrainischen Donbass, den die russische Armee mehrheitlich besetzt hat?
Dass Prigoschin trotz seiner missverständlichen Worte weitere Eroberungsversuche befürwortet, stellte er in seinem Dementi ebenfalls klar und sprach diesbezüglich nicht nur vom aktuell umkämpften Bachmut, sondern auch von Slawjansk und Kramatorsk, zwei von den Ukrainern aktuell gehaltenen Zentren im Donbass. Russland müsse zur Beendigung des Krieges "fest Fuß fassen" und Ziel sei keine "sanfte, ruhige Einigung", meint Prigoschin. Die Eroberung von Bachmut alleine gewährleiste "keinen kurzfristigen Sieg über die Ukraine".
Vor den Kulissen der Kreml-Politik hatte Prigoschins Äußerungen keinerlei Auswirkungen. Putin besuchte das Hauptquartier der russischen Truppen in den Regionen Cherson und Lugansk. Er hörte sich dabei die üblichen Lageberichte an und richtete den Fronttruppen seine Ostergrüße aus.
Kriegs-Hardliner spielen wichtige Rolle im System
Angesichts der relativ großen Freiheiten, die Kriegs-Hardliner wie Prigoschin oder der tschetschenische Regionalführer Ramsan Kadyrow bei ihren öffentlichen Äußerungen genießen, glauben viele Beobachter, dass sie im System der Kreml-Administration keine Störfaktoren sind, sondern eine gewollte Rolle spielen.
Dafür spricht auch, dass weiter in Russland jedes kritische Wort zum Krieg an sich hart bestraft wird, während Leute wie Prigoschin oder auch Russlands Ex-Premier Dmitri Medwedew online ungehindert toben.
Mit ihren harten Statements vor allem im Netzwerk Telegram seien sie Teil eines Online-Meinungskrieges, meint der Kreml-Analyst Andrej Perzew in einer Analyse. Um dort Aufmerksamkeit zu erwecken und Follower zu generieren, brauche es skandalträchtige Worte.
Ziel sei es jedoch, den "militärischen Eifer der Bürger anzuheizen und den Krieg zu unterstützen" und das russischsprachige Telegram auf die eigene Seite zu ziehen, wo auch viele Kanäle von Kriegsgegnern aktiv sind. Die alternative Realität, die die sogenannte Z-Fraktion der Pro-Kriegs-Influencer erzeuge, passe auch in Putins generelles Weltbild.