Ampel-Aus: Wird Scholz gestürzt, bevor er die Vertrauensfrage stellt?
Ein konstruktives Misstrauensvotum ist rechtlich möglich. 1982 endete so die sozialliberale Koalition. Warum es heute sehr unwahrscheinlich ist.
Mit der Entlassung von Christian Lindner als Bundesfinanzminister ist Kanzler Olaf Scholz (SPD) einem selbstgewählten Abgang des FDP-Politikers vielleicht nur wenige Tage zuvorgekommen. Zwischen dem Ende der Ampel-Koalition und dem Bruch der sozialliberalen Koalition 1982 gibt es Parallelen, aber auch deutliche Unterschiede.
Am Vortag von Lindners Entlassung zog das Handelsblatt mit Blick auf sein Verhalten eine Parallele; die Frankfurter Rundschau sprach von einer "Blaupause".
Lindner selbst erinnerte an Koalitionsbruch 1982
Lindner selbst hatte zwei Wochen zuvor einen "Herbst der Entscheidungen" angekündigt. Ähnlichkeiten zwischen seinen Vorschlägen zur "wirtschaftspolitischen Wende" und dem historischen "Scheidungspapier" des FDP-Politikers und damaligen Wirtschaftsministers Otto Graf Lambsdorff, das 1982 das Ende der sozialliberalen Koalition eingeläutet hatte, sind nicht rein zufällig.
Lindner lobte in diesem Zusammenhang auch den damaligen FDP-Chef Hans-Dietrich Genscher, der den Mut gehabt habe, "die Existenz unserer Partei zu riskieren, um dem Land 1982 den nötigen marktwirtschaftlichen Politikwechsel zu ermöglichen". Kurz darauf wurde Lindners eigenes Papier publik.
In beiden Fällen ging es also um wirtschafts- und finanzpolitische Differenzen – nur dass die FDP 1982 noch ganz ohne "Schuldenbremse" im Grundgesetz härtere Sparmaßnahmen und Kürzungen im Sozialbereich forderte. Sie orientierte sich dabei am Kurs von Margaret Thatcher in Großbritannien und Ronald Reagan in den USA.
Konstruktives Misstrauensvotum: Keine reine Abwahl
Vor 42 Jahren vollzog sich der Koalitionsbruch allerdings durch den geplanten Wechsel der FDP an die Seite der Unionsparteien. 2024 war dieser Wechsel zwar möglicherweise gewollt, ein Plan aber offenbar noch nicht ausgereift oder mit der CDU/CSU-Fraktion abgesprochen.
Auch traten im Herbst 1982 alle vier Bundesminister mit FDP-Parteibuch zurück: Hans-Dietrich Genscher (Außenminister und Vizekanzler), Otto Graf Lambsdorff (Wirtschaft), Gerhart Baum (Innenministerium) und Josef Ertl (Landwirtschaft). Sie folgten dem Plan, mit CDU und CSU eine neue Regierung zu bilden – aber nicht durch Neuwahlen, sondern durch ein konstruktives Misstrauensvotum gegen Helmut Schmidt (SPD), der zu diesem Zeitpunkt bereits seit acht Jahren Kanzler war.
Die sozialliberale Koalition existierte 1982 bereits seit 13 Jahren. Die Ampel-Koalition mit Scholz an der Spitze hielt nur rund drei Jahre bis zum Koalitionsbruch.
Ein konstruktives Misstrauensvotum gegen Scholz ist aber heute nicht zu erwarten. Rein rechtlich besteht zwar diese Möglichkeit gemäß Artikel 67 des Grundgesetzes. Dazu müsste aber die Mehrheit der Bundestagsabgeordneten nicht nur Scholz abwählen, sondern sich zugleich für einen neuen Regierungschef entscheiden.
Union und FDP ohne Mehrheit im Bundestag
CDU/CSU als stärkste Oppositionsfraktion hätten dafür aber gemeinsam mit der FDP nicht genügend Stimmen. Eine Mehrheit wäre theoretisch nur mit Stimmen von AfD, BSW oder Linken möglich. Eine solche Zusammenarbeit schließen die Unionsparteien aber selbst aus. Die AfD in der heutigen Aktuellen Stunde zur Regierungskrise als radikale Oppositionspartei – und dass Die Linke den CDU-Kanzlerkandidaten Friedrich Merz unterstützen würde, ist auch unvorstellbar.
Merz favorisiert daher rasche Neuwahlen und forderte Scholz zuletzt auf, bereits am kommenden Mittwoch die Vertrauensfrage zu stellen. Scholz selbst hatte dies am Donnerstag für Mitte Januar angekündigt, damit bis Ende März Neuwahlen stattfinden könnten.
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