Deutsche Wirtschaft in der Krise: Vom Corona-Kater zur Pleitewelle
Die deutsche Wirtschaft erlebt 2024 einen dramatischen Einbruch. Pro Monat melden 1.400 Firmen Insolvenz an. Und das könnte erst der Anfang sein.
Das Jahr 2024 war ein schwarzes Jahr für die deutsche Wirtschaft. Die Zahl der Firmenpleiten erreichte mit 1.400 insolventen Personen- und Kapitalgesellschaften pro Monat ein Niveau wie zuletzt während der Finanzkrise 2009, wie der renommierte Insolvenzforscher Steffen Müller vom Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) berichtet. In einzelnen Monaten wurden sogar neue traurige Rekorde aufgestellt - 20-Jahres-Hochs gar.
Ursachen der Pleitewelle
Doch was sind die Gründe für die grassierende Insolvenzwelle? Experten sehen mehrere Faktoren: Zum einen schlagen jetzt Nachholeffekte aus der Coronazeit durch. Viele Unternehmen, die schon damals auf wackligen Beinen standen, konnten sich durch staatliche Hilfen noch über Wasser halten. Doch ist auch der längste Atem mal zu Ende. Das IWH dazu:
Zum Jahresende 2024 setzt sich die Stagnation der deutschen Wirtschaft fort. Die gesamtwirtschaftliche Produktion und auch die Exporte sind derzeit lediglich in etwa so hoch wie im Jahr 2019. Sehr deutlich unter ihrem Stand vom Jahr 2019 lagen im dritten Quartal die Ausrüstungsinvestitionen: Mit dem schlechteren Exportgeschäft scheint auch der Bedarf an neuen Ausrüstungen zu sinken. "Die strukturellen Probleme wie die Verteuerung der Energie in Deutschland, die Alterung der Erwerbsbevölkerung und der Fachkräftemangel sind nicht leicht zu lösen", sagt Oliver Holtemöller, Leiter der Abteilung Makroökonomik und Vizepräsident des IWH. "Das wird jetzt einer breiteren Öffentlichkeit bewusst und führt zu Verunsicherung, mit der Folge, dass die privaten Haushalte mehr sparen." Dazu kommt die hohe wirtschaftspolitische Unsicherheit. Auch dürften die Sorgen um den Arbeitsplatz zunehmen, denn der Beschäftigungsaufbau ist zum Stillstand gekommen. Für das Jahresschlussquartal zeichnet sich eine erneute Stagnation des Bruttoinlandsprodukts ab. In den ersten Monaten des kommenden Jahres wird dämpfend wirken, dass eine vorläufige Haushaltsführung des Bundes die öffentlichen Ausgaben limitiert. Wenn danach eine Regierungsbildung die wirtschaftspolitische Unsicherheit verringert, dürfte der private Konsum etwas anziehen. Schließlich sind die realen Nettolöhne zuletzt deutlich gestiegen. Auch die lockerere Geldpolitik hilft der Konjunktur. "Ein kräftiger Aufschwung ist indes nicht zu erwarten", sagt Oliver Holtemöller.
Ein zweiter Faktor ist die Zinswende der Europäischen Zentralbank (EZB). Firmen, die sich vorher noch zum Nulltarif verschulden konnten, ächzen jetzt unter spürbar gestiegenen Zinslasten. Wer schon vorher einen Berg Schulden vor sich hergeschoben hat, für den kann das zum Pleite-Kriterium werden.
Dazu kommen die generell schwierige wirtschaftliche Lage und die zurückhaltende Investitionsbereitschaft vieler Unternehmen angesichts von Inflation, hohen Energiekosten und geopolitischer Unsicherheit. "Aufgrund der jetzt größeren Unternehmen geht verstärkt wirtschaftliche Substanz in die Insolvenz", mahnt IWH-Forscher Müller.
Was bedeutet das für Verbraucher?
Auch wenn Insolvenzen aus gesamtwirtschaftlicher Sicht eine notwendige Marktbereinigung sind - für die betroffenen Mitarbeiter, Kunden und Lieferanten können Firmenpleiten dramatische Folgen haben. Beschäftigte verlieren von heute auf morgen ihren Job. Kunden bleiben auf Anzahlungen oder Gutscheinen sitzen. Und Lieferanten müssen oft auf einen Großteil ihrer Außenstände verzichten.
Zudem hat eine hohe Zahl an Insolvenzen Auswirkungen auf die gesamte Volkswirtschaft und damit letztlich auf alle Verbraucher. Betriebe, die pleitegehen, zahlen keine Steuern mehr und die entlassenen Mitarbeiter belasten stattdessen die Sozialkassen. Das alles hinterlässt Spuren im ohnehin schon strapazierten Staatshaushalt.
Auch die Kreditvergabe der Banken an Unternehmen wird restriktiver, wenn das Ausfallrisiko steigt. Das bremst Investitionen und Wachstum zusätzlich. Manche Experten fürchten gar, dass angeschlagene Firmen versuchen könnten, sich durch eine Anhebung der Preise zu sanieren - was die ohnehin schon hohe Inflation weiter anheizen würde.
Schwierige Zeiten für Wirtschaft und Verbraucher
Klar ist: Die Kombination aus Corona-Nachwehen, Zinsschock und wirtschaftlicher Schwächephase entpuppt sich als toxischer Mix für viele Unternehmen. Für das Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) ist der Ausblick düster: "Selbst bei einer wirtschaftlichen Erholung könnten steigende Insolvenzzahlen auftreten, wenn der Rückstau noch nicht abgearbeitet ist", warnt Ökonom Steffen Müller.
Auch die Konjunkturprognose des RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung lässt wenig Raum für Optimismus: Für 2024 sagen die Essener Forscher ein Minus von 0,2 Prozent beim deutschen Bruttoinlandsprodukt (BIP) voraus. Erst 2025 und 2026 rechnen sie wieder mit leichtem Wachstum von 0,6 oder 1,3 Prozent – zu wenig, um die Verluste wettzumachen.
Unterm Strich stehen der deutschen Wirtschaft und damit auch Verbrauchern hierzulande schwere Zeiten ins Haus. Eine baldige Rückkehr in ein ruhigeres Fahrwasser ist nicht in Sicht. Im Gegenteil: Die beispiellose Insolvenzwelle dürfte das Land noch eine Weile in Atem halten – mit weitreichenden Folgen für uns alle.