Kein Punk im Funk

Update: “Pogo in Togo“ – aber nicht in Köln: Punk-Partei darf in der ARD ihren Wahlwerbespot nicht unzensiert zeigen

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Nichts scheint unmöglich. Und fast alles ist in diesem Wahlkampf erlaubt. Zumindest im Fernsehen, wo neben den drögen Wahlwerbespots der etablierten Parteien stramm rechte Organisationen mit rechten Parolen um Wähler werben, wo bibeltreue Christen die Rückchristianisierung unseres Landes propagieren, wo ein umstrittener Krebsarzt für sich und seine Partei wirbt und wo sogar die Titanic-„PARTEI“ mit einem schrägen Spot die Wahl lustig verspotten darf. Nur eine Organisation darf nicht um ihre Ziele werben: Die Anarchistische Pogo Partei Deutschlands (APPD). Das teilte der für die Ausstrahlung in der ARD offensichtlich zuständige Westdeutsche Rundfunk Köln gestern der APPD mit.

Die rechtlich-öffentliche Begründung für diesen Schritt hat es in sich. Nach Meinung des Westdeutschen Rundfunks verstößt der Wahlwerbespot nämlich gegen die Menschenwürde und sei offensichtlich geeignet, „die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen und ihre Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit schwer zu gefährden“. Gezeigt werde nach Meinung des Senders unter anderem eine mit Alkohol und Drogen sowie Sex und Gewalt durchsetzte Orgie unter Beteiligung von Jugendlichen und Kindern.

Der exzessive Konsum von Alkohol durch Jugendliche wird verherrlichend dargestellt und zieht sich wie ein roter Faden durch den Wahlspot. Zum Teil entkleidete Personen nehmen sexuelle Handlungen wechselweise aneinander vor.

Und tatsächlich im Film wird nicht getrunken, nein, es wird gesoffen. Und man sieht Punks, die durch einen Raum wirbeln, sich raufen und anderen punküblichen Freizeitbeschäftigungen nachgehen. Bilder, die jedoch weder den Suff noch andere unschöne Dinge verherrlichen, sondern eher abstoßend wirken. Und die daher für den normalen TV-Konsumenten (und dessen Kinder) alles andere als anziehend wirken. Es sei denn, der Zuschauer ist selbst ein Freund exzessiven Ballermann-Spaßes.

Inzwischen hat die APPD gegen die Entscheidung des Senders protestiert. In einer Erklärung schreibt ihr Wahlkampfmanager Karl Nagel, dass der Spot die katastrophalen Zustände in unserem Land lediglich widerspiegeln solle. Und dass der Film schließlich in eine apokalyptische Vision übergehe,

in der im Müll lebende Menschen sich sogar um dieses Essen prügeln. Auch die Sexualität des jeder Individualität beraubten Menschen – dargestellt durch die mit Plastiktüten verhüllten Köpfe – pervertiert dabei mehr und mehr. In dieser hoffnungslosen Welt haben Kinder keine Chance und greifen selbst irgendwann zu Gewalt.

Offenbar will genau das der Westdeutsche Rundfunk seinen Zuschauern nicht zumuten, obwohl nicht nur Großstadtbewohner sich wohl längst gewöhnt haben an die täglich in Parkanlagen oder Spielplätzen stattfindenden und vom Fernsehen auch übertragenen Sauf-Orgien (Embedded carnevalists?), an Menschen, die im Müll nach Essbaren suchen, und an Rauschgiftsüchtige, die sich in aller Öffentlichkeit eine Spritze setzen.

Update: Um das faktische Verbot ihres Spots zu umgehen, hat die APPD mittlerweile freiwillig eine zensierte Fassung erarbeitet, in der man statt der beanstandeten Szenen nur den Hinweis „Zensiert“ sieht. Die ARD wird am heutigen Freitag um 17.47 Uhr diese Version ausstrahlen, wie Justiziar Michelfelder vom Westdeutschen Rundfunk Köln Telepolis am Nachmittag mitteilte.

Weitere ursprünglich geplante Sendetermine sind: 5. September um 22.28 Uhr in der ARD, sowie im ZDF am 1. September um 17.10 Uhr sowie am 12. September um 21.40 Uhr. Wer die unzensierte Fassung sehen möchte, kann diese auf einer eigens eingerichteten Seite downloaden.