Keine "Arab Nato", sondern eine Nahost-OSZE
Russlands Vorschlag für die Sicherheit in der Golfregion läuft gegen die Herrschaftsinteressen der USA und ihrer Partner
Bislang haben sich Russland und China zu den Tanker-Zwischenfällen im persischen Golf mit Einlassungen zurückgehalten. Einzig bei der Festsetzung des britischen Tankers Stena Imperio durch iranische Revolutionswächter ließ die Aussage des stellvertretenden russischen Außenministers Sergei Rjabkow aufhorchen, weil sie eindeutig Position bezog und eine Formulierung benutzte, mit der Irans Führung die Festsetzung des iranischen Tankers Grace 1 vor Gibraltar bezeichnet: "Piraterie".
Rjabkow machte in seinem Statement deutlich, dass man im russischen Außenministerium die Argumente der iranischen Seite im Konflikt über die beiden Tanker überzeugender finde als "London und Gibraltar". Immerhin: Die USA wurden mit keinem Wort erwähnt und es war auch nicht der Chef des Außenministeriums, Lawrow, der die Situation kommentierte. Eine deutliche Botschaft war es trotzdem.
Chinas Zustimmung zum russischen Sicherheitskonzept
Vergangene Woche hat nun ein anderer hoher Vertreter des russischen Außenamts, Vizeaußenminister Michail Bogdanow (der auch Präsidentenbeauftragte für den Nahen Osten und Länder Afrikas ist), ein Grundlagenpapier vorgelegt, das sich mit der Golfregion und damit auch mit dem persischen Golf beschäftigt.
Es ist als "russisches Sicherheitskonzept" überschrieben und China signalisierte am Donnerstag, als die Tanker-Krise zwischen Iran, Großbritannien und den USA im Hintergrund nach den jüngsten Vorfällen für internationale Wellen gesorgt hatte, Zustimmung für das russische "Konzept der kollektiven Sicherheit".
Auch im Fall Chinas meldete sich nicht der Außenminister Wang Yi selbst zu Wort, sondern die Sprecherin des Ministeriums, Hua Chunying. Laut Tass hieß sie die russische Initiative willkommen. Auch Peking würde "Kooperation, Koordination und Kommunikation mit allen beteiligten Parteien" ausbauen wollen.
Am Ende der Tass-Meldung werden zwei wichtige Punkte des russischen Konzepts erwähnt: die Schaffung einer internationalen Konferenz zur Sicherheit und Zusammenarbeit im persischen Golf, aus der eine Organisation entstehen soll - und die Einrichtung von "demilitarisierten Zonen".
Gegen die amerikanische Militärpräsenz
Der Text des russischen Sicherheitskonzept verlangt sogar noch mehr, nämlich den "Verzicht auf eine permanente Stationierung von Truppen aus Staaten, die nicht zur Region gehören, auf den Territorien der Golfstaaten".
China mag die Idee willkommen heißen, Washington und insbesondere das Team Bolton wird die ganz und gar nicht mögen. Die USA haben zum Teil strategisch außerordentlich wichtige Militärbasen in Bahrein, Katar, Oman und in den Vereinigten Arabischen Emiraten. Auch in Saudi-Arabien gibt es eine Präsenz von US-Truppen, von der man nicht viel Aufsehen macht, da dies zu bösem Blut führen kann.
Die jüngste Nachricht, dass im Zuge der Eskalation im Konflikt mit Iran US-Truppen, Flugzeuge und Patriots in die saudi-arabische Prince Sultan Air Base verlegt werden sollen, wurde entsprechend in US-Medien auch als heikles Unterfangen gewertet.
Auch Großbritannien (Bahrain und Katar) und Frankreich (Abu Dhabi) unterhalten Militärbasen im persischen Golf. "Das übergeordnete Ziel ist (…) die Kontrolle einer Region, deren strategische Bedeutung in einer Welt, die weiter von Erdöl abhängt, nicht zu unterschätzen ist", erklärte, Rainer Hermann, Strategie-Fachmann für die Region bei der FAZ, kürzlich noch einmal eine Herrschaft, die lange Zeit selbstverständlich schien und jetzt am Bröckeln ist.
Iran ist laut Hermann der "Störenfried der bestehenden Ordnung", mit der große strategische und damit eng verknüpfte Wirtschaftsinteressen- und Abhängigkeiten (Ölversorgung, Petrodollars, Rüstungsindustrie) verknüpft sind. Das Gegenmodell, das die bisherige Herrschaftsform gefährdet, nennt er "pax iranica" (in Ableitung zur pax americana).
Amerika und Europa können die Golfregion aus eigenem Interesse nicht anderen Akteuren überlassen - weder einer anderen externen Macht, etwa Russland, noch weniger der Islamischen Republik Iran, denn eine Pax Iranica würde die heutige Ordnung einer Region gefährden, in der die Hälfte der bekannten Ölvorkommen liegen.
Hermann, FAZ
Nun sind im russischen Sicherheitskonzept zur Golfregion genau solche Elemente enthalten, die den Anfang eines solchen Schreckensszenarios aus Sicht der USA, UK, Frankreich, Israel, Saudi-Arabien, UAE usw. ausmachen: eine Aufwertung der Rolle Russlands als Mitgestalter der Ordnung in der Golfregion, die Rolle Irans nicht als Empfänger von Orders, sondern als gleichberechtigter und gewichtiger Partner bei der Lösung von Konflikten, und eben der genannte Ansatz, die militärische Vormachtstellung der bisherigen Herrschaft zu schwächen.
Kein Wunder, dass das russische Sicherheitskonzept für die Golfregion noch keine große Aufmerksamkeit in der hiesigen, französischen, britischen oder amerikanischen Öffentlichkeit erfahren hat.
Vorbild OSZE
Dem Konzept ist nichts Offensives zu entnehmen; er ist in einer diplomatischen Sprache gehalten, die ganz eindeutig als Vorlage für Verhandlungen ausgerichtet ist. Ihm geht es um die Schaffung einer großen Runde, die Großes regeln soll, nämlich sämtliche Konflikte in der größeren Golfregion, und dazu eine Kooperation im Kampf gegen Terrorismus herstellen soll.
Dazu soll nach dem Vorbild der OSZE schließlich eine entsprechende Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit im persischen Golf (PGSCO) ins Leben gerufen werden, wobei zu den Golfstaaten, Russland, China, die USA, die EU und Indien wie auch andere Interessens- oder Anspruchsgruppen ("stakeholders") als Beobachter oder angeschlossene Mitglieder dabei sein sollen.
Dennoch enthält der Text einiges, das sich gegen das Selbstverständnis der großen westlichen Player, ihren Status quo im persischen Golf und ihre Ausrichtung wendet: "Während Washington auf die Schaffung einer "Arabischen Nato" drängt, wirbt Russland für eine Nahost-Version der OSCE", heißt es in Maxim A. Suchkovs al-Monitor-Beitrag dazu.
Für ihn setzt Russlands Führung damit den Weg fort, den es mit seiner Beteiligung am Krieg in Syrien begonnen hat. Der Player mit mächtigem Einfluss sei nun dabei, sich als Macht zu präsentieren, die für politische Lösungen sorgen kann und dies auch in Übereinstimmung mit Interessen seiner Agenda will.
Damit vermehren sich die Optionen, um der Situationsgestaltung zu entgehen, die von den USA bestimmt wird, und das könnte ein paar Länder auf noch größeren Abstand zur Flottenidee der USA bringen. Für Iran ist es eine Bestätigung dessen, dass das Land nicht so isoliert dasteht, wie es die USA und Israel benötigen, um mit "maximalen Druck" zu arbeiten.
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