Keine Einigung bei europäischem Rechtshilfeübereinkommen
Echelon-Staat Großbritannien blockiert Überwachungspläne der europäischen Strafverfolger.
Die Verhandlungen zu dem europäischen Rechtshilfeübereinkommen stagnieren. Bei einem Treffen des Justiz- und Innen-Rats am 29. Oktober in Luxemburg konnten die Minister erneut keine Einigung erzielen. In der Frage der Telekommunikations-Überwachung fährt die britische Regierung einen eigenen Kurs.
Referenten hatten zuvor einen neuen Vorschlag erarbeitet, um endlich eine Entscheidung herbei zu führen. In Großbritannien gibt es keine klare Trennung zwischen den Abhörmaßnahmen, die von den Polizei- und Zollbehörden einerseits und den Geheimdiensten andererseits durchgeführt werden. Deshalb will Großbritannien, das in das UKUSA-Abkommen zur Signalüberwachung eingebunden ist, unbedingt verhindern, dass Aufklärungsmaterial des Geheimdienstes anderen Mitgliedsstaaten zur Verfügung steht.
In ihrem Abschlusskommunikee einigten sich die europäischen Regierungschefs in Tampere darauf, dass Finnland einen Krompromissvorschlag erarbeiten wird: So soll definiert werden, wer mit welcher Kompetenz in Abhörmaßnahmen involviert sein darf, und welche strafrechtlichen Ermittlungen davon erfaßt sind. Ungelöst scheint das Problem der Mitteilungspflicht: Die britische Delegation hatte vorgeschlagen, dass dem überwachenden Mitgliedsstaat die Möglichkeit eingeräumt werden sollte, von der Unterrichtung des anderen Mitgliedsstaats aus Gründen der "nationalen Sicherheit" abzusehen.
Der Vorschlag hat einen pikanten Hintergrund: Als Mitglied des Echelon-Abhörverbundes hört Großbritannien laut zweier STOA-Berichte, die vom europäischen Parlament in Auftrag gegeben wurden, gemeinsam mit den USA, Kanada, Australien und Neuseeland weltweit die Satellitenkommunikation ab. Die von der britischen Delegation vorgeschlagene Regelung hätte die weitere Geheimhaltung von Aufklärungsergebnissen, die über das Echelonsystem gewonnen werden, garantiert. Wäre Großbritannien jedoch rechtlich dazu gezwungen, den anderen Mitgliedsstaaten Ergebnisse aus diesen Überwachungsmaßnahmen zukommen zu lassen, bekämen diese einen Einblick in das Überwachungssystem.
Unakzeptabel bleibt für Großbritannien daher der alternative Vorschlag der anderen Mitgliedsstaaten, wonach vereinbart werden kann, dass die mitzuteilenden Informationen "über besondere Kanäle weitergeleitet werden, wenn sie geheimhaltungsbedürftig sind". Für Großbritannien steht fest, dass unabhängig davon, ob die Überwachung zum Zwecke einer strafrechtlichten Ermittlung erfolgt oder nicht, geheimgehalten werden muß, wenn sie von den Sicherheits- und Nachrichtendiensten durchgeführt wird.
Überprüft wird daher jetzt im Rat, ob Großbritannien in punkto Telekommunikationsüberwachung nicht an dem Rechtshilfeübereinkommen teilnehmen wird. Interessanterweise gelangte der Präsident des Ausschusses der Ständigen Vertreter in Brüssel zu der Schlußfolgerung, dass eine "Nichtbeteiligung nicht als Ermächtigung angesehen werden könnte, in anderen Mitgliedsstaaten befindliche Personen zu überwachen." Eine entsprechende Klausel sollte dann aufgenommen werden, wenn die Verhandlungen mit Großbritannien scheitern.
Die Telekommunikationsüberwachung soll nach dem Luxemburger Treffen erneut im Ausschuss der Ständigen Vertreter und im Artikel-36-Ausschuss beraten werden.