Keine Gnade für Klimaschänder?
Seite 2: Schuld mit System
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Kleine Gnade für Klimaschänder also? So politisch sinnvoll es tatsächlich scheint, Druck auf juristischem Weg gegen verantwortliche Funktionseliten innerhalb von Politik und fossiler Wirtschaft aufzubauen, greift dieser Ansatz schlicht zu kurz, da er den systemischen Charakter der Klimakrise voll ausblendet.
Ein Rex Tillerson ist selbstverständlich für seine Handlungen verantwortlich, aber er ist nur Teil einer Funktionselite, die im Kapitalismus bestimmte - wenn auch exponierte - Funktionen ausübt, die durch den Verwertungszwang des Kapitals determiniert sind, bei dem auch mittels der Verbrennung von fossilen Energieträgern aus Geld mehr Geld gemacht wird.
Ein Gedankenexperiment mag diese Problematik näher ausführen: Was wäre nun passiert, wenn Rex Tillerson zu Beginn dieses Jahrhunderts, geplagt von Gewissensbissen, die Ölförderung einschränken oder gar kappen wollte, um sich auf andere, weniger profitable Geschäftsfelder zu verlagern? Dies in einer Zeitperiode, in der Exxon schon mal Profite von 40 Milliarden US-Dollar jährlich erzielte? Die Frage zu stellen, heißt, sie zu beantworten.
Und selbst im hypothetischen Fall, dass die gesamte Führungsriege samt Aktionärsmehrheit dieses Konzerns von Reue geplagt auf weniger profitable Geschäftsfelder ausgewichen wäre, hätten nicht andere Konkurrenten die brachliegende, hochprofitable Marktlücke sofort besetzt - und an Exxons Stelle die Politik und die Medien so lange mit Millionenbeträgen geschmiert, so lange Milliardenprofite irgendwie möglich wären?
Das kapitalistische System ist als eben das zu begreifen, was es ist, als ein fetischistisches System. Dies bedeutet vor allem, die Eigendynamik des Kapitals zur Kenntnis zu nehmen. Die Funktionseliten exekutieren nur die Verwertungsbewegung des Kapitals, das blind ist gegenüber all den sozialen und ökologischen Folgen seines Wachstumszwangs. Folglich setzen sich in der Konkurrenz auf den Märkten diejenigen Subjekte oder Konzerne durch, die möglichst effektiv Mensch und Natur ausbeuten, um möglichst hohe Profite zu realisieren.
Anklagen gegen einzelne Vertreter dieser Funktionseliten könnten somit von der wahren Herausforderung ablenken, die sich im Zusammenhang mit der Klimakrise der Menschheit stellt: der überlebensnotwendigen, grundlegenden Systemtransformation der spätkapitalistischen Gesellschaften. Der irrationale kapitalistische Wachstumszwang, der auf globaler Ebene eine zerstörerische Eigendynamik beizt, muss überwunden werden. Die Überführung des Kapitalverhältnisses in die Geschichte ist die conditio sine qua non jedes weiteren menschlichen Zivilisationsprozesses.
Prozesse gegen die verantwortlichen Funktionsträger innerhalb der fossilen Industrien, deren subjektives Handeln die objektiven Verwertungszwänge des Kapitals exekutierten, können sinnvoll sein, um politischen Druck aufzubauen im Rahmen einer grundlegenden Transformationsbewegung.
Doch zugleich wächst mit einem solchen Vorgehen die Gefahr, dass dies zu einer bloßen Sündenbocksuche ausartet, bei der die Verheerungen des Klimawandels auf eine bloße Verschwörung von Eliten zurückgeführt würden, während die notwendige Überwindung des kapitalistischen Wachstumszwangs aus dem populistisch verzerrten Blick gerät.
Dabei drängt die Zeit nicht nur in Hinsicht auf den Klimawandel. Die Kinder und Jugendlichen, die jetzt noch brav für das Klima streiken, werden die Verantwortlichen von Heute zur Rechenschaft ziehen wollen, sobald sie erwachsen sind und sich in einer Klimaapokalypse wiederfinden sollten. Ob dies dann auf rechtsstaatlichem Wege vonstattengehen wird, darf getrost bezweifelt werden.