Keine Gnade für Klimaschänder?
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Soll den verantwortlichen Konzernbossen, Politikern und Meinungsmachern angesichts der drohenden Klimakatastrophe der Prozess gemacht werden?
Die Diskussion darüber, wer die Verantwortung trägt für die Verheerungen und das Leiden, die der an Wucht gewinnende Klimawandel anrichten wird, gewinnt inzwischen an Breite - vor allem hinsichtlich der Frage einer juristischen Aufarbeitung dieses kolossalen Scheiterns der Klimapolitik.
Die erfolgreiche Torpedierung adäquater klimapolitischer Maßnahmen und Programme durch einflussreiche Kräfte in Wirtschaft, Politik und Medien nimmt ja angesichts des rasch außer Kontrolle geratenden Klimawandels die Dimensionen eines Menschheitsverbrechens an.
In den vergangenen Jahren und Monaten wurden bereits etliche Initiativen gestartet, die Verantwortlichen für den drohenden Klimakollaps zur Verantwortung zu ziehen, wobei zumeist Konzerne oder Regierungen in den Fokus der zunehmenden juristischen Auseinandersetzungen geraten.
Anklagen
Mit einer "Welle" von Anklagen sieht sich etwa die US-amerikanische Öl- und Gasindustrie konfrontiert. Die Verfahren wurden durch Interna der Ölgiganten ExxonMobil und Shell angefacht, die an die Öffentlichkeit geraten waren. Laut den Dokumenten haben die Großkonzerne schon in den 1980er Jahren den ökologischen Schaden vorhergesagt, den ihre Produkte anrichten würden.
Die Ölbosse verstanden somit schon in den 1980ern die grundlegenden wissenschaftlichen Zusammenhänge des Klimawandels, sie sahen dessen katastrophale Konsequenzen voraus - und sie wendeten im Rahmen einer Desinformationskampagne Millionen auf, um die Öffentlichkeit in die Irre zu führen. Dieses aufgewendete "Kleingeld" von Millionen von US-Dollar ermöglichte es der fossilen Industrie, gigantische Milliardenprofite zu erzielen.
Diese verheerende, jahrzehntelange Lobbykampagne der Öl-, Gas- und Autoindustrien zur Vereitelung nennenswerter klimapolitischer Maßnahmen ist der kritischen Öffentlichkeit schon seit längerem bekannt (Siehe hierzu: "Die große Klimaverschwörung"). Neben den Chefetagen der fossilen Wirtschaft waren auch käufliche und korrupte Politeliten und reaktionäre Medienkonzerne daran beteiligt, wie etwa das Imperium des erzreaktionären Medienmoguls Rupert Murdoch.
Vor Gericht
Nun scheint die Zeit der juristischen Aufarbeitung dieser Umtriebe gekommen. Derzeit haben neun Städte - von New York bis San Francisco - und ein Bundesstaat der Vereinigten Staaten die fossile Industrie auf Schadensersatz verklagt. Fischer in Kalifornien klagen wegen klimabedingter Ausfälle.
Eine Gruppe von Kindern strengt wiederum ein Verfahren gegen die US-Regierung an, da diese nach Ansicht der Kläger ihrer Verpflichtung zum Umweltschutz nicht nachgekommen sei. Ein weiteres Verfahren gegen ExxonMobil wirft dem Konzern vor, seine Investoren über die wahren Kosten der künftigen klimapolitischen Regulierung getäuscht zu haben.
Auch in Europa formierten sich bereits entsprechende Initiativen, die den Rechtsweg bestreiten wollen, um Berlin und Brüssel zu einem konsequenten Klimaschutz zu zwingen. Zehn Familien aus Europa, Kenia und den Fidschi-Inseln klagen gegen die EU, um diese zu einer Verschärfung ihrer Klimaziele für 2030 zu bewegen.
Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe muss sich wiederum mit einer Klage von Bundesbürgern und Umweltverbänden befassen, die auf juristischem Weg die Bundesregierung zu einer strengeren Klimaschutzpolitik zwingen wollen. Die Kläger sehen durch die klimapolitische Untätigkeit Berlins ihre Rechte auf Leben, auf körperliche Unversehrtheit, auf freie Entfaltung der Persönlichkeit und auf Eigentum verletzt.
Die Bundesregierung hat sich tatsächlich unter der Kanzlerschaft Angela Merkels zu einem der größten klimapolitischen Hindernisse Europas entwickelt. Unter dem Druck der mächtigen deutschen Autolobby hat Berlin aufgrund seiner machtpolitischen Dominanz immer wieder Initiativen für einen effektiven Klimaschutz auf europäischer Ebene ausgebremst. Politisch ist zudem in den vergangenen Jahren die aggressive Klimaleugnung seitens der rechtspopulistischen AfD von Belang.
Anklage wegen "Verbrechen gegen die Menschlichkeit"
Ein im Magazin Jacobin Anfang Februar publizierter Essay plädiert zudem für eine konsequente Fortführung dieses politischen Ansatzes, bei dem der Rechtsweg eingeschlagen wird, um die Verantwortlichen für die drohende Klimakatastrophe zur Verantwortung zu ziehen - und hierdurch eine rasche, umfassende Transformation des Energiesektors auf regenerative Energiegewinnung zu befördern.
Es sei wichtig, den Kampf um eine energetische Transformation, um einen Green New Deal, wie ihn prominente linke US-Politikerinnen fordern, mit verschärften juristischen Auseinandersetzungen zu begleiten, so der Tenor des Textes. So seien die 100 größten Produzenten fossiler Treibstoffe für rund 71 Prozent der Treibhausgasemissionen seit 1988 verantwortlich. Den Verantwortlichen in den Konzernzentralen müsse klargemacht werden, dass ihre Handlungen "Konsequenzen jenseits fallender Profite" nach sich zögen.
Überdies würde durch Anklagen diesem "oberen einen Prozent" der Profiteure klimaschädlicher Profitmacherei ein konkretes Gesicht verliehen, was wiederum dazu beitragen würde, Personen für den Exxon-Chef Darren Woods oder dem Shell-Manager Ben van Beurden zu Personae non gratae zu machen.
Beim Klimakampf gebe es klare "Bösewichter" und sie müssten öffentlich angeklagt und geächtet werden, hieß es weiter. Das politische Ziel wird klar umrissen: Die fossile Industrie dürfe an der Ausformung der kommenden Klimapolitik genauso wenig beteiligt werden, wie die Tabakindustrie an der Formulierung der Gesundheitspolitik.
Angesicht der durch den Klimawandel bereits verursachten Todesfälle, die Studien zufolge alljährlich in die Hunderttausende gingen, angesichts des drohenden Massensterbens von Hunderten von Millionen von Menschen, plädiert das Essay für eine Anklage wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit gegen all jene Teile der kapitalistischen Funktionseliten, die "im vollen Bewusstsein der Konsequenzen" weiterhin die Förderung fossiler Energieträger forcierten und klimapolitische Initiativen "sabotierten".
Es ginge hierbei um die klassische Definition des Straftatbestandes der Verbrechen gegen die Menschlichkeit als eines "groß angelegten und systemischen Angriffs, der sich gegen eine zivile Bevölkerung richtet", wobei er bewusst geführt werden müsse, so das Essay. Als ein juristischer Präzedenzfall wurden hierbei die Nürnberger Prozesse gegen die Hauptkriegsverbrecher Nazideutschlands nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges genannt.
Da es reichliche Belege für die frühe Kenntnis der Folgen des Klimawandels bei ExxonMobil gebe, würde sich eine entsprechende Anklage gegen den berüchtigten früheren Exxon-Chef Rex Tillerson anbieten, der ja kurzfristig als Außenminister unter Trump diente.