Keine Probleme mit der Euro-Umstellung?

"Euroland" verzichtet auf gemeinsames Einführungsrecht und begleitende Forschung. Die Gewöhnungsphase wird mit zwei Monaten sehr kurz sein

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Die größte friedliche Veränderung von Währungen und damit des zentralen ökonomischen Parameters hat ja an sich schon am 1. 1. 1999, also mithin vor knapp drei Jahren stattgefunden. Aber damals war es mehr theoretisch und noch am Papier - mit dem 1. Januar 2002 wird es handgreiflich: die Euro-Banknoten und Euro-Münzen beginnen dann zu zirkulieren, die gewohnte Währung ist endgültig weg. Aus 12 Währungen wird eine einzige.

Gemeinsames Versagen

Was Europa bei der Einführung des einheitlichen Geldes nebenher bot, war viel an Versagen. Das neue Geld ist in gestalterischer Hinsicht eine künstliche und unverbindliche Angelegenheit: synthetische Bauwerke, dafür 12 national unterschiedliche Münzrückseiten, (vgl. Armin Medosch: Europhorie). Statt, wie an sich zu erwarten wäre, das gemeinsame Geld auch in einheitlicher rechtlicher Form in den 12 Ländern einzuführen, gibt es - bis auf die technischen Daten von Logistik und dem Beginn der Zahlungsfähigkeit - 12 unterschiedliche Lösungen oder Halblösungen.

Gemeinsame Währung - kein gemeinsames Einführungsrecht

Ein gemeinsames EU-Euroeinführungsrecht gibt es nicht, die Probleme des Übergangs von der alten auf die neue Währung sollten vielmehr auf nationaler Ebene selbstständig gelöst werden, was natürlich für etwas Gemeinsames ein schwacher Ansatz ist. So gibt es nationale rechtliche Grundlagen nur in Österreich, Portugal und Griechenland. In den anderen Ländern existieren mehr oder weniger vage und unverbindliche Vereinbarungen zwischen Verbraucherverbänden und Unternehmerverbänden, sei es nun was eine doppelte Preisangabe anlangt, kostenlose Umtauschrechte der alten gegen die neue Währung, oder Maßnahmen gegen versteckte Preiserhöhungen.

Euro bringt keine Transparenz

Eine der anderen großen (Selbst-)Täuschungen der EU ist die mit dem Euro beschworene Transparenz auf dem rhetorisch kultivierten und sakrosankten Gemeinsamen Markt: Preise wären quer durch Europa endlich in einer Währung vergleichbar, heißt es. Ach wo denn, wenn die Mehrwertsteuern noch so unterschiedlich sind! Das zum einen, zum andern müssen größere Versender wiederum die Mehrwertsteuer des Ziellands verrechnen und abrechnen. Unternehmen wie Amazon.de können das schon einigermaßen, aber es schafft prinzipiell einmal Transparenzprobleme, denn ursprünglich verlangte Preise werden dann im Akt der nationalisierten Bestellung zwangsläufig verändert.

Schwierigkeit: Neuer ökonomischer Wertmaßstab

Eine der größten Schwierigkeiten für die rund 300 Millionen Bürger im Euroland ist, sich auf den neuen Wertmaßstab einzustellen, ihn sich so vertraut zu machen, wie das bislang DM oder Schilling waren. Deutschland hat da sicher einen Vorteil, ist doch ein Euro ungefähr zwei Mark (genau: 1,95583). Für die Österreicher ist das weitaus schwieriger, dort sind 13,7603 (um den Umrechnungsfaktor exakt anzugeben) Schilling ein Euro. Auch für die Spanier und Franzosen ist es übrigens nicht so einfach, in den neuen Wertmaßstab zu schlüpfen.

Das Dokument über die ewig gültigen Wechselkursrelationen der alten Währungen zum Euro findet sich hier:(EC 2866/98, 31. 12. 1998).

Die mit der gemeinsamen Währung neugeschaffene EZB (Europäische Zentralbank) hat definitiv keine Verbraucherprobleme. Ihre Website, kennt das Wort Problem nicht. Zur Erinnerung: recht munter kürzten die Euroland-Finanzminister mit der EZB gemeinsam die Doppelwährungsphase von ursprünglich sechs Monaten auf zwei herunter. Auch die im Fünfzigerjahre-Stil gestaltete Euro-Site der EZB kennt keine Verbraucherfragen im Zusammenhang mit dem Euro.

Britische Erfahrungen

Als die Briten 1971 ihr Pfund "dezimalisierten", also die 20 Shilling a 12 Pence (= 240 alte Pence) des Pfunds auf 100 neue Pence umordneten, gabs allerdings ordentlich Probleme im Land: nach etlichen Wochen Doppellauf der alten und neuen Untereinheiten (diese Doppelphase dauerte damals menschenfreundliche 7 Monate) konnte noch immer die Hälfte der Briten nicht richtig umrechnen, das Preisbewußtsein der Menschen fiel deutlich und die Inflation stieg dazu um 4 Prozent. Dies, da sich Industrie und Handel nicht an ihre Zusage hielten, keine Preiserhöhungen durchzuführen.

Nun, heute gibt's weitaus mehr kommerziell angebotene Güter und Dienstleistungen - 1971 gab es ja noch keinen universalen Konsumismus. Was heißt, die Schwierigkeiten dürften nicht weniger, sondern mehr werden. Insbesondere für die Älteren - für die eifrig herumjettenden Jungmanager stellt sich diese Frage sicher nicht.

Keine Begleitforschung

Aber, 30 Jahre später wird dies deswegen kein so großes Problem sein, da man heute im Gegensatz zu den Briten damals, im Euroland überhaupt auf eine Begleitforschung, also ein Monitoring der Ängste, Probleme und Umgangsweisen im Zusammenhang mit dem neuen Geld, verzichtet hat. Eigentlich unvorstellbar: da geht das größte ökonomische Ding zu Friedenszeiten vor sich, und eine umfassende forscherische Begleitung dieses Jahrhundertereignisses gibt's einfach nicht...

Aktuelle Probleme

Preiserhöhungen mit dem neuen Geld fürchten viele Verbraucher, denn es ist ja naheliegend, daß Unternehmen neues Geld, einen neuen Wertmaßstab, für entsprechende Preisanpassungen nutzen - Wirtschaftssubjekte sind keine Philanthropen, sondern ertragsorientierte (bzw. nutzenorientierte) Egoisten.

Solche Preiserhöhungen gibt es "leicht nach oben, aber nicht dramatisch", wie deutsche Verbraucherschützer meinen (vgl. IFAV-Studie). Hingegen hat der Kärntner Landeshauptmann Jörg Haider (FPÖ) sofort einen Europranger ins Internet stellen lassen, dessen Beispiele aber eher nach dem Motto: populistisch aus der Mücke einen Elephanten machen, gehalten sind. Dieser minimalistische Europranger ist ein bißchen dem Meldepunkt der niederländischen Consumentenbond abgekupfert.

"Europreis"-Reaktionen

Eine Reihe von Unternehmen wie Textilketten, Reiseveranstalter und Gastronomiebetriebe haben allerdings bereits im Sommer 2001 ihre Preisstellung auf "runde" Europreise umgestellt. Das Ergebnis waren damit natürlich unrunde Mark-, Schilling- oder Francpreise. Mit ganz unterschiedlichen Reaktionen übrigens.

Was in Österreich zu panikartigen Beschwerden mancher Konsumenten und einer ausgeprägten Medienberichterstattung geführt hatte, nahmen die deutschen Verbraucher vergleichsweise gelassen, und die französischen Konsumenten sogar durchaus positiv auf. Das Konstrukt "Gemeinsamer Markt" hat eben noch unterschiedliche Kulturen.

Aufruf zum Konsum

"Es gibt keinen Grund, Kaufzurückhaltung zu üben," so Bundeskanzler Schröder auf der IAA (Internationalen Automobilausstellung) am 18. 9. 2001. Dies bezog sich zwar auf die möglichen Folgen des Terroranschlages in den USA eine Woche zuvor. Das kann aber bei der Euro-Einführung, im Verlauf des Januar 2002 genau so nocheinmal kommen. Viele Experten fürchten ja zögerliche Konsumhaltungen im ersten Quartal 2002, vor allem bei den höherpreisigen Anschaffungen.

Eine Relativierung und ein Tipp

Tatsächlich können, wenn man sich die Konsequenzen herber US-Reaktionen auf den Terroranschlag vorstellt und durchdenkt, die Europrobleme wiederum - global - recht marginal bleiben oder werden.

Jedoch, das sollte man auch anerkennend sagen, die logistische Vorbereitung ist tatsächlich gut gelungen: im Prinzip geht alles automatisch (etwa Umstellung des Girokontos, des Sparbuchs, usw.). Man selbst braucht nichts tun. Alles gilt weiter, nur halt eben in neuer Währung. Ab Januar wird man, wenn man mit der alten Währung bezahlt, fast überall mit dem neuen Euro als Wechselgeld versorgt werden. Wir können, wenn wir wollen, da ganz passive Konsumenten sein... Der Große Bruder hat gewissermaßen vorgesorgt...