Keine gute Idee – eine Polizeiwache hoch oben im Zentrum Berlin-Kreuzbergs

Am nördlichen Teil des "Kotti" – Spielsalon, Filmwerbung, Imbiss, Nahversorger und der durchgängig geöffnete Gemüsestand erhellen die Nacht. Foto: Matthias Coers

Unser Gastautor ist Mieterrat an einem "kriminaltätsbelasteten Ort". Das Bedürfnis nach Sicherheit steht dort im Spannungsfeld nicht nur positiver Erfahrungen mit der Staatsmacht

Der Platz am Kottbusser Tor in Berlin hat stadtweit einen speziellen Ruf, aber alle Gewerbetreibenden und Mietparteien haben ihre eigene biografische Erfahrung mit dem Ort, dem Raum – und auch ihre eigene Motivation dafür, wie sie zur hier geplanten Polizeiwache stehen.

Hoch oben in der Brückengalerie des Neuen Kreuzberger Zentrum (NKZ) am "Kotti", wie der zentrale Platz in Berlin-Kreuzberg genannt wird, soll nach Plänen des Berliner Senats bald diese Wache residieren. Das hat einen Symbolcharakter, der sich mit der angestrebten "Bürgernähe" nicht reibungslos vereinbaren lässt.

Dass die Gewerbetreibenden grundsätzlich für eine feste Polizeipräsenz sind, hat eine gewisse Logik – sie wollen ihre Waren an die Leute bringen und sie gut verkaufen. Dafür braucht man zumindest ein attraktives Umfeld.

Ein Faktor für Attraktivität ist ein "sicherer" öffentlicher Raum, ein anderer Faktor natürlich die Lebendigkeit des öffentlichen Raumes. Beides changiert. Wenn es sich um so einen schillernden Ort wie den "Kotti" handelt, dann kommen viele Menschen – interessante Kleingewerbe, Künstler, Kulturschaffende und Dienstleistende können sich hier aufhalten und etablieren.

Wenn jedoch das Milieu als verschrien und berüchtigt gilt – dafür wurde in den letzten Jahrzehnten auch reichlich gesorgt, Medien berichten eigentlich nur negativ, die Debatte um "kriminalitätsbelastete Orte" trägt dazu bei – kann eine Stimmungslage entstehen, in der gesagt wird: Wir brauchen jetzt "Rettung".

Diese "Rettung" ist dann eben "öffentliche Sicherheit" durch die Polizei, durch Videoüberwachung oder ähnliches. Daher kommt so eine Grundmotivation bei den Gewerbetreibenden. Bei den Mieter:innen ist es anders.

Ich selbst bin dort Mieterrat und persönlich eher polizeikritisch – die Polizei hat dort aus meiner Sicht nur eine Berechtigung als einer von vielen "zivilgesellschaftlichen", institutionellen und auch staatlichen Akteuren – allerdings nur als einer von mehreren.

In dieser Gemengelage kann eine kleine Polizeiwache oder die Präsenz von lokalen Polizist:innen – wie wir das schon seit Jahren durch Herrn Sommerfeld, einen ansprechbaren Beamten, haben, der den Kiez und die Menschen kennt – durchaus Sinn machen. Darüber hinausgehende "Law and Order"-Politik nicht.

Wer will schon Wohnungseinbrüche und Fäkalien im Treppenhaus?

Die individuelle Erfahrung der Mieter:innen ist, dass es immer mal wieder Wohnungseinbrüche gibt, ebenso wie in anderen Großwohnanlagen, in privaten Häusern oder sonstigen Vermietungsverhältnissen – das ist die eine Ebene.

Die andere Ebene ist – und die ist entscheidend – dass es ein kriminalitätsbelasteter Ort ist, weil hier zwei große U-Bahnlinien aufeinander stoßen, Buslinien zusammenlaufen und Kreuzberg quasi als Scharnierviertel zwischen Wedding, Mitte und Neukölln dient. Dadurch ist es ein sehr attraktiver Ort für Drogenkonsumierende und ebenso für Leute, die Drogen oder Ähnliches verkaufen wollen.

Wenn für sie nur wenige Orte existieren, um sich aufzuhalten, sind die Treppenhäuser der Großwohnanlagen immer ein willkommener Ort der Zuflucht vor Kälte, vor Beobachtung oder um sich dort in Ruhe einen Schuss zu setzen.

Das haben die Anwohner:innen in den Häusern im Alltag ständig vor Auge. So kann selbstverständlich der direkte Wunsch aufkommen: Das soll sich ändern. Dann merkt man, dass die Hausverwaltung kaum etwas machen kann, den Nachbar:innen sind in gewisser Weise die Hände gebunden.

So ruft man eben hier konkret beim Abschnitt 53 an. Spricht man gut Deutsch, sich durchsetzen, den Ort lokalisieren, kommen vielleicht mal zwei Beamt:innen, denen man sagen kann: Es wäre gut, wenn nicht 15 Leute im Treppenhaus sitzen. Wenn man die Sprache nicht gut spricht und den Ort nicht lokalisieren kann, kommt niemand. Man fühlt sich mit dem Zustand allein gelassen.

Deshalb denken viele Menschen, eine Wache vor Ort hätte direkt eine "reinigende" Wirkung. Es ist kein sehr sauberer Ort, obwohl die Sauberkeit sehr stark angestrebt wird. Jeden Morgen fahren hier Müll-Reinigungsfahrzeuge, was die Mieter:innen bezahlen müssen, da es sich teilweise um privates Gelände handelt.

Doch das, was hier überall herumliegt, kommt nicht nur von Drogengebraucher:innen oder den Mietparteien, es ist zugleich das Party-Publikum – die Leute, die die U-Bahn wechseln und achtlos ihr Kaugummipapier oder ihre Zigarettenstummel wegschmeißen.

So liegt einfach eine gewisse Rauheit in der Luft. Dafür, finde ich, ist es noch ein sehr nachbarschaftlicher, freundlicher Ort, der auch echte Probleme hat. Viele Leute denken dann, solche Probleme könnten final durch den Staat oder die Polizei gelöst werden. Ich glaube hingegen, dass es nicht so ist.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

Mit Ihrer Zustimmmung wird hier eine externe Buchempfehlung (Amazon Affiliates) geladen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen (Amazon Affiliates) übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.