Klage wegen "illegaler Speicherung" von Verbindungsdaten
Während die Regierung beabsichtigt, den Datenschutz im Internet zu lockern, reichte ein Telepolis-Leser Klage gegen T-Online ein, weil diese seine IP-Adresse wegen eines Forumkommentars herausgegeben hatte
Der Internetnutzer Holger Voss dürfte für regelmäßige Telepolis-Leser kein Unbekannter sein. Schließlich stand er wegen eines militärkritischen Forumskommentars mit unverkennbar satirischem Einschlags bei Telepolis im Januar 2003 in Münster vor Gericht (Engine of Justice). Damals ging er als Sieger aus dem Verfahren hervor (Eine deutsche Justizposse), was nicht nur von der Internetgemeinde als Sieg gegen drohende Internetzensur gefeiert wurde.
Am 19.Mai wird Holger Voss wieder die Gerichte beschäftigen. Doch dieses Mal ist er der Kläger. Vor dem Amtsgericht Darmstadt wird an diesem Tag eine Klage von Voss gegen T-Onlinen wegen "illegaler Speicherung von Nutzungsdaten" verhandelt. Der Wiesbadener Anwalt Stefan Jäger, der Voss in dieser Angelegenheit juristisch vertritt, schreibt in einer Pressemitteilung:
Herr Voss hat davon Kenntnis erhalten, dass die T-Online International AG offenbar neben den Informationen, wann und wie lange er den Internetzugang nutzte, auch die ihm für den Zeitrahmen der Nutzung zugewiesene dynamische IP-Nummer protokolliert und gespeichert. Diese Speicherung verstößt gegen den Datenschutz. Gemäß § 9 Abs. 1 Nr. TDDSG handelt ordnungswidrig, wer vorsätzlich oder fahrlässig entgegen § 5 Satz 1 oder § 6 Abs. 1 Satz 1 oder Abs. 8 Satz 1 oder 2 TDDSG personenbezogene Daten erhebt, verarbeitet, nutzt oder nicht oder nicht rechtzeitig löscht. Da diese Ordnungswidrigkeit mit einer Geldbuße bis zu 50.000,00 geahndet werden kann, bitte ich namens und in Vollmacht meines Mandanten um die Einleitung ordnungsrechtlicher Schritte gegen die T-Online International AG.
T-Online speichert die IP-Adresse ihrer Kunden nach Berichten teilweise bis zu 80 Tage nach Rechnungsversand. Mit diesen Daten kann eruiert werden, wie lange sich jemand zu welchen Zeiten im Internet bewegt hat und welche Datenmengen jeweils übertragen worden sind. Voss bezieht sich bei seiner Klage auf das Teledienstedatenschutzgesetz, das Internetanbietern eine Speicherung von Daten lediglich in eng begrenzten Fällen gestattet, wenn es um Abrechnungsfragen geht. Der Bundesbeauftragte für Datenschutz steht hinter der Klage:
Ein vorsorgliches Speichern von Verkehrsdaten aller Kunden zum Zwecke des Nachweises oder der Verhinderung eines möglicherweise stattfinden Missbrauchs ist [...] unzulässig.
Aus einem Schreiben des Bundesbeauftragten für Datenschutz an das Amtsgericht Darmstadt vom 7. April 2005
Allerdings gibt es hier natürlich auch eine Grauzone. So wird es interessant sein, ob das Gericht in diesem Fall den Datenschutz stärken wird. Die Frage bekommt eine besondere Brisanz, weil auf gesetzgeberischer Ebene gerade gegenläufige Entwicklungen im Gange sind.
Ein Referentenentwurf für ein Telemediengesetz, der zur Zeit im Bundeswirtschaftsministerium ausgearbeitet wird, hätte eine empfindliche Einschränkung des Datenschutzes im Internet zur Folge. Danach soll es Anbietern von Tele- und Mediendiensten in Zukunft gestattet sein, personenbezogene Daten der Nutzer für "Zwecke der Rechtsverfolgung" zu erheben, zu speichern, zu verändern oder an andere Parteien zu übermitteln. Voraussetzung ist, dass "tatsächliche Anhaltspunkte" für eine nicht erlaubte Nutzung von Diensten vorliegen. Im Vorfeld haben acht zivilgesellschaftliche Gruppen Änderungsvorschläge gemacht, um den Datenschutz im Internet zur stärken.