Klima-Volksentscheid: Die Panik fossiler Lobbys vor der Energiewende
Seite 2: Gegenwind aus dem Establishment, Unterstützung aus der Bevölkerung
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Zugleich wurde im letzten Jahr ein Klimabürger:innenrat auf Beschluss des Abgeordnetenhauses ins Leben gerufen. Hundert ausgeloste Menschen aus ganz Berlin erarbeiteten dabei 47 konkrete Maßnahmen, "z. B. den schnelleren Ausbau des ÖPNV, den schrittweisen Austausch von Gas- und Ölheizungen und die Begrünung von Dächern".
Ein wichtiges Element im Volksentscheid ist, dass die schnelle Klimawende sozial gerecht stattfinden muss. So ist im Gesetz festgeschrieben, dass "höhere Nettowarmmieten ausgeglichen werden".
Die erste Hürde des Verfahrens wurde bereits genommen. 260.000 Berliner:innen stimmten für die Durchführung des Volksentscheids. Bei der entscheidenden Stufe am Sonntag muss nun eine Mehrheit der Teilnehmenden mit Ja stimmt. Gleichzeitig ist dabei ein Teilnahmequorum von 25 Prozent vorgeschrieben. Insgesamt müssen dafür rund 613.000 Ja-Stimmen von 2,4 Millionen Wahlberechtigten eingehen.
Um das in einen Zusammenhang zu stellen: Die CDU, die die Landtagswahlen in Berlin vor ein paar Wochen für sich entscheiden konnte, erhielt 428.000 Stimmen. Danach sagte ihr Spitzenkandidat und designierter Oberbürgermeister Kai Wegner, dass "Berlin" den "Wechsel gewählt" habe.
Wenn der Volksentscheid Erfolg haben sollte, bekommt diese Aussage eine ganz neue Bedeutung.
Von den Parteien, den Wirtschaftsverbänden und der etablierten Politik hat der Volksentscheid nicht nur keine Unterstützung bekommen, sondern überwiegend Gegenwind. CDU, SPD, AfD und FDP sind dagegen. Einige ihrer Parteimitglieder gehen seit einiger Zeit auf die Straße, um Menschen davon zu überzeugen, mit Nein zu stimmen.
Noch im vergangenen Jahr hatten sich im Abgeordnetenhaus alle Fraktionen, auch Grüne und Linke, gegen die Verpflichtung ausgesprochen, Berlin bis 2030 klimaneutral zu machen. Dies sei wünschenswert, aber praktisch nicht umsetzbar, hieß es aus den Koalitionsfraktionen von SPD, Grünen und Linke.
Nun aus der Regierung gefallen, versuchen Grüne und Linke vor der Wahl zum Volksentscheid, der populär geworden ist, dafür zu werben. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.
Von den Medien wurde der Volksentscheid lange stiefmütterlich behandelt und als Wunschdenken abgetan. RBB-Korrespondent Tom Schneider erklärte Anfang des Jahres auf Tagesschau.de, dass selbst die Befürworter an dem Volksentscheid und seiner Umsetzung zweifeln.
Die Berliner Morgenpost berichtete vor drei Tagen, dass Unternehmensverbände vor einem erfolgreichen Volksentscheid warnen. Nicht machbar, zu teuer, unrealistisch. Die Bildzeitung titelte: "Der Klima-Knebel, der Berlin Milliarden kostet".
Die Panik ist berechtigt. Eine repräsentative Umfrage zeigt, dass eine knappe Mehrheit der Berliner Bevölkerung sich wünscht, dass Berlin bereits bis 2030 klimaneutral wird – und nicht erst, wie von der Politik geplant, bis 2045.
Unglaubliche 430.000 Briefwahl-Unterlagen sind beantragt worden. Prominente und Unternehmer:innen unterstützen den Volksentscheid. Am Samstag ist eine große Demonstration zu "Berlin 2030 Klimaneutral" vor dem Brandenburger Tor geplant, inklusive Benefizkonzerte. Zum "Berlin Climate Aid" erwartet die Polizei 35.000 Teilnehmer:innen.
Auftreten und sprechen werden u.a. Element of Crime, Annett Louisan, Alli Neumann, Arnim Teutoburg-Weiß, Thomas Götz, Igor Levit und Alexander Hacke. Geplant ist zudem die Aufführung von "Karneval der Tiere" mit der Schauspielerin Nora Tschirner. Reden wollen unter anderem die Klimaaktivistin Luisa Neubauer und die Nachhaltigkeitsexpertin Maja Göpel.
Trotz allem, es wird schwierig, derart viele Ja-Stimmen bei einer isolierten Wahl zu generieren. Eigentlich sollte der Volksentscheid parallel zu den Wiederholungswahlen am 12. Februar stattfinden, um eine höhere Wahlbeteiligung zu erreichen. Das scheiterte am Landeswahlleiter.
Ein positiver Volksentscheid wäre, anders als beim Entscheid zur Enteignung von Wohnungsunternehmen, rechtlich bindend. Das wissen auch CDU und SPD.
Daher verkündeten die beiden Regierungsparteien in spe Ende letzter Woche während der Koalitionsverhandlungen, ein Sondervermögen für den Klimaschutz im Umfang von mindestens fünf Milliarden Euro bereitzustellen – ohne jedoch mitzuteilen, woher das Geld kommt und wofür es verwendet werden soll.
Ein durchsichtiges Manöver. Wenn sich die CDU, die mit Anti-Klimaschutz-Kampagnen und Auto-Angst-Wahlkampf in jüngster Vergangenheit noch auf Stimmenfang ging, derart zum Agieren gezwungen sieht, zeigt es, wie groß die Panik bei denen sein muss, die Business as usual wollen und mit allen Mitteln echten Wandel zu verhindern streben.
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